Berühmte Zipser: Arthur Görgey

Arthur Görgey aus Topportz/Toporec ist eine der interessantesten Persönlichkeiten des ungarischen Befreiungskampfes der Jahre 1848/1849. Er gilt als Gegenspieler von Kossuth Lajos, obwohl er mit dessen Ideen sympathisierte. Seine Rolle bei der Kapitulation der Aufständischen bei Világos wird von Historikern unterschiedlich bewertet.

Beginnen wir mit seinem Namen. Mit der Teilnahme am Befreiungskampf der Ungarn gegen die Habsburger Monarchie tauschte der adlige Arthur Görgey (ung. Görgey Artúr) das -y am Namensende gegen das bürgerliche -i aus. Damit war er nicht allein, mit ihm tat das zum Beispiel der als Móric Jókay de Ásva (1825-1904) geborene und später als Mór Jókai berühmte Schriftsteller.

Jugend

Seit dem 13. Jahrhundert befand sich Topportz im Besitz der protestantischen Adelsfamilie Görgey. Hier kam Johannes Arthur Woldemar am 30. Januar 1818 als achtes von zehn Kindern zur Welt. Er besuchte die Schulen in Kesmark/Kežmarok, Leutschau/Levoča und Eperies/Prešov. Arthur genoss das, was wir heute eine strenge Erziehung nennen und lernte Sparsamkeit.

Mit 14 Jahren ging es in der Pionierschule Tulln weiter. Diese etwa 40 Kilometer westlich von Wien gelegene Ausbildungseinrichtung der österreichischen Armee vermittelte in drei bis vier Jahren neben militärischen Kenntnissen auch eine gute naturwissenschaftliche und technische Ausbildung. Bereits nach zwei Jahren schloss Görgey diese mit besten Zeugnissen ab und trat in die ungarische Leibgarde ein.

Neun Jahre lang sah er nicht einmal das Haus der Eltern. Als Zwanzigjähriger schreibt er „seit über sechs Jahren bin ich es gewohnt, nichts am Abend und ein Stück Brot zum Frühstück zu essen.“

Chemiestudium und Heimkehr

Zwölfeinhalb Jahre, bis 1845, dauerte sein Militärdienst, zuletzt als Oberleutnant. Dann machte er das, was er eigentlich immer wollte und studierte Chemie. Nach dem erfolgreichen Abschluss an der Prager Universität kehrte er frisch verheiratet nach Topportz zurück. Neben dem Verwalten der Güter seiner Familie führte er wissenschaftliche Studien durch. Doch 1848, nach der Veröffentlichung seiner Abhandlung „Über die festen, flüchtigen fetten Säuren des Cocosöles“ in den Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie, verändern die Ereignisse des Jahres seinen Lebensweg.

Vom Hauptmann zum General

Görgey tritt als Hauptmann in die ungarische Armee ein. Hier beweist er seine taktischen Fähigkeiten. Inzwischen im Majorsrang, zeigt er durch die Hinrichtung des Stuhlweißenburger Obergespan Graf Eugen Zichy wegen einer bei ihm gefundenen „Korrespondenz mit dem Feinde“ besondere Härte.

Kossuth und Görgey

Revolutionsführer Kossuth vermisste bei Görgey die klare Positionierung zu einem eigenen ungarischen Staat. So entstanden zwischen beiden Spannungen. Görgey, einige Zeit mit seinem jüngeren Bruder Stephan (1825-1912) als Adjutanten, eilte weiter von Sieg zu Sieg und stieg zum General auf. Kossuth bot ihm daraufhin den höchsten militärischen Rang, den eines Feldmarschalls, an. Görgey lehnte ab, wurde aber Kriegsminister.

Seine Differenzen mit Kossuth beschreibt Görgey im zweibändigen, 1852 im Brockhaus-Verlag Leipzig erschienenen Buch „Mein Leben und Werk in Ungarn in den Jahren 1848 und 1849“. Darin geht er ausführlich auf die militärische Lage ein. Diese wendete sich gegen die Ungarn, als Russland mit einer riesigen Armee von 250.000 Soldaten Österreich unterstützte. Es kam zur Abdankung Kossuths am 11. August 1849, in der er die zivile und militärische Verantwortung für Ungarn an Görgey übergab.

Held oder Verräter?

Görgey entschied gemeinsam mit den höheren Offizieren, die Kapitulation einer vernichtenden und für viele den Tod bedeutenden Schlacht vorzuziehen. Unterschiedliche Ansichten gab es darüber, ob gegenüber den Russen oder Österreichern zu kapitulieren war. Man entschied sich für die Russen, weil von den Österreichern weniger Gnade erwartet wurde.

Kossuth flüchtete in die Türkei, in seinem „Abschied von Ungarn“, verflucht er Görgey, der das „Vertrauen des Volkes verrathen“ hätte.

Görgey wird begnadigt

Kossuths Worte schienen sich zu bestätigen. Görgey hatte bei der Kapitulation für alle Begnadigung erbeten, aber nur er erhielt diese, vom russischen Zaren und auch vom österreichischen Kaiser. Seine Generäle, die wie er von den Russen an die Österreicher übergeben wurden, wurden fast alle hingerichtet. Das sich nun über Görgey verbreitende Geschichtsbild ließ Ehrungen seiner Person lange nicht zu.

Verratsvorwurf entkräftet

Bedeutende Künstler wie Alajos Strobl (1856-1926) achteten ihn jedoch als den letzten überlebenden Helden und verewigten ihn in ihren Werken. Nach und nach entkräfteten historische Forschungen den Verratsvorwurf. Görgey wurde öffentlich geehrt, zuerst 1934 mit einem Denkmal in Budapest.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand Görgey aus dem Straßenbild. In Miskolc retteten Bürger 1950 eine überlebensgroße Büste Görgeys vor der Vernichtung. Sie wurde im Jahr 1977 restauriert und – wie viele andere – wieder aufgestellt. Wir finden sie am Eingang des Herman Ottó-Museums in der Görgey Artúr utca. Viele Straßen und Plätze in Ungarn tragen seinen Namen. In der Slowakei ist ein Tunnel nach ihm benannt: der „Görgeho tunel“ zwischen Kremnitz/Kremnica und Neusohl/Banská Bystrica.

Ein langes Leben

Arthur Görgey, zunächst in Klagenfurt interniert, konnte nach der Amnestie (1867) nach Ungarn zurückkehren. Er starb im Alter von 98 Jahren am 21. Mai 1916 in Visegrád. Sein Grab liegt auf dem Budapester Kerepesi-Friedhof, wo sich auch das von Strobl geschaffene Kossuth-Mausoleum befindet.

Dr. Heinz Schleusener