Auf slowakisch-deutscher Spurensuche
Der vielen Karpatendeutschen bekannte Germanist der Comenius-Universität Bratislava, Prof. Dr. Jozef Tancer, und die Regisseurin Anna Grusková konzipierten bereits 2018 den Dokumentarfilm „Smutné jazyky. Sprechen Sie Karpatendeutsch?“ Den Film schenkte mir kürzlich Kollege Tancer als DVD. Ich schaute ihn gleich neugierig an.
Das Gesehene und Gehörte bewegt mich tief, es gibt mir einen lehrreichen Einblick in die wechselvolle Geschichte, Kultur und Sprache der deutschen Minderheit in der Slowakei.
Im ersten Teil wird das Sprachenprofil der Interviewpartner aufgezeigt, die in ihrer deutschen Mundart erzählen. Dieser Einblick zeichnete eine vielfältige sprachliche Landkarte von der Region um Preßburg, vom Hauerland sowie von der Ober- und Unterzips. So erhalten wir „Kostproben“ nicht nur aus dem Mantakischen und Potokischen, den Mundarten der Ober- und der Unterzipser. Die DVD gibt darüber hinaus Einblick in die reiche Tanz- und Musikkultur, in die Architektur, Gastronomie und das Brauchtum der Karpatendeutschen.
Dokumentarischer Lehrfilm
Der Film weist auch auf das individuelle und kollektive Schicksal der Volksgruppe von 1945 bis zur politischen Wende 1989/90 hin. Wir erfahren etwas über den Partisanenaufstand, über die Flucht, Vertreibung, Heimkehr und die Prerauer Tragödie. Eine sehr lange Zeit von 45 Jahren war das Sprechen der deutschen Sprache und damit die Weitergabe der Muttersprache an die Kinder, Enkelkinder und Urenkel verboten. Hier nehmen wir an Beispielen die ganze Breite und Tiefe der historischen Last, das tragische Schicksal der Karpatendeutschen wahr.
Ich verstehe den Dokumentarfilm auch als Lehrfilm. Er knüpft an die Wurzeln und Tradition der Deutschen in der Slowakei an und ermöglicht eine slowakisch-deutsche Spurensuche im vereinten Europa. In der Dokumentation kommt endlich der einzelne Mensch zur Sprache: Er spricht.Mit ihm wird auf Augenhöhe gesprochen und nicht über ihn, wie es sonst in distanzierten wissenschaftlichen Darstellungen üblich ist.
Insofern ist die DVD für didaktisch-methodisches Bemühen besonders in Kultur- und Bildungseinrichtungen höchst bedeutsam. Sie legt das „verschwiegene dramatische Schicksal“ (Prof. Tancer) der Karpatendeutschen in der Slowakei an authentischen Beispielen offen und gipfelt in der Aussage der hoch geschätzten Pressburgerin Rosi Stolár-Hoffmann: „Wir sind Leute, die in ihrer Heimat leben, aber keine Heimat haben“.
Anregung zur Diskussion
Genau an diesem Punkt hat die Neu- und Wiederbelebung der deutschen Sprache und Kultur bei uns alten Karpatendeutschen, bei der jungen Generation, bei den Enkeln und Urenkeln anzusetzen. Die DVD sollte auch in Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen, in denen die deutsche Sprache gelehrt wird, gezeigt werden.
Ich werde sie bei Veranstaltungen der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Bayern, bei Veranstaltungen des Karpatendeutschen Vereins in der Zips und der Karpatendeutschen Jugend anbieten und mit den Teilnehmern zukunftsgewandt diskutieren. Durch diese Wende hin zum Positiven kann der zu beobachtenden Resignation die Stirn geboten werden. Das schulden wir unseren Vorfahren, denn es geht um die Zukunft der Karpatendeutschen, um ihr Selbstverständnis im europäischen Haus.
Prof. Dr. Ferdinand Klein
Hier können Sie sich den Film im Archiv des Slowakischen Rundfunks und Fernsehens anschauen: Smutne jazyky (Auf Slowakisch)