Nachbarschaftsvertrag

25 Jahre deutsch-tschechoslowakischer Nachbarschaftsvertrag

Heute vor 25 Jahren unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechische und die Slowakische Föderative Republik einen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Aus diesem Anlass gaben die Außenminister der drei Länder Sigmar Gabriel, Miroslav Lajčák und Lubomír Zaorálek diese gemeinsame Erklärung heraus.

„Der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik vom 27. Februar 1992 war der Vertrag eines friedlich wiedervereinten Deutschlands mit einer Tschechoslowakei, die sich ein knappes Jahr später friedlich aufgelöst hat. Beide Entwicklungen, die friedliche Wiedervereinigung des einen und die friedliche Auflösung des anderen Staatsgebildes, wurden möglich durch den festen Anker und die Perspektiven der europäischen Sicherheitsarchitektur.

Europa war 1992 im Begriff, die politische Wende des Jahres 1989 mit seinen friedlichen Revolutionen für einen gesamteuropäischen Integrationsprozess zu nutzen. Europa bot damals schon den Rahmen für neue Stabilität und allseitiges Vertrauen. Es stand für die Freiheit, die mehr ist als Abwesenheit von Unterdrückung und Not. Es stand für die Freiheit als Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und Herr des eigenen Schicksals zu sein. Heute sieht Europa anders aus als 1992, aber das Freiheitsversprechen ist geblieben. Das gemeinsame Ziel bleibt die Stärkung eines Europa, in dem die Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit geachtet werden und in dem die Grenzen ihren trennenden Charakter durch gegenseitiges Verständnis verlieren und auch durch den Abbau wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede überwunden werden. Wir, die Außenminister Deutschlands, der Slowakei und Tschechiens bekräftigen vor dem Gipfeltreffen anlässlich des 60. Jahrestags der Römischen Verträge dieses Ziel und bekennen uns zu unserer Verantwortung für die weitere Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses im Geiste der Stabilität und des gegenseitigen Vertrauens. Wir werden dieses Ziel auf der bilateralen, regionalen sowie auch auf der Unionsebene weiter verfolgen.

Unsere Europäische Union ist ein Friedens- und Freiheitsprojekt, ein einzigartiger, friedlicher Zusammenschluss europäischer Staaten. Die Union bietet den Rahmen zur friedlichen Lösung von Konflikten und hat unsere Beziehungen zueinander auf eine stabile Basis gestellt. Die heutige Intensität der gegenseitigen Beziehungen bestätigt, dass die damals vertraglich verankerte Entscheidung für alle drei Länder die Richtung einer freundschaftlichen Zusammenarbeit vorzeichnete. Vielfältige Kontakte im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich haben den Vertrag seit 1992 mit Leben gefüllt. Das zwischen unseren Ländern aufgebaute Vertrauen ermöglicht es uns, gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen gemeinsam in den Blick zu nehmen und zu bewältigen. Diese enge, zukunftsgewandte bilaterale Zusammenarbeit unterstützt durch Schaffung von Stabilität und Vertrauen auch den europäischen Integrationsprozess. Allein unsere gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen haben sich seit der Vertragsunterzeichnung vervielfacht. Die besonders enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verflechtung zwischen unseren drei Ländern hat zur Einigung unseres Kontinents sowie zu mehr Wohlstand und Stabilität beigetragen.
Die intensive Pflege und Entwicklung der bilateralen Beziehungen – sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene – betrachten wir dabei als wesentlichen Baustein, um die Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu verstärken.

Die Europäische Union ist aber mehr als ein Binnenmarkt und eine Währungsunion. Alle Mitgliedstaaten teilen gemeinsame Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Die kulturelle Vielfalt in Europa ist eine Grundlage unseres Selbstverständnisses. Der respektvolle Umgang miteinander gehört zum Fundament unserer gemeinsamen Werte.

Auf die gegenwärtigen Herausforderungen in der Welt kann es für uns nur eine einzige Antwort geben: ein gemeinsam agierendes, starkes, glaubwürdiges Europa. Mit ihm steht und fällt unsere Chance, gestaltend auf die globale Ordnung Einfluss zu nehmen! Kein europäischer Mitgliedstaat ist groß, stark und mächtig genug, um sich allein in der globalisierten Welt des Jahres 2017 zu behaupten. Keiner kann die Herausforderungen wie beispielsweise Klimawandel, Terrorismus, Migration alleine bewältigen.

Wir, die Außenminister Deutschlands, der Slowakei und Tschechiens, wollen ein solches stärkeres und besseres Europa schaffen. Angesichts der dramatischen Auswirkungen der globalisierten Welt auf die nationale Souveränität wollen wir ein Europa, das uns unsere Handlungsfreiheit bewahrt. Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2012 an die Europäische Union ist uns Anerkennung und Verpflichtung zugleich. Wir wollen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik enger zusammenarbeiten und uns für Frieden und Stabilität in Europa und in der Welt einsetzen. Auch in der NATO schreiten unsere Länder mit innovativen Ansätzen voran.

Wir brauchen eine europäische Grenzsicherung als Kombination aus nationalen und gemeinschaftlichen Aufgaben sowie eine gemeinsame Flüchtlings- und Migrationspolitik. Wir wollen ein Europa der inneren Sicherheit gegen Terroristen und organisierte Kriminalität.

Wir wollen ein wettbewerbsfähiges Europa, das in Bildung und Forschung und in unsere öffentliche Infrastruktur investiert mit einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Und wir wollen ein sozial gerechtes Europa, in dem die Menschen zu fairen Bedingungen leben und arbeiten können.“