Der Kaufmann Johann Thurzo (1437 – 1508)
Über die Thurzos wird gesagt, sie zählen zu den Deutschen, die ganz schnell Ungarn geworden sind. Tatsächlich kamen sie aber aus Österreich. Johann Thurzo wurde in Leutschau/Levoča geboren, das zu dieser Zeit als eine der 13 Zipser Städte an Polen verpfändet war. Hier und später in Krakau legte er die Grundlagen für die über mehrere Generationen anhaltende wirtschaftliche Macht der Thurzos.
Von Johann Thurzo wissen wir, dass er am 30. April 1437 in Leutschau als zweiter Sohn des Kleinadligen Georg Thurzo geboren wurde. Wegen des frühen Tod seines älteren Bruders musste er die begonnene geistliche Laufbahn aufgeben und die Nachfolge des Vaters antreten. Die Familie kam 1430 nach Leutschau, der Vater trieb von dort Handel mit Rohstoffen bis hin nach Nürnberg.
Von Leutschau nach Krakau
Durch seine Schwester Martha, die den reichen Kaufmann Johann Teschnar heiratete, bekam der junge Johann Kontakte nach Krakau. Die nahen Erzlagerstätten, u.a. in Mogila, machten den Ort für Thurzo interessant. Im Jahr 1463 zog es ihn zu diesem bedeutenden Handelsplatz – wie viele Süddeutsche in dieser Zeit. Man spricht von der „frühkapitalistischen Auslese-Ostwanderung“.
Zwei Jahre später, nach dem Erhalt des Bürgerrechts der Stadt, heiratete Johann die Patriziertochter Ursula Böhm. Mit ihr hatte er drei Söhne und zwei Töchter. Zwei Söhne wurden Bischöfe – Johann (geb. 1464) in Breslau (von 1503 bis 1520) und Stanislaus in Olmütz (von 1497 bis 1540), der dritte Sohn Georg heiratete im Jahr 1497 in Augsburg Anna Fugger und festigte damit die 1495 mit der Gründung der Fugger-Thurzo-Handelsgesellschaft begonnene wirtschaftliche Zusammenarbeit zweier reicher
Familien.
Bauleiter des Marienaltars
Johann Thurzos Einfluss in Krakau nahm 1477 durch seinen Aufstieg zum Ratsherren weiter zu. Er übernimmt die Bauleitung für den Altar der Marienkirche, einer Kirche des
deutschen Patriziats. Er kümmert sich um die Finanzierung und stiftet selbst einen Großteil der Kosten von 2.808 Gulden. Das entsprach etwa dem Jahresbudget Krakaus.
Den Entwurf und Bau des Marienaltars führte Veit Stoß von 1477 bis 1489 durch. Der aus Eichen- und Lindenholz geschnitzte Hochaltar ist mit seinen Abmessungen von 11 m x 13 m der größte dieser Art in Europa und sicher einer der schönsten.
Zweite Ehe und erneut Fugger
Nach dem frühen Tod seiner Frau Ursula (1483) heiratete Johann Thurzo die aus einem böhmisch-mährischen Patrizierhaus stammende Barbara Beck. Aus dieser Ehe stammen weitere fünf Kinder. Die Tochter Katharina heiratete 1513 in Krakau Raymund Fugger und stellte damit eine weitere Verbindung zwischen den beiden Familien her.
Mehr als nur Montanunternehmer
Bereits der Umzug nach Krakau geschah auch aus der Erkenntnis, dass mit dem direkten Einstieg in den Erzbergbau sehr viel Geld verdient werden kann. Zunächst waren aber Investitionen notwendig. In Mogila bei Krakau ließ er eine Kupferhütte bauen. Dort wurden auch Roherze anderer Gruben, die er anteilig oder vollständig besaß, z.B. in Neusohl/Banská Bystrica, eingeschmolzen. Auch in Kuttenberg/Kutná Hora und in Goslar im Harz (von 1466 bis 1496) engagierte er sich.
Der ungarische König Matthias Corvinus gab Thurzo 1475 das Recht, „aus allen verlassenen Gruben das Wasser zu heben und dann nach Silber zu schürfen“. Thurzo schaffte es, durch neue Verfahren nicht mehr nutzbare Gruben zu entwässern und aus Kupfererzen das darin enthaltene Silber zu extrahieren. Zusätzlich handelte Thurzo mit ungarischen Weinen, Lebensmitteln und verlieh Geld.
Per Schiff nach Amsterdam
In der Fugger-Thurzo-Handelsgesellschaft war Fugger für den Verkauf im Westen und Süden, Thurzo für den im Osten zuständig. Während die Fuggers ihre Finanzkraft nutzten, lag Thurzos Stärke in den Rechten an vielen Bergwerken und dem technischen Können. Er schaffte es, das ungarische Kupfer per Schiff auf der Weichsel von Krakau nach Danzig
und von dort über die Ostsee nach Amsterdam zu transportieren.
Münzprägung mit Jahreszahl
Die Thurzos waren auch Kammergrafen von Kremnitz. Dieser Kammer unterlag die Verwaltung des Bergbaus und des Münzwesens der Region. Es wird angenommen, dass durch die Thurzos erstmalig das Einprägen der Jahreszahl auf Münzen eingeführt wurde.
Nun Freiherr von Bethlenfalva
Thurzo hatte geschäftliche Beziehungen zum polnischen und ungarischen Königshof. Aber nur in Ungarn erreichte er damit höhere Würden. 1505 ernannte man ihn zum Freiherrn von Bethlenfalva (heute Betlanovce). Ob das Geld, das er dem ungarischen Hof geliehen hatte, dabei hilfreich war, blieb unklar. Nach seinem Tod im Jahr 1508 wurde die stattliche Schuld von 23.377 Gulden lange nicht zurückgezahlt. Sein Sohn Georg schickte deshalb 1510 erfolgreich eine Mahnung an den Königshof.
Im Verlauf des 16. Jahrhunderts wechselten die Thurzos von der Wirtschaft in die Politik. Sie förderten weiterhin Kunst und Kultur. Heute erinnern an die berühmte Familie vor allem die renovierten Thurzo-Häuser in Neusohl und Leutschau, eine zerfallende Villa in Betlanovce sowie Straßennamen in Budapest und Goslar.
Dr. Heinz Schleusener