Berühmte Zipser: Pädagoge und Wissenschaftler Oskar Schmidt
Der Metzenseifner Oskar Schmidt zeigte sehr früh mathematische Begabung. Er studierte in der schweren Zeit der Nachkriegsjahre und zählte zu den Wegbereitern eines modernen Hochschulunterrichts für sein Spezialgebiet, die Steuerung von Produktionsanlagen. Nach der politischen Wende wurde der Wissenschaftler zum Professor berufen und in hohe Funktionen an der Universität für Chemie und Technologie (VŠCHT) in Prag gewählt.
Oskar Schmidt wurde am 21. September 1930 als Sohn von Franz Schmidt und Margita Tomasch geboren. Nach dem Gymnasium studierte er von 1948 bis 1950 an der Slowakischen Technischen Hochschule (SVŠT) in Preßburg/Bratislava. Dann wechselte er an die Tschechische Technische Universität (ČVUT) Prag, wo er das Studium 1951 mit dem Ingenieurstitel abschloss. Aufgrund seiner Leistungen bekam er das Angebot, dort als wissenschaftlicher Assistent zu arbeiten. Er nahm an. Seine erste Arbeitsstelle wurde die ČVUT. Im Jahr 1953 wurden einige Institute ausgegliedert und kamen zur neugebildeten Universität für Chemie und Technologie in Prag, der Vysoká škola chemicko-technologická v Praze (VŠCHT).
Vom Assistenten zum Hochschuldozenten
An der VŠCHT erfolgte im Jahr 1955 seine Höherstufung zum Oberassistenten. Die Promotion zum Ph.D. erreichte er 1965.
Nachdem er viele Jahre erfolgreich auf dem Gebiet der Theorie aischer Steuerungen, der Modellierung und Simulation von chemisch-technologischen Prozessen gearbeitet hatte, wurde er 1973 zum Hochschuldozenten und Institutsdirektor berufen. Im Jahr 1983 weilte er zu einem Forschungsaufenthalt für fünf Monate am Moskauer Mendelejew Institut (MCHTI).
Als in der Tschechoslowakei die Agrargenossenschaft JZD Slušovice mit dem Bau eigener Bürocomputer (TNS, für „Ten Náš Systém“) begann, kümmerte sich Oskar Schmidt um den Aufbau eines eigenen Computerpools. So konnte er ab etwa 1987 die Lehre und Übungen im Fach Kybernetik auf ein höheres Niveau stellen. Seine Kollegen an den Hochschulen der DDR bekamen diese Ausstattung erst später, nach der dortigen Wende.
Späte Anerkennung
Die Berufung zum Professor für „Theorie aischer Steuerungen“ erfolgte erst nach der politischen Wende. In der sozialistisch ausgerichteten Tschechoslowakei hatte sich Oskar Schmidt stets nur wissenschaftlich engagiert und politische Funktionen abgelehnt. Mit guter Arbeit als Lehrender und Wissenschaftler erwarb er sich bereits in dieser Zeit viel Anerkennung bei Studenten, Angestellten und Wissenschaftlern. Bald wählte ihn das Kollegium zum Dekan der Fakultät und später zum stellvertretenden Rektor der Universität.
Nach seinem altersbedingten Ausscheiden als Lehrstuhlleiter übernahm Oskar Schmidt noch für einige Semester Lehraufgaben in der Mathematikausbildung der Studenten. Oskar Schmidt starb am 18. Juni 2018 in Prag. Er wurde 87 Jahre alt.
Zipser Vielfalt auch sprachlich
Der junge Oskar Schmidt wuchs so wie viele seiner Schulkameraden auf: In der Familie sprach man deutsch, aber auch das Ungarische gehörte zum Alltag. Oft waren es die Großeltern, die Ungarisch bevorzugten. So lernte er zuhause beide Sprachen. Spätestens in der Schule kam die slowakische Sprache hinzu, jedenfalls das, was er nicht schon beim Spielen auf der Straße gelernt hatte. Inzwischen war Oskar Schmidt auch in der tschechischen Sprache perfekt. Er beherrschte sie seit seinem Studium in Prag. Mit sehr guten Kenntnissen der russischen und englischen Sprache war er an der VŠCHT daher oft gefragt, wenn ausländische Wissenschaftler die Universität besuchten. Problemlos konnte er mit allen Studenten gut kommunizieren, auch mit denen, die der ungarischen Minderheit angehörten. Das zeigt die folgende, wahre Begebenheit.
Bei einer mündlichen Prüfung an Oskar Schmidts Lehrstuhl wurde ein Prüfling in den Prüfungsraum gerufen und gebeten, sich zu setzen. Der Student setzte sich aber nicht, sondern begann in schlechtem Tschechisch zu erklären, dass er aus dem Südosten des Landes, dem slowakischen Teil, komme. Seine Muttersprache sei Ungarisch und er bitte um ein Verschieben der Prüfung, bis sein Tschechisch so gut sei wie sein Ungarisch oder Slowakisch.
Die Mitglieder der Prüfungskommission schauten jetzt auf den Vorsitzenden, den Lehrstuhlleiter Oskar Schmidt. Prof. Schmidt lächelte den zu prüfenden Studenten und die anderen Anwesenden freundlich an. Diese schmunzelten ebenfalls. Sie wussten genau, was nun folgte. Oskar Schmidt sagte dem Studenten: „Selbstverständlich helfen wir Ihnen. Sie sprechen Ungarisch, also prüfen wir jetzt in dieser Sprache“. Der Student erblasste. Natürlich konnte er die von Oskar Schmidt in perfektem Ungarisch gestellten Fragen nicht beantworten. Die Prüfung bestand er nicht.
Der viel gereiste Großvater
Oskar Schmidt erzählte gerne eine Geschichte, die seinem Großvater Johann Schmidt (1865- 1948) nach dem Einmarsch der russischen Truppen Anfang 1945 passierte. Als diese die Personalien des alten Mannes überprüften und ihn fragten, wo er sich denn bisher aufgehalten hatte, antwortete er: „Ich wurde in Österreich geboren, verbrachte die Jugend in Österreich-Ungarn, lebte nach dem Ersten Weltkrieg in der Tschechoslowakei und seit 1939 in der Slowakei.“ „Oh“, meinte der Russe. „Dann haben Sie ja viel von der Welt gesehen.“ „Nein“, erwiderte der Großvater: „Ich war immer hier, in Metzenseifen.“
Dr. Heinz Schleusener