Trachten – mehr als nur Tradition
Hatten Sie sich auf die im Sommer übliche Veranstaltung Ihrer KDV-Ortsgruppe gefreut und langfristig schon Vorbereitungen getroffen? Dann haben Sie bestimmt auch schon darüber nachgedacht, wie Sie sich zu der Feier ankleiden – mit der Tracht, die wir von unseren Vorfahren übernommen haben. Auch wenn die Pandemie viele dieser Treffen nicht stattfinden lässt, so gibt es noch andere Gelegenheiten, diese Trachten zur Geltung kommen zu lassen. Vielleicht ist es sogar die selbst genähte Tracht?
Nicht nur im Bodvatal ist Hildegard Novysedlak wegen ihres Engagements im Karpatendeutschen Verein bekannt. Vor einem Jahr moderierte sie gemeinsam mit Jan Schürger das Fest der Ortsgruppe Ober-Metzenseifen anlässlich dessen 10-jährigen Bestehens und bekam dafür viel Applaus. Vor drei Jahren gründete Hildegard zusammen mit Anna Schürger und Maria Stark die „Hummeltanzgruppe“, um junge Mädchen zum Volkstanz zu führen. Dieses Projekt der Ober-Metzenseifener Ortsgruppe wird auch von der Gemeinde unterstützt.
Von Tanz zu Tracht
Für die junge Hummeltanzgruppe lohnten sich alle Mühen nach dem Beginn. Nicht nur die ersten Auftritte waren erfolgreich, es gab positive Effekte auf Gleichaltrige und Jüngere, die nun auch Interesse zeigen. Das aktiviert wiederum deren Eltern. Der Vorsitzende der Ortsgruppe, Ing. Zoltán Tomasch, spricht daher in diesem Zusammenhang zu Recht von der Jugend als Multiplikator. Hildegard Novysedlak, die nun das von ihr mit angestoßene Tanz-Projekt in guten Händen sieht, hat sich einem Thema zugewendet, das sie seit ihrer Kindheit bewegt – der Tracht ihres Heimatortes.
Einfluss der tanzbegeisterten Großmutter
Auf das Beschäftigen mit Trachten angesprochen, berichtet Hildegard Novysedlák von ihrer Kindheit, in der sie viel Zeit bei und mit der Großmutter, Anna Meder geb. Trojan, verbrachte. Diese leitete in den 50er und 60er Jahren eine Mädchentanzgruppe. Diese Tanzgruppe trat in echten Metzenseifener Trachten auf und beeindruckte sowohl mit dem bekannten Schadirattamtanz als auch mit ihrer Kleidung. Die Gruppe löste sich zwischenzeitlich auf. Später wurde sie in Unter-Metzenseifen zu neuem Leben erweckt. Heute ist Mgr. Wilma Bröstl die Leiterin der Tanzgruppe.
Von Omas Schrank ins Museum
Hildegard Novysedlák erzählt weiter: „Als Kind habe ich bei der Oma im Schrank viele unterschiedliche Trachten entdeckt.“ Vor allem die glänzenden, vielfarbigen Röcke hätten sie begeistertet: „Das Leibl (Oberteil bzw. Mieder) aus Seidentaft mit Silberschnallen und die rote Schürze mit aufgenähter Spitze ließen mein Herz höher schlagen. Bald lernte ich, dass eine traditionelle Tracht die Herkunft und Identität des Trägers widerspiegelt.“ Sie sei zu Festen der Kirche und des Ortes, zu Hochzeiten, Prozessionen und anderen festlichen Anlässen getragen worden. Später habe ihre Großmutter die meisten ihrer Trachten dem Karpatendeutschen Museum in Karlsruhe geschenkt. „Meine Oma war mit Herz und Seele eine stolze Mantakin und wollte mit dieser Spende die traditionelle Tracht ihres Heimatortes an einem würdigen Ort für zukünftige Generationen bewahren“, erinnert sich Hildegard Novysedlák.
Anregung aus Tirol
Hildegard Novysedlák, die seit vier Jahren im Tiroler Kitzbühel wohnt und arbeitet, gaben die dortigen Trachtenvereine neue Impulse für das Zuwenden zu ihren Kindheitsträumen, den Trachten. Dort stellt man Trachten selbst her, nach alten Vorlagen und perfekt ausgeführt. Dieser Inspiration ging sie nach, kaufte in Handarbeitsgeschäften die Materialien, also Stoffe, Spitzenstoffe, Knöpfe und Borten.
Das war im August 2019 und eine Nähmaschine stand ihr nicht zur Verfügung. Da musste Hildegard Novysedlák wie zu Zeiten ihrer Großmutter nähen – mühsam mit der Hand, aber mit viel Liebe zum Detail.
Hildegard Novysedlák engagiert sich für die Tracht ihres Heimatortes Ober-Metzenseifen.
Vom Schnitt zu Rock und Schürze
Frau Novysedlák erzählt, dass sie die Schnitte für Rock und Schürze selbst entwarf. Stück für Stück musste in die Hand genommen, passend gezogen und mit Nadel und Garn zusammengenäht, die goldene Spitze aufgenäht werden. Noch ist die Tracht nicht komplett, so fehlt zum Beispiel für die Kopfhaube noch eine passende, breite Goldborte. Auch eine weiße Bluse aus leichtem Leinenstoff ist in Arbeit, das entsprechende Seidentuch mit Fransen wartet schon darauf, getragen zu werden.
Die Schürze ist ebenfalls mit goldener Spitze umrandet. Zum Glück existierten noch Silberschnallen von Omas alter Tracht, sie werden der selbstgenähten Kleidung eine besondere Ausstrahlung geben.
Hoffnung auf Wiederbelebung von Tradition und Handwerk
Hildegard Novysedlák hat sich beim Nähen der Tracht oft mit Freunden und Bekannten ausgetauscht. So konnten Probleme schnell gelöst werden. Zugleich entstand die Hoffnung, dass auch sie die Rolle eines Multiplikators übernimmt und sich über ihren Freundeskreis hinaus mehr Karpatendeutsche für das Herstellen traditioneller Trachten interessieren und so diese alte Tradition neu belebt wird.
In ihrer Ortsgruppe muss sie keine Überzeugungsarbeit leisten. Trachten werden aber auch in den anderen Regionen gern getragen und vielleicht sieht man dort Hildegards Vorstoß als Anregung an.
Dr. Heinz Schleusener