5 Blicke auf 20 Jahre in der EU (5/5)
Am 1. Mai hat die Slowakei 20 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union gefeiert. Wir haben fünf Personen gefragt, was sie damit verbinden. Während die einen zu der Zeit des EU-Beitritts noch nicht auf der Welt waren, erinnern sich andere sehr gut an die Ereignisse von damals. Fünf Perspektiven auf eine Europäische Union, die für jeden etwas anderes bedeutet. Im letzten Teil unserer Miniserie sprachen wir mit Judita Kubincová. Die 71-Jährige ist Vorsitzende der Ortsgruppe Preßburg/Bratislava des Karpatendeutschen Vereins.
Was bedeutet für dich die Mitgliedschaft der Slowakei in der Europäischen Union?
Für mich bedeutet es einfach, endlich in Freiheit zu leben und zu den demokratischen Ländern zu gehören, wo wir doch eigentlich immer hingehörten.
Wie erinnerst du dich an den Tag des EU-Beitritts?
Ich wurde 1952 geboren und für mich waren es rührende Momente, die ich mit meinen erwachsenen Söhnen miterleben konnte. Ich habe mir vor allem für sie eine bessere Zukunft gewünscht. Die Wende 1989 war schon der erste Schritt und eine Hoffnung auf ein Leben in einem freien und demokratischen Land. Leider sieht es gerade in den letzten Monaten sehr schlecht aus. Die Situation erinnert eher an das alte Regime. Meine Landsleute haben ein kurzes Gedächtnis und ich bin leider schon zu alt für eine Emigration.
Kannst du dir eine EU ohne die Slowakei vorstellen?
Das ist für mich einfach ein No-Go! Alle, die sich für den EU-Austritt oder für Neutralität einsetzen, mögen bitte aufwachen! Sie sollten sich umschauen, was mit den EU-Geldern in ihrer Umgebung aufgebaut, renoviert, produziert wurde. So viele Studenten können in der ganzen Welt studieren oder arbeiten, so viele Slowaken haben gute Arbeitsmöglichkeiten in EU-Ländern gefunden und somit ihren Lebensstandard erhöht. Es gibt viele weitere Beispiele der Unterstützung seitens der EU. Leider machen oft auch Politiker keine gute Werbung für unsere Mitgliedschaft. Ich hoffe, wir alle werden unsere EU-Mitgliedschaft verteidigen können. Die Slowakei gehört einfach in die EU.
Was meinst du, was wäre die Konsequenz?
Für mich und meine Familie würde es eine Auswanderung bedeuten. Wir sprechen einige Fremdsprachen, haben einen Hochschulabschluss und können hart arbeiten. Und die Konsequenzen für das Land? Vielleicht ein ähnliches Schicksal wie in der heutigen Ukraine.
Was schätzt du an der EU-Mitgliedschaft am meisten?
In meinem Alter schätze ich natürlich alles, was den Leuten die Mitgliedschaft ermöglicht hat und für meine Altersgenossen lange Tabu war. Allein, dass der Sozialismus und die führende Rolle der Kommunistischen Partei abgeschafft wurden, war ein großer Sieg. Was danach kam – die Freiheit, in EU-Ländern (aber auch in der ganzen Welt) zu studieren und zu arbeiten – habe ich mit Freude begrüßt. Die Reisefreiheit konnten wir schon seit 1989 genießen – das war immer mein Traum. Wir sind mit den Kindern jedes Jahr ins Ausland gereist, weil wir Angst hatten, dass wieder jemand die Grenze schließt. Zuletzt muss man auch die großzügige finanzielle Förderung seitens der EU hoch schätzen. Und seit 2,5 Jahren schätze ich auch, dass wir in Frieden leben dürfen und dass die meisten EU-Länder die Ukraine immer noch unterstützen.
Was wünschst du dir für die EU?
Ich hoffe, dass im Juni in allen EU-Ländern kluge und positiv motivierte Demokraten gewählt werden, dass bald auch andere Beitrittsländer aufgenommen werden. Ich wünsche uns allen Frieden, wirtschaftliches Wachstum, Einheit und hohe Natalitätszahlen.
Hubert Kožár