Katzenpfoten

Die Geschichte von Liziziza im Lager Nováky

Am 15. August wird an dem Ort, an dem einst das Lager Nováky war, ein neues Denkmal für diejenigen enthüllt, die Opfer des Lagers waren. Lesen Sie hier eine Erinnerung eines ehemaligen Inhaftierten.

Lager Nováky, Frühling 1949. Es war Ende April. Ich spielte mit meinem Weihnachtsgeschenk, einem Traktor mit Anhänger aus Holz, der bunt bemalt war, vor unserer Baracke Nummer 1. Dort waren wir seit einiger Zeit untergebracht. In den späten Wintermonaten hat man das Objekt Nummer 1 durch einen weiteren Stacheldrahtzaun in zwei Teile getrennt. Im Lager lebten nur noch wenige Deutsche, dafür füllte sich der abgetrennte Teil, mit Häftlingen vor allem slowakischer Nationalität.

Ich spielte also, wie es Kinder um die neun Jahre tun, draußen in der warmen Aprilsonne, da tauchte plötzlich im Gras eine schwarz-weiße Katze auf. Sie sah gut genährt aus und ließ sich ohne zu zögern vor der Barackentür nieder. Als sie kein Interesse zeigte weiter zu wandern, gab ihr meine Mutter etwas zu fressen und auch einen Namen: Liziziza. Am nächsten Morgen zeigte sich der Grund der guten körperlichen Verfassung unseres „Untermieters“: Liziziza brachte vier Katzenkinder zur Welt. Meine Mutter machte ihr ein Nest in einer Kartonschachtel und wir teilten mit ihr unser Lageressen. Da sie aber durch die Maschen des Lagerzaunes ins Freie konnte und eine gute Mäusejägerin war, brachte sie täglich frische Nahrung – nicht nur für sich, sondern auch für ihren Nachwuchs.

Im Juni kamen wir wenige Kinder, vermittelt durch das Rote Kreuz, für zwei oder gar drei Wochen aus dem Lager raus. Man hat uns zur Erholung nach Branč bei Nitra/Neutra gebracht. Dort waren wir in freundlichen Familien untergebracht. Als wir ins Lager zurückkamen, hat man uns inzwischen in einer Baracke im dritten Objekt untergebracht. Liziziza war natürlich nicht mehr da. Was mit ihr geschah, weiß ich nicht. Da Tiere aber oft gescheiter sind als wir Menschen, hat Liziziza bestimmt eine gute und sichere neue Bleibe gefunden.

Was geschah aber mit uns, den letzten zwölf Deutschen aus dem Lager Nováky? Man brachte uns ins Altersheim nach Horné Obdokovce, wo ich und meine Schwester endlich die Schule besuchen konnten.

Gustav Güll