Dialekt, Hochdeutsch oder gar kein Deutsch

Zum sprachlichen Selbstverständnis der jungen Generation der Karpatendeutschen

Wie sieht die junge Generation der deutschen Minderheit in der Slowakei ihr sprachliches Selbstverständnis und was können wir daraus lernen?

Auf diese Frage gibt die DVD „Schaufenster Enkelgeneration“ eine erste anschauliche Antwort. Das vom Goethe-Institut Bratislava/Pressburg schon 2013 initiierte und herausgegebene Projekt wurde im Juni 2014 im Rahmen des Käsmarker Kultur- und Begegnungsfestes des KDVs vorgestellt.

Schaufenster Enkelgeneration
Die Videos von „Schaufenster Enkelgeneration“ kamen auch auf einer DVD heraus.

Zwei junge Slowaken, Michaela Schürger (geb. 1987) aus Metzenseifen (Unterzips/Bodwatal) und William Richter (geb. 1992) aus Zeche (Hauerland) bekennen sich zur deutschsprachigen Minderheit in der Slowakei und geben als Vertreter der „Enkelgeneration“ Einblicke in ihr sprachliches Selbstverständnis als karpatendeutsche Nachkommen.Es wird recht eindrucksvoll das Nebeneinander von Mundart und Standarddeutsch sowie die generationsübergreifende Bedeutung der deutschen Sprache für ihre Identität porträtiert.

Denkanstöße für zukunftsweisende Gespräche

In dem 2015 erschienenen Buch über Hopgarten lesen wir am Schluss: „(…) unsere einmalige Mundart, die heute kaum jemand mehr spricht und zu schätzen weiß, geht unter. Wir schließen mit Wörtern des Chronisten ab. ‘Wie geht es wohl weiter?“

Darauf antworte ich: Die Zukunft ist offen! Es liegt an uns, wie wir die Zukunft sehen. Nach der Erlebnisgeneration wird es weitergehen, auch dann, wenn die deutsche Sprache als Muttersprache und identitätsstiftendes Merkmal bei der karpatendeutschen jüngeren Generation nicht mehr hinreichend möglich ist, denn sie ist weitgehend assimiliert. Ist damit das Ende der deutschen Kultur in der Slowakei gekommen?

1998 konnte Gertrud Greser, damals Landesvorsitzende des Karpatendeutschen Vereins, sagen, dass der Verein mit zunehmendem Alter jünger wird: Neben der Erlebnisgeneration meldet sich die jüngere Generation zu Wort und ergreift in deutscher Sprache bemerkenswerte Initiativen.

Und heute?

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass ich nach meiner Emeritierung (1997) bald den Weg in mein Zipser Heimatdorf Schwedler (jetzt Švedlár) fand. Die OG Schwedler des KDVs führte über fünf Jahre einwöchige Kultur- und Bildungsseminare mit 25 Schülern aus Grundschulen der Region Unterzips durch. Zusammen mit Deutschlehrern der Grundschulen und Zeitzeugen wurden die heimatbezogenen Seminare erlebnisreich gestaltet, an denen die Kinder mit Freude und Gewinn teilnahmen.

Und ich erinnere an meine Tätigkeit an Universitäten. Als Gastprofessor des DAAD und der deutschen Hochschulrektorenkonferenz wirkte ich mit vollem Stundendeputat: 2000 bis 2001 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Comenius-Universität Bratislava/Pressburg, 2001 bis 2002 am Lehrstuhl für Fremdsprachen an der Pädagogischen Fakultät der Philosoph Konstantin-Universität Nitra/Neutra und von 2003 bis 2005 am Lehrstuhl für Heilpädagogik und Lehrstuhl für Logopädie an der Pädagogischen Fakultät der Comenius-Universität Bratislava. Ich führte alle Vorlesungen und Seminare in deutscher Sprache durch, ebenso die obligatorischen Prüfungen. Und heute? Ohne Dolmetscher ist eine Veranstaltung in deutscher Sprache nicht möglich.

Was ist geschehen?

Ich denke und hoffe, ein Weiterschreiten ist möglich und frage: Finden sich nicht junge Menschen der Slowakei in der „Karpatendeutschen Jugend“ im vereinten Europa zusammen und gestalten sie nicht auf ihre Art und Weise die Idee der Karpatendeutschen weiter? Hat die Erlebnisgeneration für die jüngere Generation schon hinreichend einladende Rahmenbedingungen geschaffen?

Als KDV-Mitglied frage ich ganz bewusst: Bietet der KDV in den Regionen schon gut vorbereitete Kultur-, Sprach- und Erinnerungsseminare in deutscher Sprache an, auch in Kooperation mit dem Goethe-Institut, den Deutschlehrern an Schulen und Gymnasien sowie dem Verband der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei, der Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes ist? Nach meinen Wahrnehmungen würden diese einladenden Angebote dem Interesse vieler junger Menschen entsprechen.

Könnten nicht im deutschsprachig mitgeprägten Europa die in der Slowakei lebenden jungen Menschen einen kulturellen Beitrag für das sich entwickelnde vereinte Europa leisten und dabei die Kultur der Karpatendeutschen achten? Zu dieser Erinnerungsarbeit laden auch die kulturellen Schätze der Stiftung Karpatendeutsches Kulturerbe in Karlsruhe und des Museums der Kultur der Karpatendeutschen in Pressburg ein.

Diese Aufgabe kann die Erlebnisgeneration der heute 80- bis über 90-jährigen Karpatendeutschen nicht leisten. Gefragt sind jüngere Menschen, die jenseits ihrer Profession, Position und Herkunft die einst belebende deutsche Kultur in der Slowakei nun auf ihre Weise pflegen – nicht in Worten, sondern in Taten. Erst das Tun zeigt, was sie wirklich wollen.

Offene Fragen regen zum Nachdenken und Handeln an

Wie können wir das sprachliche Selbstverständnis der karpatendeutschen Nachkommen in der Slowakei verstehen? Da es meines Wissens keine Erhebungen zu dieser Frage gibt, ist eine gültige Antwort nicht möglich. Können wir nur mit einzelnen Beispielen auf diese Frage antworten? Wie kann die deutsche Sprache in der Slowakei weiter belebt und das kulturhistorische Erbe der Karpatendeutschen nachhaltig und zukunftsfähig gestaltet werden?

Prof. Dr. Ferdinand Klein