Lehrer, Bergsteiger, Fotograf – Alfred Grosz
Am Fuße der Hohen Tatra geboren, wurde Alfred Grosz wie viele andere vom Reiz der nahen Berge gefangen. Nicht nur wegen der mehr als 100 bestiegenen Tatra-Gipfel ist er einer der berühmtesten Männer dieser Bergwelt, er sammelte Sagen, fotografierte, publizierte und kümmerte sich um die Jugend und den Naturschutz.
Alfréd Vilmos Gyula Grosz, so lautet der vollständige Eintrag im Geburtsregister, wurde am 26. August 1885 in Käsmark/Kežmarok als Sohn des Lyzeum-Direktors Ernö Grosz und dessen Frau Laura Alica Schickedanz geboren. Der Vater kam aus Georgenberg/Spišská Sobota. Vorfahren lebten hier mindestens seit 1500. Alfreds älterer Bruder Ernst (1881-1931) wurde als Pianist und Komponist bekannt.
Ausbildung mit Umwegen
Die Liebe zur Natur weckte sein Vater, der mit ihm viele Spaziergänge zum Michaels- und Goldberg unternahm. Bereits im Alter von 15 Jahren bestieg er die etwa 20 km von Käsmark entfernte und 2229 m hohe Lämmerspitze (Jahňací štít).
Nach dem Gymnasium studierte Alfred an der Rechtsakademie in Preschau und an der Landwirtschaftlichen Akademie in Kaschau. Mit dem erworbenen Wissen sollte er sich um die Weinberge in der Tokaj kümmern, die seine Eltern noch vor dem plötzlichen Tod des Vaters im Jahr 1900 gekauft hatten und auf denen er zwischenzeitlich arbeitete.
Das dies nicht sein Lebensziel war, lässt sein anschließendes Lehrerstudium in Budapest vermuten. Hier belegte er mit besonderer Freude auch die “körperertüchtigenden“ Fächer und schloss 1911 mit dem Diplom ab.
Vom Lehrer zum Soldaten
Die erste Arbeitsstelle fand Alfred Grosz 1911 an der Schule in Jászberény, etwa 80 km östlich von Budapest gelegen. Aber schon 1914 wurde er eingezogen. Viereinhalb Jahre war er für Österreich-Ungarn an der Front, davon drei Jahre in Italien. Nach dem Krieg kehrt er nach Jászberény zurück.
Die Berge fehlten
Sehr bald vermisste er die Berge und bewirbt sich als Lehrer im Heimatort, in Käsmark. Auf eine Einstellung am dortigen Lyzeum muss er aber noch bis 1922 warten. Dort lehrt er bis Juni 1944.
In der Zwischenzeit, ab 1919, arbeitet er als Buchhalter im Betrieb seiner Tanten, in der Kunststickerei C. Schickedanz & Co.
Beliebt als Lehrer
Der Tradition der Schule entsprechend unternahm er mit seinen Schülern viele Wanderungen in die Tatra und war dabei ein ausgezeichneter Erklärer der Bergwelt.
Seine ruhige Art, auf die Schüler und deren Fragen oder Sorgen einzugehen, machte ihn beliebt und geschätzt. Mehr noch, viele Schüler sahen in ihm einen väterlichen Freund.
Nach 1945 ist Alfred Grosz zwei Jahre am Gymnasium in Zipser Neudorf/Spišská Nová Ves tätig und dann weitere zwei Jahre am Käsmarker slowakischen Gymnasium. Dass er als Deutscher nach dem Krieg weiterarbeiten konnte, ist der hohen Anerkennung zu verdanken, die er sich in und über Käsmark hinaus erworben hatte.
Aktiv für Tourismus und Natur
Alfred Grosz bestieg bis 1922 alle bedeutenden Gipfel der Tatra. Sehr früh engagierte er sich als Mitglied im Ungarischen Karpathen-Verein (MKE).
1920, nach der Gründung der Tschechoslowakei, wurde Grosz zum Sekretär des neuen Tatra-Vereins (Tatranský spolok) gewählt. Er kümmerte sich erfolgreich sowohl um das touristische Erschließen der Tatra als auch um die Bergrettung. Touristik-Verbände anderer Länder beriefen ihn zum Ehrenmitglied.
Alfred Grosz zählt zu den ersten, die sich in der Tatra-Region um den Naturschutz bemühen. Zudem engagierte er sich von der Jugend an bis ins hohe Alter in der Käsmarker Feuerwehr.
Werbung für seine Tatra
In seiner ersten Veröffentlichung, für das Jahrbuch des MKE im Jahr 1906, beschreibt Grosz drei Touren durch die Hohe Tatra. Weitere folgten, mit Empfehlungen zu Wanderungen und Bergbesteigungen. Er sammelte Sagen und Legenden aus der Hohen Tatra und erfasste Volksbräuche. Mit seinen einzigartigen Fotos der Tatra-Bergwelt unterstützte er maßgeblich die Werbung für diese Region.
An Alfred Grosz, der am 1. März 1973 starb, erinnern nicht nur seine Werke. Ein Wanderweg in der Hohen Tatra trägt seinen Namen und auch er ist für immer dort – wunschgemäß wurde seine Asche in der Tatra verstreut.
Dr. Heinz Schleusener