Eine Ode an die Zipser Region
Vor kurzem ist mir eine beeindruckende musikalische Aufnahme des Männerchors WienTet Singers in die Hände gefallen. Nach dem ersten Hören dachte ich darüber nach, wie kraftvoll es sein kann, durch Musik die eigene Liebe zur Heimat auszudrücken.
Die Taufe der CD „Zipser Lieder und Pressburger Motetten“ fand 2022 in Zusammenarbeit mit der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Österreich und der Österreichisch-Slowakischen Gesellschaft (ÖSG) im Slowakischen Institut in Wien statt. Die CD ermöglicht eine Klangreise durch wenig bekannte Männerchorwerke von zwei herausragenden slowakischen Komponisten. Sie vereint den zwölfteiligen Liederzyklus „Zipser Lieder“ von Ján Móry und drei „Pressburger Motetten“ von Ernst von Dohnányi.
Die CD ist nicht nur eine Hommage an die Zipser Region, sondern auch eine Wohltat für die künstlerische Seele aller Chormusikliebhaber. Die ergreifenden Männerchorwerke wurden im Tonstudio MusikQuartier Wien und in der Kirche Maria am Gestade in Wien aufgenommen. Das eigens für diese Aufnahme im Jahr 2021 gegründete Gesangsoktett WienTet Singers unter der Leitung von Daniel Simandl besteht aus Mitgliedern des Wiener Staatsopernchors und des Arnold Schönberg Chors.
Initiator der CD und Mitglied der WienTet Singers ist Ján Pehal. Seinen Worten nach inspirierte ihn zu der Aufnahme ein Buch der Musikwissenschaftlerin Dr. Marianna Bárdiová vom Literatur- und Musikmuseum in Neusohl/Banská Bystrica mit dem Titel „Ján Móry – Tatra-Komponist und Hotelier“. Er erklärte: „Das Buch enthüllte nicht nur die fesselnde Biografie von Ján Móry, sondern auch die Geschichte der Zipser Deutschen und das unglückliche Schicksal jener Menschen, die aufgrund des Prinzips der Kollektivschuld ihre Heimat verlassen mussten. Diese Erkenntnisse weckten in mir die Idee, die Schuld gegenüber Ján Móry und den Zipsern zumindest teilweise zu begleichen.“ Durch das Aufnehmen des vergessenen und lange verschollenen Zyklus der „Zipser Lieder“ sollten außerdem die Lieder für die kommenden Generationen bewahrt werden.
Komponist und Hotelier Ján Móry
Ján Mory wurde 1892 in Neusohl/Banská Bystrica geboren. Er zeichnete sich nicht nur als begnadeter Komponist aus, sondern fand auch als erfolgreicher Hotelier Anerkennung. Seine ersten musikalischen Eindrücke sammelte er bei prominenten Professoren in seiner Heimatstadt, in Budapest, Hamburg und Berlin. Seine „Zipser Lieder“ komponierte er auf Texte der Zipser Dichter Friedrich Lám, Gertruda Scholtz-Kallivoda und Eugen Binder. Sie sind ein Liebesbekenntnis zur Heimat, zur Zipser Region und ihren Naturschönheiten. Die vertonten Gedichte sind geprägt von Traurigkeit, Respekt vor der Vergangenheit, Demut und Hoffnung auf ein besseres Leben.
Mórys Name ist jedoch nicht nur in künstlerischen Sphären bekannt, sondern auch in den Höhen der Tatra, wo er einen Hotelkomplex in der Nähe des Tschirmer Sees/Štrbské Pleso von seinem Onkel erbte. Diesen Komplex erweiterte er schrittweise auf zehn Gebäude, ergänzt durch eine Kapelle und einen Aussichtsturm. Hier entstand ein Rückzugsort für Liebhaber der Hohen Tatra. Die majestätische Tatra und ihre reiche Geschichte dienten Móry als Inspirationsquelle für zahlreiche musikalische Werke. Nach den gesellschaftlichen Umwälzungen im Jahr 1945 durchlebte Jan Móry mit seiner Familie schwere Zeiten: Arbeitsverbot, Verstaatlichung und Beschlagnahmung seines gesamten Vermögens und seiner Villa zwangen ihn zum Auszug. Eine neue Unterkunft fand er in einer Mietwohnung in Zipser Neudorf/Spišská Nová Ves und dort engagierte er sich als Organist, Lehrer und Leiter einer Musikschule. Obwohl seine Kinder nach und nach ins Ausland emigrierten, blieb er trotz der Widrigkeiten des Regimes in der Tschechoslowakei und ließ sich am Ende seines Lebens in Preßburg/Bratislava nieder, wo er 1978 verstarb. Sein kulturelles Erbe wird im Literatur- und Musikmuseum in Neusohl/Banská Bystrica bewahrt.
Eleganz und Virtuosität von Ernst von Dohnányi
Der zweite Teil der CD ist dem Choralwerk des Komponisten Ernst von Dohnányi gewidmet. Er wurde 1877 in Preßburg/Bratislava geboren. Sein Leben entwickelte sich parallel zu dem von Móry, jedoch in einem anderen Raum. Bekannt wurde Dohnányi durch sein elegantes und virtuoses Klavierspiel bei Konzerten in Berlin, Wien und London; sowie bereits Ende des 19. Jahrhunderts auch in New York. Ab 1948 lebte er im Ausland und starb 1960 in New York. Die „Pressburger Motetten“ sind drei geistliche Kompositionen von ihm und wurden nach mehr als einem Jahrhundert in der Manuskriptsammlung der British Library in London entdeckt.
Einzigartiger Einblick in das Schaffen zweier Meister
Die CD „Zipser Lieder und Pressburger Motetten“ ist eine Empfehlung für alle Chormusik-Liebhaber und gewährt einen einzigartigen Einblick in das Schaffen zweier bedeutender slowakischer Komponisten. Bestellungen sind per E-Mail an jaro.pehal@gmail.com möglich.
Ľudmila Glembová