Weihnachtsbaum

Was ein Tannenbaum erlebte

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie das Leben eines Tannenbaumes aussieht? In unserer Geschichte wechseln wir die Perspektive und begeben uns auf die adventliche Reise eines Tannenbäumchens.

Wir wuchsen sehr viele Tannengeschwister dicht aneinander gepresst im Walde. Es war Winter und wir waren mit weißem Schnee bedeckt. Eines Tages kamen Waldarbeiter und mehrere von unseren Geschwistern wurden abgesägt und auf einem Lastwagen fuhr man mit uns in eine Stadt. Dort warteten schon die Menschen auf uns und wir wurden verkauft. Wir mussten uns trennen, denn jede Tanne bekam einen anderen Besitzer. Wir wussten gar nicht, wozu man uns kaufte.

Ich stand einige Tage in einem dunklen Raum

Dann holte man mich heraus und ich wurde in einen Ständer gesetzt und in ein schönes Zimmer getragen. Dort stand ein Gefäß mit Wasser. Man stellte mich hinein und auf einmal begann man mich zu schmücken. Ich wurde mit Lebkuchenfiguren, vergoldeten Nüssen, roten Äpfeln, Schokoladenfiguren, herrlichen bunten Kugeln, Silberketten und Lametta behangen. Mein Gipfel bekam einen goldenen Stern, dann erstrahlten an meinen Zweigen leuchtende Kerzen und in der Stube verbreitete sich ein angenehmer und einzigartiger Weihnachtsgeruch.

Ein Glöcklein ertönte, es kamen vier Kinder herein, stellten sich mit gefalteten Händen vor mich und begannen zu beten. Als ich ihre strahlenden Augen sah und die Freude, die sie an mir hatten, wurde mir bewusst, wozu man mich aus dem Wald geholt hatte.

Drei Wochen stand ich im herrlichen Schmuck und während dieser Zeit bekamen meine Zweige an den Enden schöne frische lichtgrüne Nadeln und das verschönerte mein Aussehen noch zusätzlich, denn auch meine Nadeln hielten fest, weil ich im Wasser stand.

Nachher wurde mir der Schmuck abgenommen

Ich wurde in den Garten gestellt, dort befestigte man kleine Blechbüchsen an meinen Zweigen, die jeden Tag mit Vogelfutter gefüllt wurden. Als sich dann die Rotkehlchen, gelben Meisen und noch andere Vögelchen satt futterten, da war ich stolz, dass ich noch nützlich war. Menschen blieben vor dem Garten stehen und ich hörte wie sie sagten: „So einen schönen Tannenbaum mit den lichtgrünen Nadeln habe ich noch nie gesehen.“

Der Schnee begann zu tauen, die Sonne schien, meine Nadeln fielen. Eines Tages zerhackte man mich, ich wurde im Ofen verheizt. In der Stube verbreitete mein Holz eine wohlige Wärme.

Auch für die kurze, aber herrliche Zeit, die ich erlebte, danke ich, denn ich weiß, dass ich zur Freude der Menschen wuchs. Erging es meinen Tannengeschwistern auch so? Ich denke ja.

Gizela Hliničan-Betz