Johannes Göbel

Die Kinderjahre des Musikbox-Erfinders

Denken Sie manchmal an Ihre Kinder- und Schulzeit zurück? Ja? Dann vergleichen Sie bitte das, woran Sie sich erinnern, mit dem, was Johannes Göbl (1872-1955) aus Ober-Metzenseifen, der später in den USA die Musikbox erfand, in seinen Kinderjahren erlebt hat. Lesen Sie dazu seine eigene Schilderung.

John Gabel, der als Johannes Göbl in Ober-Metzenseifen/Vyšný Medzev geboren wurde und später die Jukebox (Musikbox) erfand, diktierte im Jahr 1923 seiner Sekretärin über Wochen einen Text – seine Autobiographie. Diese wurde uns freundlicherweise von Rick Crandell, USA, einem IT-Spezialisten, zur Verfügung gestellt.

Biografie eines Mannes, dessen Schicksal von einer unsichtbaren Hand geführt wurde

Biografie eines Mannes, dessen Schicksal von einer unsichtbaren Hand geführt wurde

Mit dieser faszinierenden Überschrift charakterisiert John Gabel seine Erinnerungen. Die dann folgende Beschreibung seines Lebens fasziniert noch mehr. Hier geben wir das, was er über seine Kinderjahre schrieb, in Auszügen gefasst wieder:

„Am 24. Mai 1872 wurde ich in Metzenseifen, Ungarn, geboren. Ich erinnere mich gut an meine Familie und die Lebensbedingungen in unserem Haus. Mein Vater war gelernter Nagelschmied und beschäftigte in seiner Werkstatt drei Gesellen.“

Die ersten Lebensjahre

„Als Dreijähriger lief ich jeden Tag mit einer Kartoffel in den Händen zur Werkstatt. Die Gesellen ließen diese über dem Feuer backen. Nachdem ich die Kartoffel gegessen hatte, schlief ich gewöhnlich auf einem Kohlenhaufen ein. Nach dem Feierabend trug mich dann ein Geselle nach Hause.”

Von Krankheiten geplagt

“Im Alter von sechs Jahren begann meine Schulzeit. Von den vier Jahren Volksschule absolvierte ich nur zwei, da sich bei mir eine Krankheit mit der anderen abwechselte. In dem Alter, in dem andere Kinder in der Natur spielten, konnte ich nicht hinaus. Scharlach hinterließ viele schmerzhafte und unschöne Wunden auf meinem Kopf.

Mit acht Jahren erkrankte ich schwer an Pocken. Mein Kopf schwoll so stark an, dass ich zwei Wochen lang blind und die meiste Zeit bewusstlos war. Alle glaubten, ich werde nicht mehr gesund, da viele Kinder mit weniger schweren Symptomen die Krankheit nicht überlebten. Mit neun Jahren bekamen meine Mutter und ich zugleich Typhus. Auch hier konnte der Arzt nicht helfen. Ich überstand auch dies, doch meine Mutter starb.”

Mit 10 Jahren Arbeiter

„Als ich 10 Jahre alt war, heiratete mein Vater wieder. Das war auch der Zeitpunkt, an dem für mich das Arbeitsleben begann – als Helfer in der Werkstatt meines Vaters, in der Nähe unseres Hauses.

Die Arbeit war hart und die Stunden lang. Ich sah viel Elend unter den Lehrlingen. Sie wurden von den Meistern geschlagen. Ich sah sie von heißem Eisen getroffen, Haut und Fleisch verbrannte und Blut strömte über ihre Gesichter. Wenn sie nichts mehr sehen konnten, wurden sie zum Fluss geschickt, um die Wunden zu waschen und danach zur Arbeit zurückzukehren. Gegen Ende des Jahres 1883 verlegte mein Vater seine Arbeit in ein Geschäft im unteren Metzenseifen, drei Meilen von unserem Haus entfernt. Etwa sechs Monate arbeitete ich bei ihm.

Mein Vater war nie richtig gesund, seine Krankheiten verschlimmerten sich. Schließlich musste er als selbständiger Meister aufgeben und einen Job als Helfer annehmen.“

Arbeitsbeginn 2 Uhr morgens

„Ich wurde einem anderen Nagelschmiedemeister zugeteilt. Wir begannen um 2 Uhr morgens. Um 7 Uhr hörten wir eine halbe Stunde zum Frühstück auf und gegen Mittag mussten wir tausend Nägel fertig haben, damit der Meister nach Hause gehen konnte. Zusätzlich zur Hilfe beim Schlagen des Nagels aus dem heißen Eisen musste der Helfer zum Feuer gehen, das Eisen heiß machen und jeden fertigen Nagel zählen. Wehe dem Helfer, der einen Fehler machte!“

Arbeit beim Hufschmied

“Mit 12 Jahren arbeitete ich beim Hufschmied. Mein Weg dorthin betrug wieder drei Meilen. Wir arbeiteten von 2 Uhr morgens bis Mittag. Die Helfer blieben, um das fertige Produkt zu verpacken, den Laden zu säubern, die Feuerstelle wieder aufzubauen und genug Kohle und Eisen für den nächsten Morgen vorzubereiten. Dann gab es eine 3-Meilen-Wanderung, nicht um Sport zu treiben, sondern um nach Hause zu kommen.

Ich kann mich an viele Sommernachmittage erinnern, an denen ich zu müde war, um es bis ins Haus hinein zu schaffen. Ich legte mich auf den Rasen und schlief sofort ein. Wenn mein Vater nach Hause kam, trug er mich ins Haus und legte mich ins Bett. Er wusste, dass ich den Schlaf mehr brauchte als das Abendessen, weil ich am nächsten Morgen sehr früh wieder zur Arbeit musste.“

Rechtlose Lehrlinge

„Der Meister hatte alle Macht und er war der Richter; der Lehrling hatte überhaupt keine Rechte. Der Lehrvertrag galt für drei Jahre. Gab der Meister Kleidung, dann sogar für vier Jahre.

Die gesamte zukünftige berufliche Karriere hing von gutem Willen und der Laune des Meisters ab. Dieser konnte ihm am Ende der Zeit ein Buch überreichen, in das er die in den vier Jahren geleisteten Arbeiten eingetragen hatte. Danach wurde es mit dem Siegel der Stadt versehen. Mit diesem Buch in seinem Besitz konnte man als Geselle auf Wanderschaft gehen und Arbeit und Erfolg suchen.“

Neue Hoffnung Amerika

„1885 schrieb mein Cousin aus Cleveland, Ohio, auch John Gabel, an meinen Vater und bat um die Erlaubnis, dass ich nach Amerika käme. Das Geld für die Reise würde er schicken. Obwohl mein Vater mich brauchte, um ihn zu unterstützen, stimmte er zu und schrieb John, dass ich gehen könnte.

Ein Jahr später schickte mein Cousin das Geld für die Reise nach Cleveland für mich und meine Schwester Maria. Es dauerte nicht lange, bis wir uns fertig machten. Meine Habseligkeiten passten in ein Taschentuch, alles zusammen kam in ein Betttuch und wir verließen Metzenseifen Ende September.“

Soweit der Teil der Autobiographie, in dem Johannes Göbl/John Gabel seine ersten 14 Lebensjahre beschreibt. Die folgende Reise nach Amerika mit Eisenbahn und Schiff ist eine eigene Geschichte.

Dr. Heinz Schleusener