Ein einfacher Mensch – Kapitel 2 von 4
Diese Geschichte stammt von Emma Horvat, einer 13-jährigen Schülerin der Deutschen Schule Bratislava/Preßburg. Sie ist im Schreib-Café entstanden, einem Online-Projekt zum Kreativen Schreiben des Karpatendeutschen Vereins und des Instituts für Auslandsbeziehungen. Wir veröffentlichen sie als Fortsetzungsgeschichte in vier Teilen.
Eines Tages würde ich beim Beerensuchen eine andere Kreatur finden. Eine Kreatur, die mir vor langen Jahren ähnlich gesehen hätte, doch die sich jetzt in Allem von mir unterscheidet. Ich würde mich verärgert fühlen, so eine lange Zeit hatte ich dem Wald vertraut und jetzt, jetzt will mich der Wald gegen eine andere Kreatur austauschen. Niemals würde ich dies zulassen. Das wäre das, was ich denken würde. Nicht, dass mir der Wald einen Gefallen tut und mir einen Freund schenken würde, nein, ich würde denken, der Wald will mich ersetzen. Es scheint, als ob ich mich nicht wirklich von den einfachen Menschen unterschieden hätte, denn nur Menschen sind misstrauisch und nur Menschen sind die, denen misstraut werden sollte. Deshalb lasse ich diese Kreatur, diesen Menschen, einfach nur liegen. Mir sind sie völlig egal. Am ersten Tag würde ich ihn immer noch nahe an meinem Busch ruhen sehen. Am zweiten Tag würde ich einen anderen Busch zum Beerenpflücken suchen. Am dritten Tag kehre ich zurück zu meinem Busch, weil die Beeren von dem vom zweiten Tag schrecklich waren und ich finde den Menschen nicht. Und dann vergesse ich ihn, wie ich alles andere vergesse, was mit den Menschen zu tun hat. Was mit mir zu tun hat. Hatte.
Weitere Jahre vergehen und ich befinde mich im Wald nun ganz allein. Die Fabelwesen wurden von einem Sturm lange Zeit zuvor vertrieben und die, die blieben, folgten ihnen nach, weil es ihnen zu einsam war. All die Geschenke der Jahre werfe ich weg, zu gebrauchen waren sie nie. Ich wache nicht mehr mit der Sonne auf, nicht einmal mehr mit dem Gezwitscher der Tiere, weil sie mich alle verlassen haben. Ich suche nicht mehr jeden Morgen Beeren, ich esse das, was mir in die Hände kommt. Und dann versucht es der Wald noch einmal. Einen Menschen, um genau zu sein, ein Mädchen, finde ich am Ufer meines Baches, an dem ich mich an heißen Sommertagen abkühlen gehe. Das Mädchen dürfte so alt wie ich in Menschenjahren der Zeit sein – jung aber kein Kind, alt aber kein Erwachsener. Ich würde sie eigentlich so wie den anderen Menschen allein lassen, aber wegen meiner Einsamkeit nehme ich sie mit. Was man alles tut, um Freude zu empfinden. Schrecklich. Sie ist größer als ich, meine Größe veränderte sich in meiner neuen Gestalt leider nicht und sie zu meinem Baumhaus zu tragen, fiel mir schwer. Aber ich schaffte es. Ich ließ sie ruhen und aß die Suppe, die ich mir am Tag zuvor gemacht hatte.
Dann schaue ich sie das zweite Mal an, so richtig. Sie war tatsächlich wunderschön. Ihr dickes, lockiges Haar, das im Licht der Sonne, wie die Haare eines Engels aussahen, fein wie Seide. Das Blond im Gegensatz zu meinem Schwarz war voller Leben. Ihr Haar schwebt immer um sie herum, nicht so wie meins, aber natürlicher, normaler. Jeden Tag sieht es anders aus und ich bewundere es, so lange, bis ich wollte, dass auch meines so wie ihres aussieht. Ihre Haut ganz anders als meine, wie die von einem Menschen. Meine war glatt, ihre rau, voller Sommersprossen, die auf ihrer Nase lagen und so weiß wie ein Birkenstamm. Ihre Finger so lang, sie könnte alles in ihnen halten. Sie war fast so schön wie ich und ihre Schönheit irritiert mich. Kein Mensch darf so majestätisch wie sie aussehen, aber sie tat es. Fast würde ich sagen, ich mochte sie nur wegen ihres Aussehens. Aber dann, am dritten Tag ihres Aufenthaltes, wachte sie auf und ich bemerkte, ihre wahre Schönheit liegt woanders.