Gedenken und Gedenktage

Gedenken und Gedenktage

Die Aufarbeitung des Leids der Kriege des 20. Jahrhunderts und der europaweiten Verschleppungen, Aussiedlungen, Vertreibungen ist auch heute noch ein sensibles Thema. Es ist für das friedliche Zusammenleben der Völker Europas aber unerlässlich, auch über diese Schattenseiten der Geschichte zu sprechen. Diese Funktion haben auch etliche Gedenkstätten, Mahnmale und Steine, Kreuze und Tafeln, die an solche Ereignisse erinnern.

Wichtige Funktionen in der Erinnerungskultur haben auch die Gedenktage. Deren Einführung ist nicht nur für politische Systeme, sondern auch für eine Gesellschaft von Bedeutung. Sie stiften, lernen oder stärken die Identität, die Traditionen einzelner Menschen, oder bestimmter Gruppen. Gedenktage eignen sich auch als Aufhänger des historischen Lernens. Es gibt viele Gedenktage, die solche Funktionen erfüllen. Als Beispiele nennen wir einige.

Im Jahr 2005 erklärten die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Inzwischen wird der Gedenktag auch in vielen Staaten Europas, auch in der Slowakei, begangen. Er ist als Jahrestag auf den 27. Januar 1945 bezogen, den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. 2015 wurde der 2. August vom Europäischen Parlament zum internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma erklärt. Das Deutsche Bundeskabinett hat am 27. August 2014 beschlossen, dass ab dem Jahre 2015 jährlich am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht werden soll. Mit dem Datum knüpft die Bundesregierung an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen an und erweitert das Flüchtlingsgedenken um das Schicksal der Vertriebenen. Am 10. Dezember 2012 entschied das ungarische Parlament über die Einführung eines offiziellen Gedenktages für die vertriebenen und verschleppten Ungarndeutschen. Als Datum für den Gedenktag wurde der 19. Januar gewählt.

In den letzten zwei Jahren bestehen auch in der Slowakei einige Initiativen, um den 12. April zum Gedenktag für die zu Unrecht verschleppte und ausgesiedelte Bevölkerung der Slowakei zu erklären. Der Entwurf wurde Anfang des Jahres 2021 nicht angenommen. Im Februar 2023 haben vier Abgeordnete wiederholt einen ähnlichen Entwurf im Parlament vorgelegt. In der Begründung steht, dass in den Jahren 1942 bis 1948 rund 223.000 Bewohner aus der Slowakei ausgesiedelt wurden. Genannt werden Magyaren, Juden, Deutsche und Roma. Der 12. April wurde deshalb gewählt, weil der erste Transport der ausgesiedelten Magyaren aus der Slowakei am 12. April 1947 abgefertigt wurde (derselbe Tag ist auch ein Gedenktag für die ausgesiedelten Magyaren aus der Slowakei in Ungarn).

Die Karpatendeutschen haben in der Slowakei keinen Gedenktag, der an die 100.000 deutschen Bürger der Slowakei erinnern würde, die ihre Heimat damals zwangsweise verlassen mussten. Wir würden es sicher begrüßen, wenn in der Slowakei ein Gedenktag eingeführt werden würde, an dem wir uns würdig an unsere vertriebenen Landsleute erinnern können.

Ondrej Pöss