Gedeon Majunke – Architekt der Tatra
Ohne die von ihm entworfenen Gebäude könnte man sich die Tatra heute nicht mehr vorstellen. Er war aber auch Sportliebhaber und sozial engagiert. Im April vor einhundert Jahren starb der bekannte Architekt Gedeon Majunke.
Gedeon Vilhelm Majunke, so lautet der Taufeintrag im Kirchenbuch von Georgenberg/Spišská Sobota, dort lateinisch als „Montis S. Georgii“ bezeichnet, für den Sohn von Anton Majunke (1817-1867) und Johanna Knizner (1820-1902) aus dem Haus Nr. 105 des Ortes. Er war das vierte von sieben Kindern.
Georgenberg/Spišská Sobota gehört seit 1946 zu Deutschendorf/Poprad. Zum Zeitpunkt von Gedeon Majunkes Geburt hatte es den Namen Szombathely (ungarisch) beziehungsweise St. Georgenberg (deutsch) und etwa 300 katholische und 600 evangelische Einwohner. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Konfessionen und Herkunft zeigt sich auch in der Familie Majunke.
Gedeons Vater Anton war katholisch, die Familie Majunke hatte ihre Wurzeln in Italien. Seine evangelische Mutter Johanna gehörte der Augsburger Konfession an. Als Sohn dem katholischen Glauben bestimmt, wird Gedeon später mit der aus Breslau/Wroclaw stammenden Alica Hergesell (1864-1944) eine Frau heiraten, die sich zum evangelischen Glauben bekannte.
Studium mit Ehrenpreis
Der junge Gedeon Majunke besuchte nach der Volksschule in Georgenberg von 1866 bis 1873 das Gymnasium in Kaschau.
In dieser Zeit, im Jahr 1867, starb sein Vater an Typhus. Das finanziell gut gestellte Elternhaus erlaubte ihm aber das Studium in Wien. Es besaß in Georgenberg eine Brauerei und Essigfabrik. Gedeon begann am kaiserlich-königlichen Polytechnischen Institut, das kurz zuvor in Technische Hochschule Wien umbenannt wurde, und studierte weiter an der 1692 gegründeten Akademie der bildenden Künste. Dort war er Schüler einer Meisterklasse des bekannten Professors Hansen.
Außerdem nahm er 1880/1881 an den Lehrveranstaltungen des Professors Friedrich von Schmidt (1825-1891) teil, einem renommierten österreichischen Architekten deutscher Abstammung und prominenten Vertreter des Denkmalschutzes. Auch dies prägte sein späteres Schaffen.
Im Jahr 1881, bereits im 27. Lebensjahr, schloss er die Akademie sehr erfolgreich ab. Ein Jahr zuvor, am 20. Juli 1880, war ihm ein kaiserlicher Hofpreis I. Klasse für seinen „Entwurf für eine Akademie der Wissenschaften“ verliehen worden. Das Angebot, in Wien zu bleiben, lehnte er ab und kehrte als Architekt nach Georgenberg zurück.
Seine Ehe mit Alica Hergesell wurde 1884 geschlossen, beide hatten vier Kinder. Im Alter von 67 Jahren starb Gedeon Majunke am 10. April 1921 in Georgenberg.
Seine Bauten prägen die Tatra
Es gibt wohl wenig Orte in der Tatra, in denen Majunke sich nicht durch eindrucksvolle Bauten ein eigenes Denkmal gesetzt hat. Ein Drittel der Bauten in der Tatra stammen von ihm, sie sind durch einen für Majunke typischen Stil gekennzeichnet. Dazu einige Beispiele: die römisch-katholische Kirche der Hl. Anna in Tatranská Javorina, die Villen Concordia, Thália und Železná brána des alten Sanatoriums in Tatranská Kotlina, das 1893 gebaute Hotel Lomnica in Tatranská Lomnica, in Dolný Smokovec die Villa Zerge (deutsch Gämse, slowakisch Kamzík, heute Mudroň) und die Kirche Najsvätejšieho Spasiteľa (1890).
Auch die Tery-Berghütte (1899) oberhalb von Hrebienok in 2015 Metern Höhe geht auf Majunke zurück. Sie ist noch heute die höchstgelegene ganzjährig bewirtete Berghütte in der Slowakei. Bei deren Bau schickten die Arbeiter mit Hilfe eines großen Spiegels zu Majunke nach Georgenberg festgelegte Lichtzeichen über den Stand und Probleme der Bauausführung.
Auf Gedeon Majunke geht in Altschmecks/Starý Smokovec auch die römisch-katholische Kirche Nepoškvrneného počatia Panny Márie (1888) sowie die Villa der Erzherzogin Klothilde (heute Regierungsgebäude Kamzík) zurück. In Nový Smokovec entwarf er das Sanatorium Europa (1894), in Tatranská Polianka mehrere Gebäude des Sanatoriums Dr. Guhr (1902) und in Hochhag/Vyšné Hágy gestaltete Majunke das Jagdschloss des Fürsten Hohenlohe (1898).
Einige seiner Bauten existieren nicht mehr wie die Sommervillen Klothilde und Mária Terézia in Štrbské Pleso. Nach dem Brand in Rosenau/Rožňava vom 15. Februar 1890 übernahm er wichtige Aufgaben beim Wiederaufbau der Stadt. Seine Ideen spiegeln sich in vielen Friedhöfen und öffentlichen Parks wider.
Mit Ehefrau breit engagiert
Seine Frau Alica engagierte sich beim Roten Kreuz, sie gründete die örtliche Organisation in Zipser Neudorf. Auch Gedeon war deren Mitglied. Für ihre Verdienste um den Bau des Krankenhauses in Georgenberg erhielt Alica 1911 den Verdienstorden II. Klasse von Kaiserin Elisabeth. Ihr Mann hatte die Planung und den Bau kostenlos übernommen. Dieser nahm als Senator und Stadtrat am öffentlichen Leben Georgenbergs teil, war Virilist des Zipser Komitats (nicht gewählt, sondern aufgrund seines Vermögens berufen).
Majunke war Mitglied des Karpatenvereins und des 1891 gegründeten ungarischen Tourismusverbandes. Die Entwicklung des Sports sah er als eine Herzensangelegenheit an. Er war Gründungspräsident des Eislaufverbandes (1881) und förderte später auch das Rodeln.
Geehrt bis in die Berggipfel
Der aufmerksame Besucher der Tatra trifft überall auf den Namen Gedeon Majunke. Es beginnt mit der nach ihm im Jahr 2005 benannten Straße in Deutschendorf/Poprad, geht weiter mit den vielen von ihm entworfenen und errichteten Gebäuden von Tatranská Kotlina bis zu Vyšné Hagy und in der Höhe der Tery-Berghütte bis hin zu einer über diese hinausragenden Bergspitze, die seinen Namen trägt – der Majunke-Turm (Priečna veža).
Dr. Heinz Schleusener