Elek Ludvigh

Berühmte Zipser: Der Geschäftsmann Elek Ludvigh

Wer hat nicht schon von seiner Großmutter einen Brief oder eine Karte bekommen, etwa zum Geburtstag. Das ist nichts Besonderes. Außergewöhnlich sind aber Inhalt und Datum des Briefes, den eine Großmutter ihrem Enkel im Jahr 2000 persönlich übergibt. Die Großmutter ist Roseclaire Ludvigh (1912-2002), geschrieben wurde der Brief am 11. März 1924 in New York von ihrem Onkel Elek John Ludvigh.

Im Brief gibt der Onkel sein Wissen über zwei berühmte Ludwig-Vorfahren an die nächste Generation weiter: Es geht um seinen Großvater János (Johann) Ludvigh und seinen Onkel Gyula (Julius) Ludwig. Was Elek John Ludvigh aber nicht extra hervorhebt, ist die Lebensgeschichte seines eigenen Vaters, des Elek (Alexis) Ludvigh. Dieser wurde wie sein Onkel und Großvater in Zipser Bela geboren und wanderte als junger Mann in die USA aus. Betrachten wir Elek Ludvighs Weg etwas genauer.

Mit 18 nach Brüssel

Elek ist das erstgeborene Kind in der Ehe von János Ludvigh und Amalia Mayer. Als er am 23. Mai 1835 das Licht der Welt erblickte, war sein Vater 23 Jahre und seine Mutter 22 Jahre alt.

Eleks Kindheit und Jugend wurden von den ungarischen Bemühungen um Autonomie beeinflusst, die schließlich zur ungarischen Revolution von 1848/49 führten. Sein in dieser Bewegung aktiver Vater wurde zum Tode verurteilt, konnte aber nach Belgien fliehen. Das war für den 14-jährigen Elek ein schwerer Schlag. Auch er wollte nicht mehr in Ungarn bleiben. Seiner Mutter war es aber erst 1853 möglich, mit ihm und seinen Geschwistern dem Vater zu folgen. Damit erfüllte sich zwar Eleks Wunsch, jedoch bedeutete das nach Jahren der Ungewissheit für den inzwischen 18-Jährigen eine weitere Verzögerung seiner beruflichen Ausbildung.

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Der Anfang des Briefes von Elek John Ludvigh an seine Nichte Roseclaire vom 11. März 1924

In Brüssel angekommen, sah er für sich dort keine Zukunft, wohl aber in Amerika. Im Jahr 1855 verließ er mit dem Schiff „Belgium“ von Ostende das europäische Festland und kam zunächst nach London. Von London ging es weiter nach New York. Hier beantragte er am 11. Februar 1856 als Alexis Ludvigh die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Empfehlungsschreiben von Lajos Kossuth

Ohne Hilfe war es schwer, im fremden Land Fuß zu fassen. Sein Vater bat daher Lajos Kossuth um ein Empfehlungsschreiben, tatsächlich verfasste Kossuth das Schreiben, welches Alexis schließlich in den USA Kontakte verschaffte. Dazu Auszüge aus diesem „Letter of Recommendation“:

Der aus Ungarn stammende Überbringer Alexis Ludvigh aus der Grafschaft Zips geht mit Zustimmung seiner Eltern und der Absicht in die Vereinigten Staaten von Amerika, diese zu seiner neuen Heimat zu machen. Ich kenne seinen Vater sehr gut, der sich als einer der Volksvertreter in der ungarischen Nationalversammlung von 1848 durch seinen entschlossenen Patriotismus und seine festen demokratischen Grundsätze so sehr hervorgehoben hat (…) Wegen der Freundschaft, die ich mit dem Vater habe, interessiere ich mich lebhaft für die Angelegenheiten des Sohnes. Ich möchte seine Seriosität, sein ehrbares Verhalten und seine Fähigkeiten zu bezeugen, und würde mich freuen, wenn mein Zertifikat ihm als Empfehlung bei diejenigen in den USA dienen würde, die ihren Schutz dem jungen Herrn bei der mühsamen Aufgabe zuteilwerden lassen, ihn bei seinen eigenen ehrenwerten Anstrengungen für einen Anfang in einem fremden Land, das später sein Zuhause wird, unterstützen.

London 3. Dezember. 1859

L. Kossuth

Ehemaliger Governeur von Ungarn

Lajos Kossuth hatte in den Jahren 1851/52 auf Einladung des Kongresses die Vereinigten Staaten von Amerika besucht. Seine Rede vor dem Kongress wurde mit Begeisterung aufgenommen. Er bereiste auch weitere Orte in den USA. Sein Aufenthalt löste einen regelrechten Kossuth- und Ungarn-Kult aus, es gab Kossuth-Krawatten, Neugeborene erhielten seinen Namen und nach seiner Abreise wurde sogar eine Stadt umbenannt: „New Hope“ im Staat Mississippi in „Kossuth“. Es existieren auch in anderen Staaten der USA Orte mit seinem Namen, so in Ohio, wo sich besonders viele Ungarn ansiedelten, sowie in Wisconsin and Indiana.

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Das 171 Seiten umfassende Buch des Edmund Vasváry über die ungarischstämmigen Teilnehmer des amerikanischen Bürgerkriegs

Soldat im Bürgerkrieg

Der Weg von Alexis Ludvigh war nun aber klar. Zunächst wollte er zeigen, dass er sich als Bürger dieses Landes fühlt und bereit ist, sein Leben für dieses einzusetzen. Er trat in die Armee der Nordstaaten, die Union Army, ein und diente unter dem Major General Julius H. Stahel-Számwald (1825-1912). Dieser aus Szeged stammende ehemalige Leutnant der österreichisch-ungarischen Armee hatte während der ungarischen Revolution 1848/49 die Seiten gewechselt und sich den aufständischen Soldaten angeschlossen. Er kämpfte auf der Seite von Kossuth unter General Görgey. Nach der Niederlage musste er auswandern. Nun zeichnete er sich im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) aus, er und seine Soldaten wurden mehrfach geehrt. Sein Grab befindet sich auf dem Nationalfriedhof Arlington.

Über Alexis Ludvigh Teilnahme am Bürgerkrieg berichtet Edmund (Ödön) Vasváry in seinem 1939 erschienenen Buch „Lincoln’s Hungarian Heroes“ (Lincolns ungarische Helden).

Späte Heirat

Noch vor Ende des Bürgerkrieges, im Jahr 1864, erhielt Alexis die US-Staatsbürgerschaft. Nach weiteren acht Jahren, im Alter von 37 Jahren, kam es am 14. Mai 1872 zur Heirat mit der 1840 in New York geborenen, aus einer niederländischen Auswandererfamilie stammenden Rose Dusseldorf. In der Ehe wurden drei Kinder geboren: Clara (1872), Elek John (1873) und Clifford (1878).

Rose Ludvigh
Rose Ludvigh

Interessant ist, dass er als Vornamen nicht die „amerikanisierte“ Form Alexis nutzte, sondern auch Dokumente mit Elek Ludvigh unterschrieb und einem Sohn den Vornamen weitergab. Dieser und ein Enkel bekamen den Vornamen Elek John.

Politisch war er weiterhin für das von ihm gewünschte, freie Ungarn aktiv. Er war Vorsitzender des Committee of the Hungarian Veterans of 1848 and 1861 und engagierte sich in dieser Funktion erfolgreich für die Finanzierung und Aufstellung des 1894 in New York City errichteten Kossuth-Denkmals.

Nicht nur Erfolg im Importgeschäft

Alexis hatte inzwischen ein Importgeschäft für Spitze und hochwertige Kleidung aufgebaut. Die Beziehungen zu Herstellern von Spitze bestanden seit dem Aufenthalt in Belgien. Seine modebewusste Frau reiste dazu oft nach Europa, auch ihr Bruder war in diesem Geschäft tätig.

Wie man Artikeln der New York Times aus dem Jahr 1888 entnehmen kann, hatten Rose und ihr Bruder bei der Einreise die Zollunterlagen nicht korrekt ausgefüllt und wurden des Schmuggels von Luxus-Kleidern beschuldigt. Sie hätte die Zollkontrolle umgangen, schrieb die Zeitung, ohne das näher zu beschreiben. Ob dies bewusst oder unbewusst geschah, blieb unklar, machte jedoch Schlagzeilen. Gegen ihren Bruder wurde sogar ein Verfahren eingeleitet.

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Die New York Times vom 17. Juni 1888 berichtet vom Versuch der Mrs. Ludvigh, die Zoll-Inspektoren zu täuschen.

Tochter Sängerin, Söhne prominente Rechtsanwälte

Alexis Ludvigh starb am 23. Juni 1903 in New York im Alter von 68 Jahren an Herzversagen. Er wurde im Stadtteil Queens begraben.

Seine Tochter, eine Opernsängerin, blieb ledig. Beide Söhne wurden prominente Rechtsanwälte. Elek John arbeitete für Paramount, dessen Bruder Clifford, der seinen Sohn ebenfalls Elek John nannte, als Insolvenzanwalt. Dieser Elek John heiratete die am Anfang genannte Roseclaire, die den Brief (Bild weiter oben) weitergab. Gerne nutzte die Familie die eigene, in Miami angedockte Jacht mit dem schönen Namen Rosecliff (Kürzel von Roseclaire und Clifford) und der Schiffsflagge mit dem Ludvigh-L für den Urlaub in wärmeren Regionen.

Schiff Rosecliff
Existiert nur noch als Ölgemälde: Das Schiff Rosecliff der Ludvighs

Dr. Heinz Schleusener