Martin von Schwartner

Der Kesmarker Martin von Schwartner (1759 – 1823)

Martin von Schwartner ist einer der vielseitigen und erfolgreichen Kesmarker, deren beruflicher Weg als Lehrer und Erzieher begann und weiter an die Universitäten führte. Für Schwartner war dies die Pester Universität, an der er mit Arbeiten zur Diplomatik, Geschichte, Genealogie und Statistik berühmt wurde.

Martin von Schwartner

Martin von Schwartner

Als am 1. März 1759 in Kesmark der Sohn des wohlhabenden Kauf­mannes Martin Schwartner und dessen Ehefrau Eva Stenzel das Licht der Welt erblickte, erhielt er den Vornamen des Vaters – und den von Luther. Er sollte später einmal Theologie studieren.

In der Schule, zunächst in Kesmark, dann in Pressburg/Bratislava und Ödenburg/Sopron glänzte er mit seinen geistigen Fähigkeiten. Die Kameraden allerdings mussten ohne ihn spielen, er blieb lieber in der Stube und las Bücher.

Zum Studium zog es ihn nach Göttingen. Hier befand sich die zu dieser Zeit wohl berühmteste deutsche Universität.

Münchhausen und Göttingen

Nein, es geht nicht um den Lügenbaron Münchhausen, an den mancher jetzt denken mag. Seinem Cousin, dem hannoverschen Minister Freiherr von Münchhausen, ist das Verdienst zuzuschreiben, maßgeblich an der Gründung der 1737 offiziell eingeweihten Universität Göttingen beteiligt zu sein.

Münchhausen setzte dabei diese Aufgabe seine Landesherren, des Kurfürsten Georg August von Hannover, der seit 1714 als Georg II. zugleich König von Großbritannien und Irland war, perfekt um. Er löste die Forschung von der theologischen Zensur, berief herausragende Wissenschaftler als Lehrende und baute eine den Studenten offenstehende Bibliothek auf.

Geschichte statt Theologie

Mit Martin Schwartner hatten sich an der Georg-August-Universität etwa 600 Studenten eingeschrieben (heute sind es ca. 30.000). Hier studierten viele spätere Berühmtheiten wie Knigge, Bürger, Gauß und die Gebrüder Humboldt. Als Lehrende wirkten u.a. die Professoren Lichtenberg (Naturwissenschaftler), Erxleben (Veterinär), Büsching (Geograph) und der Historiker Schlözer. Es ist anzunehmen, dass spätere Arbeiten Schwartners, der sich bald dem Studium der Geschichte, Statistik und Diplomatik zuwendete, auf dem bei Schlözer Erlernten basieren.

Hofmeister und Lehrer, dann Professsor

Nach dem Studium zurückgekehrt, fand Schwartner seine erste Arbeitsstelle als Hofmeister bei Baron von Prónay, dem Obergespan (Gouverneur) des Komitats Csanad. Als Hofmeister war er Lehrer und Erzieher der Kinder des Barons. Nach drei Jahren kam er nach Kesmark zurück, wo er von 1784 bis 1786 als Konrektor, also stellvertretender Schulleiter, tätig war.

Die anschließende Professur am Ödenburger Gymnasium war nur ein Übergang. Seine Bewerbung um eine Professur an der Pester Universität, die heutige Loránd-Eötvös-Uni (ELTE), hatte 1788 Erfolg. Mit dem Lehrstuhl für Diplomatik (Urkundenlehre) erhielt er auch die Verantwortung über die Universitätsbibliothek.

Die Arbeit mit alten Urkunden und in der Bibliothek führte ihn auch in die Genealogie. Zu den wenigen Werken, die Martin Schwartner veröffentlichte, zählt eine Abhandlung über das Geschlecht der Herzöge von Crouy. Deren ungarische Wurzeln, die auf der Heirat einer Vorfahrin mit einem Enkel des ungarischen Königs Bela II. beruhen sollen, sind bis heute nicht eindeutig belegt.

Schwartners Buch zur Diplomatik

Schwartners Buch zur Diplomatik

Diplomatikbuch in zwei Auflagen

Zwei Jahre nach Übernahme der Professur erschien sein Buch “Introductio in artem diplomaticam praecipue Hungaricam”. In ihm teilt er die Diplomatik in Grafik, Semiotik und Formelkunde ein. Eine zweite, überarbeitete Auflage kam 12 Jahre später heraus. Kritiker bemängelten das Fehlen eines Kapitels über die Archivkunde oder die Lehre von der Behandlung der Urkunden in Archiven und schrieben “was nicht ist, kann noch werden”.

Es wurde aber nicht, denn Schwartner widmete sich inzwischen stärker seinem eigentlichen Interessengebiet und gab 1798 die bereits 1796 fertiggestellte “Statistik des Königreiches Ungern” heraus.

Statistikbuch vom Diplomatiker

Das, was zu dieser Zeit als Statistik bezeichnet wurde, erklärt Schwartner am Anfang des Buches selbst als “Staatskunde”. Dazu zählen die Bestandteile eines Staates, die Verfassung und die Verwaltung. Als verwendete Quellen gibt Schwartner Urkunden, Staatsschriften, Kalender, in- und ausländische Schriften, Reisebeschreibungen und Zeitungen an.

Mit diesem Buch belegt Schwartner, dass er zu Unrecht bei den Berufungen für den Lehrstuhl Statistik in Pest gleich dreimal übergangen wurde. Das Buch war noch erfolgreicher als das zur Diplomatik, erschien 1810 in zweiter Auflage in drei Teilen, 1815 in dritter Auflage und wurde international gewürdigt. Es handelt sich um eine umfangreiche, in die Details gehende Erfassung des ungarischen Staates. Beschrieben werden im 1. Teil Geografie, Bevölkerung, Religionen, Berufe, Bodenschätze, Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Finanzen. Der 2. Teil behandelt die Staatsverfassung mit Erb- und Thronfolge und den Rechten des Königs und seiner Untergebenen. Im 3. und letzten Teil erklärt er die Staatsverwaltung Ungarns von Hofkanzlei über die Komitate bis zu den Städten, geht auf Justiz, Finanzen sowie Schulen, Akademien und Universitäten ein und erfasst auch die Kirchen.

Am Schluss wagt er einen Ausblick in die Zukunft, die er für Ungarn mit dem „Haus Österreich” unter Kaiser Franz II. sieht. Das Buch schließt mit dem Satz:

Der Kaiser, der sich über Schwartner informierte, erkannte den Fehler der Nichtberufung und entschädigte ihn mit einer jährlichen Gehaltszulage von 400 Gulden und später dem Erheben in den Adelsstand.

Vermächtnis an Kesmark

Martin Schwartner, der ledig blieb, starb am 15. August 1823 in Pest. In seinem Testament bestimmte er, seine aus etwa 12.000 Bänden bestehende Bibliothek sowie 15.000 Gulden dem Kesmarker Lyzeum zu übergeben und die Zinsen zum Kauf neuer Bücher zu verwenden. Von weiteren 15.000 Gulden sollten die jährlichen Zinsen einem armen protestantischen oder katholischen Kesmarker Mädchen vom Bürgerstand, das sich durch “Ehrbarkeit und gute Sitten vorzüglich ausgezeichnet hat” am Hochzeitstage zur Aussteuer gegeben werden. Schwartner hatte seine Heimatstadt nicht vergessen!

Dr. H. Schleusener