Mit den Karpatendeutschen eng verbunden: der Braunsberg
Am 22. August 1992 fand hier unter dem Motto „Brücken bauen” der erste Karpatendeutsche Tag statt: Der Braunsberg markiert nicht nur die Grenze zwischen der Slowakei und Österreich – vor allem steht der Ort als Schicksalsberg für Vertreibung und Wiedersehen.
Es ist ein wunderschöner Sonntagnachmittag im Herbst der beginnenden achtziger Jahre, ich sitze ganz oben auf dem Sandberg ober der March und wärme mich an den letzten Strahlen der Herbstsonne. Eine friedliche Stunde, zum Genießen und zum Nachdenken über die Veränderungen unserer Lebensverhältnisse und unseres Aufgabenbereichs – eine neue Zeit kündigt sich an. Es ist notwendig, sich umzustellen, gleichzeitig fühlt man sich frei von allen Sorgen und Nöten, losgelöst von den vielen Problemen, die uns seit Jahren bedrängt haben, vom Zwang, den uns „Verbundenheit und Freundschaft auf ewige Zeiten“ vorgeschrieben hat und beginnt, alles aus einer anderen, neuen Perspektive zu sehen.
Auf der anderen Seite des Marchsfelds liegt der Braunsberg im abendlichen Sonnenglanz und meine Gedanken fliegen weit in die Vergangenheit. Woher wohl diese fast magische Verbindung dieses Berges zu uns und unserer Heimat kommen mag.
Eine fast magische Verbindung mit den Karpatendeutschen
Der 346 Meter über dem Meeresspiegel gelegene, von unserer Vaterstadt nur 15 Kilometer entfernte Braunsberg bildet mit den davor gelagerten Hundsbergen den Beginn des
großen Karpatenbogens. Vom Thebner Kogel ist er nur durch das Flussbett der Donau in der „Ungarischen Pforte“ (Porta Hungarica) getrennt. Über Jahrhunderte hinweg wurde der Karpatenbogen zur neuen Heimat vieler deutscher Siedler, sodass der Begriff „Karpatendeutsche“ auf das ganze Territorium zwischen Donau und den Bergen der Karpaten anwendbar wäre.
Überbleibsel der frühen Besiedelung des Braunsbergs
Im ersten Jahrhundert vor Christus stand auf dem Plateau des Braunsberges eine keltische Wallburg, die jedoch die Römer vernichteten. Bei Ausgrabungen fand man hier Reste von Befestigungen und Palisaden. Vermutlich sollten die Befestigungen auf beiden Seiten des Flusses als Teile der Thebener und Pressburger Befestigungsanlagen zum Schutz einer der damals wichtigen Donauübergänge dienen.
Auf dem Braunsberg sind aus dieser Epoche nur einige in den Felsen geschlagene Überreste von Häusern und Hütten erhalten. Teilweise wurden diese im 20. Jahrhundert rekonstruiert und seither von (neuzeitigen) Vandalen beschädigt oder sie sind dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Auf der nördlichen Seite des Berges, auf einem Kalksteinfelsen über der Donau, findet man die malerische Burgruine Röthelstein, die wohl auch ein Teil dieser genannten Befestigungen war und auch heute noch einen Blick auf die Donau und die gegenüber liegende Landschaft bietet. Auch einen überwältigen Sonnenuntergang über dem Strom kann man hier erleben. Ein Spaziergang entlang der Donau rund um den Braunsberg, aber auch eine Wanderung direkt auf das Plateau des Berges bringt wunderbare Eindrücke von der Fauna und Flora dieses Berges.
Kriege und Flüchtlingsströme
Die Geschichte des Braunsbergs ist von etlichen Kriegen, Heereszügen und den damit einhergehenden Flüchtlingsströmen geprägt. Im 16. Jahrhundert lag er auf der Fluchtroute der Menschen, die aus religiösen Gründen ihre Heimat verlassen mussten. Davon erzählt auch die Geschichte des Ortes Oberufer bei Pressburg, wo sich viele der Geflüchteten am „oberen Ufer“ der Donau ansiedelten.
Der Zweite Weltkrieg bescherte neue Flüchtlingsströme und Tragödien, bei denen viele unserer Landsleute ihr Leben verloren. An das Schicksal der Opfer von Fliegerangriffen erinnern etwa ein Grab im österreichischen Donau-Eschingen und ein Gedenkstein im Pressburger Nachtigallfriedhof. Kurz vor Kriegsende, im März, wurden aus dem Engerauer Lager jüdische Bürger aus Ungarn in das Konzentrationslager Mauthausen transportiert. Auf diesem Weg verloren viele ihr Leben. An diese Tragödie erinnert eine Gedenktafel in Hainburg.
Eine bessere, friedliche Zeit?
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt Hainburg zum östlichsten österreichischen Grenzpunkt am so genannten „Eisernen Vorhang“ und somit in eine stagnierende Rolle an einer undurchlässigen Grenze gedrängt. Auch wenn es in den ersten Wochen nach Kriegsende manchen gelang, sich an den Grenzschranken zu treffen, war das immer mit einem großen Risiko verbunden.
Manche Schlupfwinkel in den Donauauen ermöglichten Schmugglern, Lebensmittel in das damals arg ausgehungerte Österreich zu bringen, viele nutzten diese nächtlichen „Wanderungen“, um mit Familienmitgliedern oder Freunden zusammen zu kommen, aber auch das war immer mehr als gefährlich.
Unrecht der Nachkriegsjahre
Bis heute ist der Braunsberg ein Ort der Erinnerung an das Unrecht der Kriegs- und Nachkriegsjahre: Jahrelang sind viele unserer vertriebenen Landsleute zum Braunsberg oder ins Marchfeld zur Marchmündung gefahren, um wenigstens einen Blick in ihre verlorene Heimat werfen zu können. Von hier hatte man damals noch einen guten Ausblick auf Pressburg und die Burg Theben, die Karpaten, die Donau.
In Grenznähe war auch das berüchtigte Engerauer Konzentrationslager. Dieses Lager diente dann mit slowakischer Anschrift „Sústreďovací tábor pre Nemcov“ als Sammellager für Deutsche. Über diese Grenze wurden viele unserer Landsleute nach Österreich vertrieben. Ihr Weg führte sie über Hainburg in verschiedene Orte Österreichs und Deutschlands. Ihre Odyssee ist in vielen Berichten beschrieben.
Nach der Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ konnte man die Orte Engerau/Pertržalka und Theben/Devín nicht mehr betreten und so war es nicht möglich auch nur in die Nähe des Braunsbergs zu kommen.
Ein Ort der Erinnerung
Unsere Landsleute in Österreich enthüllten am 21. September 1980 einen schlichten Gedenkstein auf dem Plateau des Braunsbergs, der an die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Slowakei erinnert – an die Menschen, die viele Jahrhunderte lang in ihrer angestammten Heimat wertvolle kulturelle und wirtschaftliche Arbeit geleistet haben.
Am 22. und 23. August 1992 ist es uns Pressburgern gelungen, auf diesem Schicksalsberg den ersten Karpatendeutschen Tag unter dem Motto „Brücken bauen“ zu veranstalten. Dieser Tag kann überhaupt als allererstes Zusammentreffen aller deutschsprachigen Bewohner unseres Landes bezeichnet werden: Aus den Regionen der Slowakei kamen mehr als 1 250 Landsleute und namhafte Persönlichkeiten aus der Slowakei, Österreich und Deutschland oder auch aus Übersee. Umrahmt von Blasmusik und reichem kulturellen Programm ehrten wir unseren Schicksalsberg mit einem Dankgottesdienst und Feierstunden.
Noch bis zum heutigen Tag werden alljährlich auf dem Plateau des Braunsberges Gedenkstunden für unsere verstorbenen Landsleute abgehalten. Im Oktober besuchte auch eine Delegation aus Einsiedel in der Unterzips, zusammen mit Vertretern des Verbands der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich (VLÖ) das Denkmal der vertriebenen Karpatendeutschen. An dieser Gedenkstunde nahm auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Joachim Bleicker teil.
Die Donau wird noch lange fließen und auch der gewaltige Braunsberg bleibt als erster Gipfel der Karpaten verbunden mit dem Land, in dem einst die Karpatendeutschen gelebt, gearbeitet, Städte errichtet, die Kultur und Wirtschaft auf ein hohes Niveau gebracht haben – und aus dem sie schändlich vertrieben wurden.
(st)