Heute und in 30 Jahren: Sprechen die Slowaken ein bisschen Deutsch und die Deutschen ein bisschen Slowakisch?

Zum 30. Jubiläum der deutsch-slowakischen Beziehungen wagen wir einen Blick in die Zukunft. Die Karpatenblatt-Redaktion hat daher in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Slowakei mehrere Schreib-Workshops und einen Essay-Wettbewerb zu dem Thema „2053 – Deutschland, Slowakei und Europa. Eine Vision für die Zukunft?“ organisiert. Zahlreiche spannende Essays sind bei uns eingegangen und nach einer schwierigen Entscheidungsphase haben wir sechs Artikel zur Veröffentlichung ausgewählt. Einmal monatlich lesen Sie eine dieser sechs Visionen für unsere Zukunft. Welche davon Realität wird, liegt an uns.

Wussten Sie, dass jeder Slowake ein bisschen Deutsch sprechen kann? Oder auch umgekehrt jeder Deutsche ein bisschen Slowakisch? Ja, das ist so! Jeder von Ihnen kennt wahrscheinlich etwas aus der anderen Sprache, und das ganz, ohne sie erlernt zu haben. Tatsache ist, dass deutsche Wörter seit Jahrhunderten hier in der Slowakei domestiziert sind. Sie glauben das nicht? Hier kommt der Beweis!

Was denken Sie, woher das Wort „farba“ stammt? Wenn Sie meinen, dass es aus dem Tschechischen kommt, überlegen Sie noch einmal. Nein, nein! Dieses Wort ist auch nicht aus Russland, Ungarn oder Polen, falls Sie an diese Länder gedacht haben. Der Begriff „farba“ wurde vom deutschen Begriff „Farbe“ übernommen und wird noch heute im Hochdeutschen benutzt. Aber das ist noch nicht alles, es geht nicht nur um dieses eine Wort. Zum Beispiel ist der Begriff „kamarát“ ein slowakisches Wort, das genau den gleichen Prozess durchlaufen hat. Ursprünglich stammt es von dem deutschen Wort „Kamerad“ ab. Deutsche Begriffe im Slowakischen sind also keine Seltenheit. Was sagen Sie jetzt? Glauben Sie es nun? Möchten Sie weitere Beispiele? Ja, natürlich, kein Problem! So ist beispielweise das Wort „cukor“ in die slowakische Sprache eingegangen – der „Zucker“ ist das deutsche Äquivalent. Auch „richtár“ kommt von „Richter“, „kritizovať“ von „kritisieren“ oder „blúzka“ von „Bluse“. Das könnte ewig so weitergehen. Wichtig ist übrigens auch, dass alle genannten Wörter hier in der Slowakei zur Hochsprache gehören.

Doch um nicht nur bei der Hochsprache zu bleiben – es gibt es auch viele Dialektwörter. Das sind solche, von denen Sie wegen deren Schreibweise sicher nicht vermuten würden, dass sie tatsächlich auf Deutsch existieren. Ein Beispiel dafür ist das Wort „cop“. Was glauben Sie, wie dieses Wort auf Deutsch heißt und ausgesprochen wird? Es ist der „Zopf“. Diese beiden Begriffe sind sich so ähnlich wie zweieiige Zwillinge. Zu den Dialektwörtern gehören auch „kšeft“, das vom deutschen Wort „Geschäft“ übernommen wurde, oder auch „kýbeľ“ von „Kübel“.

Wörter mit einer langen gemeinsamen Geschichte – und all diese wie auch viele andere wurden nicht nur wegen der geographischen Nähe hierher übertragen. Es gab noch weitere Faktoren. Dazu gehören, das haben Sie wahrscheinlich richtig erraten, die deutschen Minderheiten, die hier in der Slowakei gelebt haben und leben. Ein weiterer Faktor: die Handelsbeziehungen, die schon in der Vergangenheit bestanden und weiter andauern. Natürlich kann es auch umgekehrt funktionieren. Vielleicht sind ja auch einige slowakische Wörter ins Deutsch transferiert worden? Deutlich wird jedenfalls, dass die Slowakei und Deutschland viele Gemeinsamkeiten haben. Sie haben jetzt einen Einblick in eine solche bekommen. Unglaublich, nicht wahr? Sie hatten hier die Möglichkeit, sich davon zu überzeugen, dass auch Sie eine zweite Sprache zumindest einigermaßen beherrschen.

Im Laufe der Zeit kann es mehr und mehr solcher Wörter geben, ob in Deutschland oder in der Slowakei. Und es sind die Menschen, die für die Übertragung verantwortlich sind. Jeder Einzelne von Ihnen, ob Slowake oder Deutscher, kann dazu beitragen, den Wortschatz des anderen Landes zu erweitern. Sie denken, das sei unmöglich? Alles ist möglich! Was meinen Sie, wie die schon angeführten Begriffe in die slowakische Sprache übertragen wurden? Entwickeln wir also weiter gegenseitig unseren Wortschatz. In 30 Jahren können wir vielleicht untereinander jedes fünfte Wort verstehen. Sie werden möglicherweise überrascht sein.

Von Viktória Šikudová