Trennung der Tschechoslowakei

25 Jahre Trennung der Tschechoslowakei

Am ersten Januar 2018 feierte die Slowakische Republik ihren 25. Geburtstag. Bis 31. Dezember 1992 existierte ein gemeinsamer Staat mit Tschechien: die Tschechische und Slowakische Föderative Republik. Die Teilung ist eng mit Václav Klaus und Vladimír Mečiar verbunden. Sie waren zu der Zeit die Vorsitzenden der tschechischen und der slowakischen Regierung. Ihre beiden Parteien, die nationalorientierte HZDS in der Slowakei und die liberal-konservative ODS in Tschechien, entschieden letztendlich über das Schicksal der beiden Völker. Die Bürger wurden dabei nicht befragt. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem LandesEcho, dem Magazin der Deutschen in Tschechien, Menschen in der Tschechischen und Menschen in der Slowakischen Republik zur Teilung der föderativen Republik befragt.

Ondrej Pöss

Wie haben Sie die Situation vor 25 Jahren erlebt?

Die ersten Jahre nach der Wende, genau gesagt bis 1. August 1994, arbeitete ich am Historischen Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SlAdW) in Pressburg. Da wurde ich im August 1989 zum Leiter der Abteilung für Wissenschafts- und Technikgeschichte, und kurz danach auch in den Wissenschaftlichen Rat des SlAdW gewählt. Es ist also ganz klar, dass ich seit 1990 auch in die akademische Diskussionen über das Zusammenleben des tschechischen und des slowakischen Teils der Föderation einbezogen war. Mehrere damalige Politiker kamen aus dem akademischen Umfeld, ich hatte also Informationen „aus erster Hand“.

Waren Sie für oder gegen die Teilung?

Im Sommer 1992 war ich schon überzeugt, dass die Entwicklung hin zur Teilung der Föderation geht. Damals sprach man auch über ein Referendum, meiner Meinung nach hätte es aber keine eindeutige Lösung gebracht und der damals gewählte Weg der Teilung war richtig. Diese Meinung hat sich bei mir auch im Laufe der Zeit noch verstärkt. Die Beziehungen zwischen beiden neu entstandenen selbständigen Ländern sind heute so gut wie nie zuvor.

Hatte die Teilung Auswirkungen auf die deutsche Minderheit?

Die deutschen Minderheiten in der Tschechoslowakei hat die Teilung nicht überrascht. Sie hatten zum Anfang des Jahres 1993 schon zwei selbstständige Verbände. In der Slowakei gab es seit dem 30. September 1990 den Karpatendeutschen Verein in der Slowakei, im Herbst 1992 wurde in Tschechien die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien gegründet. Die Idee einen gemeinsamen tschechoslowakischen Verband der Deutschen zu gründen, scheiterte schon im Sommer 1990.

Wäre das Leben als Deutscher in einer vereinten Tschechoslowakei einfacher?

In der selbständigen Slowakei hat sich in Bezug zu den Karpatendeutschen einiges positiv entwickelt. Die Vertreter der Karpatendeutschen konnten beispielsweise einfacher Gespräche mit den zuständigen Stellen in der Regierung oder Ministerien führen. Unsere Position hat sich deutlich verbessert. Zweitens ist es fraglich, ob es in der Tschechoslowakei möglich gewesen wäre, wie 1994 in Pressburg, ein Museum der Karpatendeutschen zu gründen. Eines ist aber konstant geblieben: die guten Beziehungen zu den deutschen Verbänden in Tschechien, welche wir auch weiter pflegen wollen.

 

Martin Dzingel

Waren Sie für oder gegen die Teilung?

Die Teilung fand ich erstmal nicht gut, aber ich habe mir gedacht, wenn es zwei Parteien sind und die eine möchte lieber alleine ihren Weg gehen, dann ist es eine Entscheidung, die man respektieren sollte. Damals wäre ich eindeutig für ein Referendum gewesen und wahrscheinlich hätte ich gegen die Teilung gestimmt.

Hat sich Ihre Sicht auf die Teilung verändert?

Ja. Nach 25 Jahren habe ich meine Meinung dazu etwas korrigiert. Es ist sehr schade, dass aus einem großen und auf vielen Gebieten auch erfolgreichen und anerkannten Land, wie es die Tschechoslowakei war, zwei kleine geworden sind. Aus zwischenmenschlicher Sicht finde ich, die Teilung hat den gegenseitigen Beziehungen nur gut getan. Die Bewohner Tschechiens und der Slowakei haben, denke ich, bessere Beziehungen, als je zuvor.

Hätte die deutsche Minderheit in einer vereinten Tschechoslowakei eine bessere Stellung als in den unabhängigen Teilstaaten?

Ich bin fest davon überzeugt, dass wenn wir in einem Staat leben würden, auch die Position der Deutschen besser wäre. Die slowakische Majorität sieht die deutsche Minderheit anders als die tschechische uns. Viel freundlicher, ohne Vorurteile. Ich behaupte, wir, die Deutschen in Tschechien, haben die schwierigste Stellung von allen postkommunistischen Ländern. Warum es so ist, ist eine andere interessante Frage.

Was ist für Sie persönlich heute noch tschechoslowakisch?

Es ist die gemeinsame Vergangenheit der beiden Länder. Ich bin sehr froh, dass heute so viele Slowaken in Tschechien leben. Ich bin eindeutig dafür, dass hier auch slowakisch gesprochen wird, auch viel mehr im Fernsehen usw. Ich denke, die Tschechen und die Slowaken haben eine einmalige Chance die fast identische Sprache und gemeinsame Kultur zu pflegen. Leider sehen es die meisten tschechischen Freunde anders. Ich als mährischer Deutscher verstehe die Haltung der Tschechen zu der slowakischen Sprachen und den vielen hier Lebenden nicht.

Zumindest die deutschen Minderheiten in beiden Staaten wollen enger zusammenarbeiten. Wo macht diese Zusammenarbeit Sinn und was versprechen Sie sich davon?

Zu der letzten Herbsttagung der Landesversammlung haben wir die Geschäftsführerin des Karpatendeutschen Vereines eingeladen. Hier wurden konkrete Projekte und Arbeitsfelder besprochen, die wir gemeinsam angehen möchten. Es geht vor allem um die Zusammenarbeit der Jugend und das Schulwesen.

 

Lucia Urbancokova

Wie haben Sie die Teilung vor 25 Jahren empfunden?

Ich war damals erst 15, aber ich habe die Teilung eher negativ wahrgenommen. Wir hatten viel Familie und Bekannte in der Tschechischen Republik. Ich und meine Familie, wir waren gegen die Teilung.

Hat sich Ihre Sicht auf die Teilung verändert? Wie werten Sie sie heute?

Meine Sicht hat sich nicht verändert. Ein kleines Land ist leider durch die Teilung noch kleiner geworden.

Eine vereinte Tschechoslowakei wird es wohl nie wieder geben, aber das Verhältnis beider Staaten wird immer besonders bleiben. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich hoffe, dass die bisherige gute Zusammenarbeit mit der Landesversammlung der deutschen Vereine weiterhin so bleibt, wie sie ist. Besonders freut es mich, dass in den letzten Jahren die Kontakte und die Zusammenarbeit noch stärker geworden sind.

 

Erwin Scholz

Wie haben Sie die Teilung vor 25 Jahren empfunden?

Mit Genugtuung. Es zeigte sich besonders wirksam, dass der Tschechoslowakismus nur dazu diente, vor den Siegermächten des Ersten Weltkrieges ein größeres Machtpotential vorzustellen.

Waren Sie für oder gegen die Teilung? Hätten Sie ein Referendum bevorzugt?

Mir war das Wurst. Wäre eine Abstimmung oder ein Referendum freiwillig gewesen, hätte ich überhaupt nicht abgestimmt. Bei Zwangsabstimmung hätte ich eine ungültige Stimme abgegeben.

Wie sehen sie die Teilung heute?

Heute werte ich die Teilung als positiv. Es war deswegen eine Meisterleistung, weil kein Blut floss.

Was ist für Sie persönlich heute noch tschechoslowakisch?

Das ist schwer zu beantworten. Mein Kulturkreis war und ist eher der deutsche, aber lustig finde ich es schon, wenn mir mein Arzt meinen Befund auf Slowakisch ausstellt. Da bin ich dann in der Tschechoslowakei.

Das Verhältnis beider Staaten wird immer ein besonderes bleiben. Was wünschen Sie sich für die Zukunft (auch mit Blick auf die deutsche Minderheit)?

Soweit ich das beurteilen kann, müsste der tschechische Teil sich viel mehr mit der Kultur der Slowaken beschäftigen. Hier sind die Slowaken besser dran. Sie lesen zum Beispiel viel mehr tschechische Texte. Die deutsche Minderheit sollte sich vor allem um ein gutes Verhältnis zum tschechischen Bevölkerungsteil kümmern und unter Umständen zu der deutschen Minderheit in der Slowakei. Der Besuch der Karpatendeutschen auf der Großveranstaltung der Landesversammlung in Reichenberg war beispielsweise mehr als sympathisch. Ansonsten finde ich, dass es zwischen Tschechen und Slowaken gar nicht mehr besser gehen kann als zur Zeit.

 

Anna Fabova

Waren Sie für oder gegen die Teilung?

Ich kann nicht sagen, ob ich dafür oder dagegen gewesen wäre. Ich bin erst nach dem 1. Januar 1993 zur Welt gekommen, also habe ich keine authentischen Erinnerungen an diese Zeit. Ich kann nur sagen, dass man auch nach 25 Jahren, die Art der Teilung dieser beiden Staaten, als ein Unikat ansehen kann. Es floss kein Blut, die Familien wurden nicht mit Gewalt getrennt. Bestimmt hatten die Familien Befürchtungen, wie sie weiter leben werden, ob sie weiter eine Arbeit haben werden oder ob sie noch Kontakt mit der Familie oder Bekannten haben werden. So was passierte aber nicht.

Was ist für Sie persönlich heute noch tschechoslowakisch?

Die Slowaken und Tschechen sind aus meiner Sicht Brüder, aber nicht Zwillinge. Jeder hat seine eigene Identität und seine eigenen Manieren. Meiner Meinung nach haben wir sehr vieles gemeinsam. Im Fernsehen können wir Sendungen oder Filme schauen, die „tschecho-slowakisch“ sind. Auch im Restaurant können wir tschechisches Essen bekommen und auch sehr viele Tschechen leben in der Slowakei, genauso wie Slowaken in Tschechien. Das ist für mich tschechoslowakisch.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der beiden Staaten?

Die Verhältnisse zwischen der Slowakei und Tschechien empfinde ich als über die Norm gehend, weil wir nicht nur Nachbarländer sind. Ich hoffe, dass wir das Gemeinsame, was uns zusammenhält, auch weiterhin ausbauen und festigen werden. Wir sollten aber nicht vergessen, dass auch wir, junge Menschen, die schon in den getrennten Staaten zur Welt gekommen sind, daran arbeiten sollten, dass die Arbeit unserer Vorfahren nicht zu Grunde geht.