Mit dem Leiterwagen zum Dunajec
Im Jahre 1942 gab es noch keine Linienbusse wie heute. Damals fuhr morgens ein einziger Autobus von Altendorf/Stara Ves über Zipser Bela und Kesmark nach Leutschau/Levoča und in den späten Nachmittagsstunden um 17 Uhr wieder zurück nach Altendorf.
Wir gingen damals in die Bürgerschule und waren in der dritten Klasse. Eines Tages sagte unser Herr Lehrer, dass wir einen Schulausflug zum Dunajec machen. Die Schönheiten unserer weiteren Umgebung kennenzulernen, war aber nur mit dem Leiterwagen möglich. Das langsame Fahren hatte auch seine Vorteile, denn wir konnten die Bilder der Natur tiefer in uns verankern. Für uns Kinder und Schüler war es damals eine Selbstverständlichkeit nur mit dem Leiterwagen ans Ziel unseres Ausfluges, den Dunajec zu gelangen.
Zu beiden Seiten des Leiterwagens waren zwei dicke Balken, auf denen wir Platz nahmen. So einen weiten Schulausflug hatten wir noch nie zuvor gemacht. Wir fuhren zeitig in der Früh von Zipser Bela los, denn eine Fahrt mit dem Leiterwagen über die Zipser Magura, Altendorf bis an den Dunajec dauerte immerhin einige Stunden.
Am Dunajec angekommen, beschloss der Herr Lehrer, dass wir eine Wanderung auf den Dreikronenberg unternehmen. Durch das Vorsprechen des deutschen Lehrers aus Sublechnitz, der uns schon dort erwartete, ermöglichten uns die deutschen Soldaten, die dort Grenzwache hielten, mit der Fähre über den Dunajec die polnische Seite zu betreten.
Die Wanderung war für uns ein wenig beschwerlich, aber wir gingen und es lohnte sich. Am Dreikronenberg in einer bezaubernden Stille, malerischer Natur und mit dem Ausblick nach Polen lebte damals ein polnischer Einsiedler, der sich wegen Liebeskummer in die Einöde und Einsamkeit zurückgezogen hatte. Auf einer ziemlich spitzen Fläche stand ein kleines Häuschen, das von außen mit Baumrinde beschlagen war. Das Häuschen hatte nur zwei kleine Räume. In einem Raum neben der Tür stand ein Sarg, der ihm als Bett diente und in dem er jede Nacht schlief. Er trug eine Mönchskutte und Holzpantoffeln, lebte dort sehr still, bescheiden, aber sehr fromm.
Es war sehr ernst und wortkarg. Über der Eingangstür war eine Dornenkrone befestigt und darüber stand auf Polnisch „Bitte Ruhe“. Seine Nahrung bestand aus Waldfrüchten und Kräutern. Wir tranken bei ihm einen sehr guten Kräutertee.
Wenn es mal Gewitter gab, bestieg er eine Anhöhe und läutete eine Glocke, der Ton sollte das Gewitter bändigen oder vertreiben. Seine Einsamkeit und Abgeschiedenheit erfüllte er mit Arbeit. Er befasste sich mit Bildhauerei, Malerei und der Herstellung von Ikonen.
Seither sind schon 76 Jahre vergangen. Ich bin eine 90-jährige Greisin, aber dieser schöne und für uns Kinder sehr erlebnisreiche Ausflug mit seinen unvergesslichen Eindrücken sind bis heute in meinem Gedächtnis geblieben.
Der Leiterwagen mit Pferdegespann hat keine Luftverpestung hinterlassen, wie es die heutigen modernen Autos machen. Die heutigen Kinder – auch bei uns im Dorf – kennen keinen Leiterwagen mehr. Die Welt hat sich sehr modernisiert, das Alte ist für immer vorbei.
Gizela Hliničan-Bretz