Im Fokus: Die Deutschen in Rumänien
Wir stellen Ihnen das ganze Jahr über einmal pro Monat eine andere deutsche Minderheit vor. Dabei blicken wir über den Tellerrand in andere Länder. Dieses Mal werfen wir einen Blick nach Rumänien.
Die ersten deutschsprachigen Siedler ließen sich auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens im 12. Jahrhundert in Siebenbürgen nieder. Nach der lateinischen Sammelbenennung Saxones werden sie als Siebenbürger Sachsen bezeichnet. Am Beginn des 18. Jahrhunderts zogen die meisten Siedler aus Regionen im Westen und Süden Deutschlands in die Banater Ebene. Daher nennt man sie Banater Schwaben.
Zur deutschen Volksgruppe in der Republik bekannten sich 2011 nur noch knapp 40.000 Bürger. Im gesamten Land verfügt diese über kulturelle, gesellschaftliche und politische Strukturen sowie über soziale Einrichtungen, die größtenteils nach der politischen Wende 1989 wiedergegründet wurden.
Besonders für die deutsche Minderheit in Rumänien ist ihre große Anzahl an vielfältigen Untergruppen. So gibt es neben den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben auch die Sathmarschwaben, Landler, Deutsche Süd- und Ostrumäniens, die auch als Altreichdeutsche bezeichnet werden, Zipser, Bergland- und Dobrudschadeutsche. Sie alle kamen aus den verschiedensten deutschsprachigen Gebieten und zu unterschiedlichen Zeiten nach Rumänien.
Die deutsche Sprache in Rumänien
Die verschiedenen Gruppierungen pflegen ihre eigene Kultur und Tradition. Ihre Nähe zur Musik, durch eine vermehrte Auswanderung in den 1980er und 1990er Jahren wiederbelebt, gilt als Besonderheit im modernen Europa. Die Untergruppen sprechen zumeist regionale Dialekte.
Auch die Mehrheitsgesellschaft nimmt das Angebot des Unterrichts in deutscher Sprache gerne wahr, so lernten im Schuljahr 2014/15 etwa 17.000 Schüler Deutsch an über 80 Schulen. Die Strukturen des deutschen Schulwesens reichen in Rumänien bis in das Mittelalter zurück.
Heute geben ungefähr 90 Prozent der Schüler an deutschen Schulen Rumänisch als ihre Muttersprache an, 5 Prozent Deutsch und die Übrigen vor allem Ungarisch. So ist es kein Wunder, dass in Klausenburg die einzige dreisprachige Hochschule Südosteuropas steht. Dort wird auf Rumänisch, Deutsch und Ungarisch unterrichtet.
Ebenfalls außergewöhnlich im Vergleich zu anderen deutschen Minderheiten Europas ist die Allgemeine Deutsche Zeitung (ADZ), denn während viele deutsche Zeitungen Europas in Wochen- oder Monatsauflagen veröffentlicht werden, erscheint die ADZ täglich. Der Redaktionssitz der Zeitung liegt in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, ihre Korrespondenten sind im ganzen Land verteilt.
Berühmte Persönlichkeiten und Bauwerke
Bekannte Gesichter der deutschen Minderheit in Rumänien sind zum Beispiel Stefan Walter Hell oder Peter Maffay. Letzterer wurde nicht nur ein berühmter Musiker, er hat auch durch den fiktiven Drachenhelden Tabaluga Fußabdrücke in vielen deutschen Kinderherzen hinterlassen. Auch Herta Müller, die 2009 sogar einen Nobelpreis in Literatur erhielt, ist weltbekannt.
Nicht nur kulturell ist die deutsche Minderheit Rumäniens interessant, auch architektonisch hat diese einiges vorzuweisen. So befinden sich dort mit über 150 Wehrkirchen die höchste Anzahl und Dichte an Kirchenburgen in Europa. Sie zählen zu den eindrucksvollsten Zeugnissen der mittelalterlichen Baukunst und gehören heute zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Doch wie es in Zukunft mit diesen weitergehen wird, ist seit dem Wegzug der Siebenbürger Sachsen unklar und stellt die verbliebenen Gemeindemitglieder vor Herausforderungen. Sanfter Tourismus und Hilfe aus dem Ausland, wie beispielsweise durch den englischen Thronfolger Prinz Charles, sind hierbei eine große Hilfe.
Patricia von Mellenthin