Wenn zeitgenössische Musik verzaubert: Komponist Peter Machajdík
Die zeitgenössische Musik hat ihn verzaubert. Er war progressiv, doch in Zeiten des Sozialismus nicht willkommen. Heute ist er ein bekannter Komponist und seine zweite Heimat ist Berlin. Sein Œuvre hat eine ethische, moralische und menschliche Dimension, die jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus verurteilt und ablehnt.
Peter Machajdík ist ein in Preßburg/Bratislava geborener, slowakischer Komponist, Musiker und Klangkünstler, er lebt in Berlin und in der Slowakei. Nach seiner Schulzeit wusste er, dass er Komponist werden möchte. Doch in den 1980ern konnte er seinen Traum zu Hause nicht verfolgen. Bei der Aufnahmeprüfung an der Musikakademie in Preßburg spielte er seine „Komposition für präpariertes Fahrrad und Tonband“ – das war sogar für die damalige Musikgesellschaft schockierend. Selbstverständlich wurde er abgelehnt. So studierte er an der Ökonomischen Universität weiter, blieb der Musik trotzdem treu. Mit einem Lächeln auf den Lippen sagt er über sich selbst: „Ich bin also ein Amateur. Ich habe weder eine Musikschule noch ein Konservatorium abgeschlossen und kann eigentlich kein Musikinstrument spielen.“
Die VŠMU im Exil
Die Musik aus dem Westen prägte damals sein musikalisches Denken. In der slowakischen Hauptstadt ist Machajdík durch seine mutige Korrespondenz mit Komponisten wie Karlheinz Stockhausen, György Ligeti, Mauricio Kagel, Steve Reich, John Adams und vielen anderen über Europa bis nach Amerika oder in den Nahen Osten bekannt. Er erzählt: „Bei uns gab es früher nichts. Keine Noten, keine LPs. So habe ich die Komponisten einfach angeschrieben. Alle Korrespondenz inklusive Noten und LP-Sammlungen bewahre ich bis heute in meinem Archiv auf.“
Seine Progressivität damals zeigte sich auch dadurch, dass ihn viele Musikstudenten und -liebhaber besucht haben, um heimlich in die westliche Musik reinzuschnuppern. Machajdík fügt humorvoll hinzu: „Ich war die VŠMU (die Musikakademie) im Exil.“ Machajdík vermutet, dass er es seinem Vater zu verdanken hat, dass er seinerzeit keine Verhöre oder Geldstrafen bekommen hat und sagt: „Sicherlich hat der Geheimdienst meine Briefe gelesen. Vielleicht hat mich mein Vater auch irgendwo gemeldet. Jedoch habe ich mich in meinen Briefen nie mit Politik befasst. Ich wollte nur mehr über die Neue Musik erfahren.“ Sein Weg nach Deutschland wurde ebenfalls durch die Musik beeinflusst. Es war der weltberühmte amerikanische Komponist, Steve Reich, der Machajdíks Musikwillen gestärkt hat. Nach dem Kontaktaustausch mit dem Verein „Freunde Guter Musik“ aus Berlin und einer Einladung am internationalen Projekt „Audioartfestival“ mitzuwirken, entschied er sich nach dem Fall der Berliner Mauer nach Deutschland auszureisen.
„Mir hat es nie Spaß gemacht, Mozart zu spielen“
Später nahm er am Berliner Künstlerprogramm des DAAD teil und verließ so die damalige Tschechoslowakei. Er erinnert sich: „Musikstunden nahm ich bei Arvo Pärt und Walentin Silwestrow. Es waren aber eher Diskussionen über Musik, kein Unterricht im klassischen Sinne.“ Die meiste Zeit habe er in der Amerikanischen Gedenkbibliothek in Kreuzberg verbracht: „Ich habe Kopfhörer mitgenommen und mir die Musik von Nono, Messiaen, Penderecki angehört – alles, was die Bibliothek damals hatte. Dabei habe ich die Partituren verfolgt. Das mache ich bis heute. Bis heute lerne ich.“ Auf die Frage, ob er ein Musikinstrument spielt, antwortet er humorvoll: „Ja, am Klavier kann ich das spielen, was ich mir selbst ausdenke. Mir hat es nie Spaß gemacht, Mozart oder andere zu spielen.“
Des Weiteren nahm er an verschiedenen Künstlerprogrammen in ganz Deutschland und im Ausland teil, kooperierte mit innovativen Künstlern und seine Arbeiten werden weltweit aufgeführt. Seit 2011 ist er Kurator der SOUND CITY DAYS, einer internationalen Biennale für Klangkunst in Kaschau/Košice, sowie Künstlerischer Leiter der Konzertreihe für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts „Hudba u Fullu“ (Musik bei Fulla) in Rosenberg/Ružomberok. Außerdem kann man seine Musik in Dokumentarfilmen von Tomáš Hulík hören, zum Beispiel in dem kritischen Film über die Slowakei „Odvrátená strana Slovenska“ (Die abgewandte Seite der Slowakei).
„Ich denke sowohl auf Deutsch als auch auf Slowakisch“
Unser Gespräch fand in Rosenberg statt und es wurden verschiedene tiefsinnige und spannende Gedanken thematisiert. Es ging auch um die Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung eines Menschen in der slowakischen Hauptstadt im Vergleich zu anderen Teilen des Landes sowie über unser Hochschulsystem, besonders im Bereich der Komposition. Dabei war Deutsch als Sprache auch keine Ausnahme. Machajdík entstammt einer deutschen Familie, so ist ihm Deutsch bis zum heutigen Tag sehr nah. Er verrät: „Auch wenn ich hier zuhause bin, schreibe ich mir Einkaufszettel auf Deutsch. Manchmal lachen die Leute darüber, aber für mich ist das etwas Natürliches und ich werde darauf nicht verzichten. Ich denke parallel auf Deutsch und auf Slowakisch.“ Er hat keine karpatendeutschen Vorfahren, doch fügt er lächelnd an, er hatte die Kleinen Karpaten hinter seinem Haus, als er noch in Preßburg wohnte.
Ľudmila Glembová