Gabriele Kintzler und Michael Lindner mit Frau

„Die Geschichte der Karpatendeutschen liegt mir besonders am Herzen“

Alles begann 1971, als ich durch Zufall zu meinem Radiohobby kam. Mit einem sowjetischen Kurzwellenempfänger suchte ich auf verschiedenen Wellenbereichen systematisch die einzelnen Frequenzen ab, um ausländische Radiostationen zu hören. Diese Sendungen ermöglichten mir einen objektiven Blick über den Tellerrand der sozialistischen DDR zu werfen. Ich begann zu verstehen, dass es da „draußen“ auch noch eine Welt gab, die viele interessante Dinge zu bieten hatte. So war es auch nur noch eine Frage der Zeit, dass ich durch diese Radiosendungen von ethnischen Minderheiten erfuhr, die auf allen Kontinenten zu finden waren.

So stellte ich entsprechende Kontakte zu deutschen Minderheiten in den USA und Paraguay her. Dass es in Osteuropa und speziell in der Slowakei auch deutsche Minderheiten gab, darüber wusste ich leider damals so gut wie nichts, da über diese Thema eigentlich nicht informiert wurde. Eine Ausnahme gab es aber, Radio Budapest, welches schon zu kommunistischen Zeiten über die Donauschwaben berichtete.

Als dann endlich 1993 deutschsprachige Sendungen vom Auslandsdienst des Slowakischen Rundfunks aus Bratislava ausgestrahlt wurden, erfuhr ich mehr von den Karpatendeutschen und ihren Bemühungen, die Sprache, Kultur und Traditionen dieser Minderheit aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Ich erfuhr vom Karpatenblatt und setzte mich mit der Redaktion, die damals in Poprad ihren Sitz hatte, in Verbindung. Das alles war nicht ganz so einfach und bequem wie heute, im Zeitalter der Computer. Die gesamte Korrespondenz erfolgte per traditioneller Schneckenpost, alles brauchte seine Zeit!

Doch eines Tages brachte mir der Briefträger eine Drucksache ins Haus, es waren mehrere Ausgaben des Karpatenblattes. So hatte ich erstmals die Gelegenheit, das Printsprachrohr der karpatendeutschen Bevölkerung zu lesen. Es war für mich spannend wie ein Kriminalroman. Da ich mich spontan über Inhalte, die mich besonders bewegten, bei der Redaktion äußerte, entwickelte sich eine rege Korrespondenz. Die damalige Schriftführerin des Karpatenblattes, Frau Gabriele Kintzler, erwiderte meine zahlreichen Kontaktaufnahmen sehr freundlich und interessiert. Letztendlich entwickelte sich daraus eine ganz persönliche Freundschaft, die auch zu mehreren Besuchen der Slowakei inspirierte.

Gabriele Kintzler und Michael Lindner mit Frau
Gabriele Kintzler im Gespräch mit Familie Lindner in Poprad

Wenn ich an die alten Ausgaben denke, fällt mir sofort meine Lieblingsrubrik „Betrachtungen für diese Zeit“ von Gabriele Kintzler ein, die Mitte der neunziger Jahre immer auf der ersten Seite fast jeder Ausgabe zu lesen war. Diese Artikel, immer zu einem anderen Thema, waren für mich eine gelungene Einladung, das „restliche“ Karpatenblatt aufmerksam zu lesen. Es waren oft so emotionale Worte, die mir doch tatsächlich unter die Haut gingen.

Das kleine Karpatenblatt entpuppte sich als ein herzliches, ehrliches und lebendiges Sprachrohr einer kleinen ethnischen Minderheit, die erst nach der politischen Wende und der Gründung der Slowakische Republik am 1. Januar 1993 ihre volle Identität wieder erlangt hat und bis heute ausleben kann. So konnten von den veränderten politischen Verhältnissen in der Slowakei die karpatendeutsche Bevölkerung sehr schnell von positiven Errungenschaften profitieren, wie zum Beispiel von der ersten Ausgabe des Karpatenblatts im Juli 1992 oder von den deutschsprachigen Radiosendungen, die ab Dezember 1992 im Inlandsprogramm des Slowakischen Rundfunk ausgestrahlt wurden.

Michael Lindner
Bei der Gedenkstätte für den Zweiten Weltkrieg am Duklapass

Ich hatte bereits in meiner Jugendzeit die ersten Kontakte zu ethnischen Minderheiten, die mich immer brennend interessiert haben. Ich fand es faszinieren, wo in der Welt sich überall Deutsche niedergelassen haben und wie sie, unter welchen Bedingungen, ihre Muttersprache, Kultur und Traditionen über Generationen hinweg weiterpflegen. So ist es auch kein Wunder, dass mir gerade die Geschichte der Karpatendeutschen in der Slowakei besonders am Herzen liegt, da doch diese ethnische Minderheit für mich in greifbarer- und erlebbarer Nähe liegt.

Nicht zuletzt wurde mein Interesse am Leben der Karpatendeutschen bei meinen Besuchen zu den Kultur- und Begegnungsfesten der Karpatendeutschen in Kesmark vertieft. Auch Dank des Karpatenblatts konnte ich gedanklich immer eine Brücke der Sympathie und Freundschaft zur deutschen Minderheit in der Slowakei schlagen.

Michael Lindner
Am Bergsee Štrbské Pleso 1997

Natürlich hat sich das Layout der Zeitung im Laufe der Jahre deutlich verbessert, ganz zu schweigen vom heutigen Umfang des Blattes. Aber eins ist geblieben, die wundervolle Chance, der karpatendeutschen Bevölkerung der Slowakischen Republik eine gewichtige Stimme zu geben, die weltweit Interesse und Beachtung findet. Auch heute noch ist das Karpatenblatt ein liebenswertes Printerzeugnis mit Herz und Seele!

Auch wenn ich schon lange nicht mehr im Karpatenblatt blättern konnte, habe ich doch die Möglichkeit, mich im Internet mit den einzelnen Inhalten auseinanderzusetzen. Für diese bequeme Möglichkeit danke ich Ihnen von ganzem Herzen.

So, liebe Freunde und Leser des Karpatenblatts, das waren meine Gedanken und Erfahrungen, die ich mit dem Karpatenblatt seit den neunziger Jahren gemacht habe. Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses kleine „Druckwerk“ kennenlernen durfte, welches mein Wissen über die Deutschen in der Slowakischen Republik unermesslich erweitert hat. Ich hoffe und wünsche allen „Machern“ des Blattes eine erfolgreiche Zukunft und natürlich immer interessierte und dankbare Leser,

Ihr

Michael Lindner