Strazky Nehre Maiandacht

Maiandacht in der Kirche in Nehre

Mit dieser Betrachtung will ich der schönen, unvergesslichen Abende der Maiandacht in der Nehrer Dorfkirche gedenken, die mir seit meiner Kindheit in angenehmer Erinnerung geblieben sind.

Mit unseren Anwohnern hatten wir stets ein sehr gutes Verhältnis. Sie waren uns immer liebe, verträgliche, jederzeit hilfsbereite Nachbarn. Als Nachbarkinder waren wir immer viel zusammen, wir spielten miteinander und gingen auch zusammen an den warmen Abenden im Marienmonat zur Maiandacht in die katholische Kirche.

Beeindruckende Atmosphäre

Aus dem kleinen, kapellenartigen Vorraum der kleinen gotischen Kirche trat man in den zwei Stufen tieferen Kirchenraum hinab. Gleich an der rechten Seite des Einganges, im Innern der Kirche, hing der Weihwasserkessel an der Wand, in den man beim Eintreten die Fingerspitzen eintauchte und sich bekreuzigte. Die Stille, das dämmerige Licht, die Kühle in der Kirche und die ganze Atmosphäre machten auf mich einen ganz besonderen Eindruck.

Nachdem sich die Bankreihen schon ziemlich gefüllt hatten, betete die Vorbeterin Anna Pawlitschko den Rosenkranz laut vor, und die Frauen unter ihren Kopftüchern murmelten die Gebete und Antworten in stiller Andacht vor sich hin. Unter anderen Gebeten wurde auch das „Gegrüßet seist du, Maria …“ gebetet, ein katholisches Gebet, das mir als evangelischem Christen bis heute in angenehmer Erinnerung geblieben ist. „Sei gegrüßt, Maria!“ – diese Worte des Erzengels Gabriel an Maria stehen im Lukas-Evangelium, Kapitel 1, Vers 28. Daher wird es auch „Englischer Gruß“ genannt.

Bleibende Erinnerungen

Wenn man dann in der Dämmerung aus der Kirche kam, war die Luft so lau, und es duftete nach Blüten und frischem Grün, nach Holunder und Jasmin. Die Leute saßen vor den Häusern auf ihrer Bank und hielten Feierabend. Die Maikäfer schwirrten in dichten Scharen durch die Luft, und nicht selten stießen sie in vollem Flug an unsere Köpfe. Diese friedliche Stimmung und die stille Einkehr in der Kirche gehörten zusammen, sie sind in meinem Gedächtnis bis zum heutigen Tage haften geblieben.

Von solchen Erinnerungen erfüllt, interessierte ich mich nach Jahren auch für den lateinischen Text des „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade …“, den mir dann auch unser Landsmann Wanhoff freundlicherweise besorgte und den ich auswendig lernte: „Ave, Maria, gratia plena …!“

Karl Schlesinger (1993)