Geschichte des Alten Evangelischen Lyzeums in Preßburg

Die Geschichte des Alten Evangelischen Lyzeums zu Preßburg

Das Alte Evangelische Lyzeum zu Preßburg/Bratislava hatte einst einen äußerst bedeutenden Einfluss auf das Bildungswesen und die Kultur auf dem Gebiet der heutigen Slowakei. Hier wurde mehr als 70 Jahre lang die evangelische Intelligenz ausgebildet, dazu gehörten große slowakische Persönlichkeiten wie Ján Kollár oder Ľudovít Štúr, aber auch der ungarische Revolutionär Lajos Kossuth etwa studierte hier.

Nach dreijähriger Rekonstruktion und Umbau wurde Anfang Dezember 2023 das Alte Lyzeum als Labor der offenen Gesellschaft in der Altstadt von Preßburg wieder eröffnet. Es soll als Kultur- und Gemeindezentrum der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakei dienen und ein Ort für Dialog, Freiheit und Gleichheit werden.

Die Anfänge der evangelischen Gemeinde

Die Anfänge der evangelischen Gemeinde in Preßburg waren bescheiden. Erst der Frieden von Wien (23. Juni 1606) brachte erweiterte Rechte für die evangelische Konfession. Am 2. Oktober 1606 wurde Andreas Reuss als erster evangelischer Prediger der Stadt eingesetzt. Er stammte aus Querfurt in Sachsen-Anhalt und stand im Dienste des Grafen Siegfried von Kollonich, einem Anhänger der Reformation. Am 8. Oktober 1606 hielt er seine Antrittspredigt im Armbrusterschen Haus „Zur blauen Himmelskugel“, das als provisorische Stätte für evangelische Gottesdienste diente.

Der Aufbau der Gemeinde erforderte auch eine Bildungsstätte. Am 2. August 1606 wurde eine Schulkommission zusammengestellt, die eine Genehmigung zur Errichtung einer evangelischen Schule erwirkte. Auf Anraten des Grafen Kollonich sandte der evangelische Herzog Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, Professor David Kilger als Rektor für die Schule für höhere Bildung, die nach dem Vorbild des pfälzischen Lauinger Gymnasiums gestaltet wurde. Sie nahm im Dezember 1606 den Unterricht auf und umfasste acht Klassen, darunter zwei Grundschulklassen. Es wurde auf Deutsch, Ungarisch und Latein unterrichtet, in den höheren Klassen wurden zusätzlich Griechisch und Hebräisch für Theologie und Philosophie gelehrt. Nach der Einnahme von Preßburg durch die Aufständischen unter Gabriel Bethlen (1619) wurde die Domkirche des Heiligen Martin der evangelischen Gemeinde übergeben. Die Möglichkeit, hier Gottesdienste abzuhalten, dauerte jedoch nur bis zum Jahr 1621. Danach musste wieder das Armbrusterhaus genutzt werden.

Augsburger Baumeister erhält Bauauftrag

Im Jahr 1634 wandte sich die evangelische Gemeinde mit der Bitte um den Bau einer Kirche an den Stadtrat. Am 31. März wurde die königliche Erlaubnis dafür erteilt. Mit der Bauausführung wurde der Augsburger Baumeister Hans Stoss beauftragt und am 21. Dezember 1638 weihte der ebenfalls aus Augsburg stammende Theologe Josua Wegelin die Kirche. Der Linzer Frieden vom 13. Dezember 1645 sicherte weitere Rechte für die evangelische Konfession. Die Preßburger nutzten die Möglichkeit und so wurde im Jahr 1656 mit Spenden der Gemeinde dank Bürgermeister Andreas Segner hinter der Kirche am Armbrustergrund ein zweistöckiges Gebäude errichtet. Es wurde nach dem Vorbild der Straßburger Schule von deutschen Lektoren wie Daniel Tiefenbacher, Jacob Hans Helgenmayer, Christoph Bohm, Hans Seyfried, Daniel Tieftrunck und Thomas Illés geleitet. Die Weihe des Gebäudes fand am 30. November 1656 statt. Kurz danach wurde es um ein drittes Stockwerk erhöht und ein Hofflügel angebaut. Die Schule hatte auch ihre eigene Bibliothek. Als im Jahr 1658 Leopold I. zum König von Ungarn gewählt wurde, begann die Zeit der Gegenreformation, die im Königreich Ungarn ihren Höhepunkt in den Jahren 1671 bis 1681 erreichte.

Mit Gewalt entzog der Erzbischof von Gran (Esztergom, Ostrihom) György Szelepcsényi am 18. Juli 1671 der evangelischen Gemeinde die Kirche und Schule. Heute befinden sich an dieser Stelle die Jesuitenkirche am Franziskanerplatz und das Gebäude des Aloisianums dahinter. Hier ist die Theologische Fakultät der Tyrnauer Universität untergebracht. Erst als Kaiser Leopold I. im Jahr 1681 (24. Mai – 30. Dezember) den Landtag nach Ödenburg/Sopron einberief, kam es zu einer teilweisen Entspannung zwischen den Konfessionen. Nach den Artikeln XXV und XXVI durften in jedem Komitat und jeder königlichen Freistadt die evangelischen Gemeinden zwei Holzkirchen bauen, die als Artikularkirchen bekannt wurden. So beschloss man im Jahr 1682, außerhalb der Stadtmauern ebenso in Preßburg auf der Nonnenbahn eine Holzkirche zu errichten.

Auch eine Bildungsstätte war dringend nötig. Im Juli eröffnete dann eine Schule in einem Wohnhaus in der heutigen Hummelgasse in der Innenstadt. Diese wurde jedoch sofort vom Grafen Nikolaus Draškovič verboten. Auf der Nonnenbahn und in der Konventgasse, wo auch die Artikularkirche gebaut wurde, standen bereits einige Häuser der vertriebenen Evangelischen. Darunter war eines, das Gräfin Katharina Salome Eibiswald-Starhemberg im Dezember 1682 der Schule schenkte. Die Gemeinde kaufte später für die Schule weitere Häuser in der Nachbarschaft. Im Jahr 1713 brach die Pest in Preßburg aus. Fast ein Drittel der Einwohner starb und das Lyzeum wurde geschlossen.

Mathias Bel als Rektor des Lyzeums

Um das Niveau der Schule wieder aufzubauen, wurde 1714 der Polyhistor Mathias Bel aus Neusohl/Banská Bystrica als Rektor eingeladen. Er behielt diesen Posten bis 1719, setzte sich für die Steigerung des Ansehens des Lyzeums ein, organisierte das Unterrichtssystem neu, führte naturwissenschaftliche Fächer ein und unterrichtete in der Muttersprache der Schüler. Er kümmerte sich auch um sozial benachteiligte Schüler, indem er eine fast kostenlose Verköstigung für 20 Schüler einführte. Später konnten bis zu 60 bis 80 Schüler auf diese Weise unterstützt werden. Im Jahr 1724 wurde bei der Schule wieder eine Bibliothek eingerichtet, die eine Sammlung mittelalterlicher Aufzeichnungen, Aufzeichnungen von Studenten ab 1714, Vorlesungen und Manuskripte von Professoren sowie verschiedene Dokumente enthält, die mit dem Lyzeum oder der evangelischen Gemeinde zusammenhängen.

Am 13. Oktober 1781 erließ Joseph II. sein Toleranzpatent, das weitere wesentliche Religionsfreiheiten und Erleichterungen für die evangelische Konfession festhielt. Bereits vorher konnte der Bau einer neuen Kirche begonnen werden, nachdem Maria Theresia am 24. Mai 1774 die Genehmigung erteilt hatte, da die bestehende Artikularkirche nach fast 100 Jahren in einem schlechten Zustand war. Nach den Auflagen des Wiener Hofes plante Baumeister Matthäus Walch nahe der Stelle der baufälligen Artikularkirche einen Neubau, für den Pfarrer Johannes Ribiny seinen Garten schenkte. Der Grundstein für den Bau wurde am 26. Juni 1774 gelegt. Die Weihe der Kirche (heute Große Evangelische Kirche) erfolgte am 1. Dezember 1776 durch Pfarrer Ribiny. Der Bau verschlang eine beachtliche Summe. Die Gelder stammten ausschließlich aus Spenden der evangelischen Glaubensgenossen. An der Stelle der Artikularkirche wurde im Jahr 1776 die ungarisch-slowakische evangelische Kirche erbaut (heute Kleine Kirche). Auch für diese wurde von Königin Maria Theresia eine Sondergenehmigung erteilt, datiert zu Wien am 24. Februar 1777. Der Bau wurde von den Baumeistern Matthäus Walch und Franz Carl Römisch realisiert. Die feierliche Einweihung erfolgte am 30. November 1777.

Nach dem Toleranzpatent

Nur einige Monate nach der Veröffentlichung des Toleranzpatents begann die evangelische Gemeinde in Preßburg über den Bau eines neuen Schulgebäudes zu verhandeln. Am 5. Juni 1782 inspizierte Kirchenverwalter Friedrich Geletneky auf Antrag des Evangelischen Konvents und gemäß der Anordnung der Gemeinde die vorhandenen Schulgebäude. Zusammen mit den Maurermeistern Norbert Danko, Georg Karol Csillag und Venceslaus Veith sowie den Tischlermeistern Albert Gissinger und Ignac Mahr stellte er einen schlechten baulichen Zustand fest. Als beste Lösung wurde der Bau einer neuen Schule auf den vorhandenen Grundstücken vorgeschlagen. Der Bau wurde nach nicht ganz fünf Monaten, am 22. Oktober 1783, fertiggestellt. Das ursprünglich im barocken Klassizismus gestaltete Gebäude steht parallel zur Südfassade der Neuen Evangelischen Kirche und grenzt an deren Sakristei an. Es verfügt über zwei oberirdische Geschosse und geräumige Kellerräume. Das Satteldach mit Giebelwänden und ein zentraler Risalit, von dem sich das Portal des zur Kirche führenden Durchgangs abhebt, zeichnen das Gebäude aus.

Im Jahr 1791 hob Leopold II. die Beschränkungen für Protestanten gänzlich auf, was eine große Erleichterung für die Tätigkeit der evangelischen Gemeinde bedeutete. Ab 1815 hatte das Lyzeum eine feste Struktur: zwei Jahre Erststudium, drei Jahre Sekundarstufe und zwei Jahre Philosophie und Jura, gefolgt von zwei Jahren Theologie. Im Jahr 1854 wurde der Bau eines neuen Gebäudes des Lyzeums mit Mitteln der Kirche genehmigt. Schon 1855 erfolgte der Umzug in das Gebäude in der Konventstraße 13, das heute als „Neues Lyzeum“ bekannt ist.

Evangelische Gemeinde erhielt Lyzeum zurück

Der evangelischen Gemeinde wurde das Gebäude des Alten Lyzeums nach 40 Jahren kommunistischer Herrschaft im Rahmen der Restitutionen in einem katastrophalen Zustand zurückgegeben. Es dauerte noch viele Jahre, bis das Gebäude saniert war. Dies gelang dank der Zuschüsse des Europäischen Wirtschaftsraums in den Jahren 2022 bis 2023. Die Fassade erhielt ihren dominanten Ausdruck im Stil des Frühklassizismus in weißer Farbe zurück. An der Außenseite sind Originalelemente aus dem Jahr 1783 erhalten geblieben, wie das Steinportal des Haupteingangs, das das Erscheinungsbild des Gebäudes unterstreicht. Ebenso wurden die Steinfensterrahmen und das restaurierte hölzerne Eingangstor mit einem reichen Fries im oberen Teil bewahrt. Trotz mehrerer Eingriffe in der Vergangenheit sind im Lyzeum auch originale hölzerne Türen, Steinportale, Steinverkleidungen von Heizkammern, Metalltreppengeländer sowie „Graffiti“ – Unterschriften, Notizen und andere Einträge von Schülern des Lyzeums an den Türen und Wänden – erhalten geblieben. Die originalen Dielenböden in den drei Räumen im ersten Stock sowie die Holztreppen sind im Kontext der Preßburger Baudenkmäler einzigartig. Die Gesamtkosten der Restaurierung beliefen sich in der ersten Phase auf eine Million Euro. Eine weitere halbe Million Euro erhielt die Gemeinde für weitere Arbeiten und die Aufnahme der Aktivitäten. Die Frage der Sanierung des Kellers und des Dachbodens ist noch offen. Dort könnte ein Kulturraum für bis zu zweihundert Personen entstehen. Die Außenstelle der Zentralbibliothek der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, die seit 1954 die Lyzeumsbibliothek und das Archiv der Kirchengemeinde verwaltet, bleibt im Gebäude. Die Sammlungen seltener Bücher, darunter rund 80.000 Buch- und Manuskriptbände, einige aus dem 13. Jahrhundert, sowie seltene Globen, werden in einem modernen Archiv untergebracht, das fast die Hälfte der Fläche des Gebäudes einnimmt. Im Rahmen der Renovierung wurde die größte Bücherübersiedlung in der Geschichte Preßburgs durchgeführt.

RNDr. Michael Stolár

(basierend auf veröffentlichten Unterlagen von Prof. Ing. Arch. Janka Krivošová, PhD. und Ing. Arch. Patrik Baxa sowie dem Archiv von Pfarrer Andreas Metzl)