Die oberungarische Waldbürgerschaft

Trotz ihrer Bedeutung in der ostmitteleuropäischen Bergbaugeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts wurden die Gründung, ihre Ursachen und das Bestehen der oberungarischen Waldbürgerschaft in der bisherigen Historiografie nur sehr karg behandelt. Dabei stellte diese Organisation eine einzigartige Erscheinung im Bergbau Europas jener Zeit dar, die während ihrer ganzen Existenz die wirtschaftspolitische Lage der alten Monarchie widerspiegelte.

Schon beim Deuten des Begriffs „Waldbürger“ ergeben sich allerdings viele Probleme, die in der wortwörtlichen Übersetzung dieses Wortes wurzelt. Die Bezeichnung stammt aus dem Mittelalter, als die Bergleute noch in den Wäldern nach Erzen schürften. Dazu brauchten sie eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, die ihnen vom ungarischen König gewährt wurde. Im 18. und 19. Jahrhundertverfügten auch Privatpersonen über die Befugnis zum Bergbau und so übten sie Schürf,- Förder- und Verhüttungsarbeiten aus.

Wechselseitige Zusammenarbeit

Die Arbeit der „Waldbürger“ lag immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Versuchen, den Bergbau zu liberalisieren und der staatlichen Regulierung der Kupfereinlösung durch die Wiener Staatsverwaltung. So kam es gegen Ende des 17. Jahrhunderts zur Einführung eines Kupfermonopols, was zur Folge hatte, dass die Kupferunternehmen in Schmöllnitz von der Zipser Kammer mit Sitz in Kaschau übernommen wurde. Jedes Gewerk, das damals als Waldbürger bezeichnet wurde, musste nun seine Kupferproduktion zur Einlösung im staatlichen Kupferunternehmen in Schmöllnitz abgeben. Das Ziel dieser Verordnung war es, Ordnung in die oberungarische Kupfererzeugung zu bringen und für die Staatskasse stabile Einkünfte zu sichern.

Die Spannungen gipfelten vor und während des österreichischen Erbfolgekriegs im Jahr 1748, als die Monarchie sehr auf die Einnahmen durch das Schmöllnitzer Kupfer angewiesen war. Darum richteten die WienerHofstellen ihr Augenmerk auf die Verwaltung der Schmöllnitzer Kupfereinlösung. Dies stellte eine bedeutende Etappe in der Geschichte des habsburgischen Kupferwesens dar, wie auch den Anfang mehrjähriger Zusammenarbeit des Staates mit privaten Gewerken.

Vom Waldbürger zum Bergbauunternehmer

Dieser organisatorische Wandel sorgte dafür, dass die Forderungen gegenüber dem Staat wuchsen und Verzögerungen der Zahlungen für die Kupferlieferungen deutlich anstiegen, was die oberungarischen Gewerke seit Anfang der 1740er Jahre bewogen, eigene Aktivitäten zur Wahrung ihrer Interessen zu entwickeln. Die ersten Versuche wurden von den Gewerken aus Einsiedel und Göllnitz im Juni 1742 unternommen. Am 14. November 1748 wurde daraufhin auf einer Versammlung in Einsiedel an der Göllnitz die Organisation „vereinigte waldbürgerschaftliche Socettäet“ gegründet. Später wurde diese Organisation auch kurz „Oberungarische Waldbürgerschaft“ genannt oder auf Ungarisch „Felsömagyarországi banyapolgrárszág“(„Oberungarische Bergbaubürgerschaft“).

Dieser Verband sollte nun die Gewerke bei verschiedenen Klagen und Streitfällen vor dem Berginspektorat-Amt in Schmöllnitz vertreten. Nun wurden die Waldbürger statt als einzelne Gewerke, als Verwaltungsinstitution der Waldunternehmer betrachtet, was erfreuliche Impulse für die Belebung des ganzen oberungarischen Bergbauhandels brachte. So konnten die Bergreviere von Schmöllnitz, Schwedler und Einsiedel im Jahre 1794 einen außerordentlich hohen Gesamtertrag von 14.051 Floren erzielen.

In Schwedler konnte dank des Geldes aus der Bergbautätigkeit 1784 bis 1787 eine evangelische Kirche gebaut werden, später konnte die Stadt auch den Guss einer großen Glocke in Auftrag geben.

Fazit

Um 1870 begannen sich die Ressourcen an Kupfererzen deutlich zu mindern. Das Großkapital setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts durch, als der Kupferbergbau durch den Eisenerzbergbau ersetzt wurde. 1890 wurden die wichtigsten Bergbauwerke an die Oberungarische Bergbau- und Hüttengesellschaft Schmöllnitz AG verkauft, die sich auf die Gewinnung von Pyriten fokussierte.

Die Kupferproduktion ging stets zurück und der weitere Bestand der Waldbürgerschaft ist somit zwecklos geworden, sodass sie 1898 aufgelöst wurde. Mit dem Untergang dieser einzigartigen Organisation nahm auch die Blütezeit des Oberungarischen – d.h. Schmöllnitzer – Kupfersegens sein Ende.

Oswald Lipták