Berühmte Zipser: Leonhard Stöckel

Berühmte Zipser: Pädagoge Leonhard Stöckel

Leonhard Stöckel setzte sich nicht nur für die Reformation im damaligen Ober-Ungarn ein, er war auch ein ausgezeichneter Pädagoge und Dramatiker. Während der 21 Jahre seiner Tätigkeit als Direktor des Bartfelder Gymnasiums schuf er ein Regelwerk für Schulen. Stöckel gilt als Erneuerer des Schulwesens, man bezeichnete ihn sogar als „Praeceptor Hungariae“, als Lehrer von Ungarn. Der Komponist und Musikpädagoge Zoltán Kodály benutzt fast 500 Jahre später diese Worte erneut – für sich als Ziel. Stöckel hatte es erreicht.

Leonhard Stöckels Vater war Schmied und übte in den Jahren 1512 bis 1513 und 1520 bis 1521 das Amt eines Ratsherren der Stadt Bartfeld aus. Der heranwachsende Leonhard erlebte im Ort und in seinen ersten Schuljahren die Veränderungen durch die Reformation in Deutschland und den aus Krakau kommenden Renaissance-Humanismus. In der Schule in Bartfeld lernte er bei dem Schweizer Humanisten Valentin Eck (circa 1494-1556), der 1517 dortiger Rektor wurde. Weitere Ausbildung erfuhr er in Kaschau/Košice (1522-1526) und Eperies/Prešov. In Eperies lernte er Griechisch.

Vermutlich der Vormarsch der Türken nach der verlorenen Schlacht bei Mohácz am 29. August 1526 führte zum Entschluss, die Schule im etwas sicherer gelegenen Krakau abzuschließen. Das geschah 1530 im dortigen St. Elisabeth-Gymnasium. Danach ging er an die Universität in Wittenberg. Das Studium im Ausland war für die lutherisch orientierten Christen die einzige Möglichkeit, ihren Glauben auch an einer Hochschule ausüben zu können. Alle ungarischen Universitäten waren katholisch geführte Einrichtungen.

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Gedenktafel für Leonhard Stöckel

Lehrer in Wittenberg und Eisleben

In Wittenberg war er Schüler von Martin Luther (1483-1546) und dessen engem Mitstreiter Philipp Melanchthon (1497-1560), des Lehrstuhlinhabers für Griechisch. Hier lernte Stöckel, ethische Ideale der Antike mit christlichem Humanismus zu verbinden.

Seine Tätigkeit als Lehrer begann er in Wittenberg. Im Schuljahr 1534/35 lehrte er in Eisleben. Schon hier begann Stöckel, Melanchthons pädagogische Prinzipien in seinem Unterricht umzusetzen. Im Jahr 1539 ging er zurück nach Bartfeld.

21 Jahre Rektor in Bartfeld

Über Stöckels Arbeitsbeginn in Bartfeld gibt es unterschiedliche Darstellungen. Unbestritten ist, dass Positionen in Kirche oder Verwaltung besser honoriert wurden als die eines Lehrers. Viele Lehrer verließen daher den Schuldienst, wenn entsprechende Angebote vorlagen. Stöckel dagegen folgte dem Ruf aus der Heimatstadt, um die Stelle des Schulrektors anzunehmen. Ihm sollen eine ganze Reihe von Angeboten der Kirche vorgelegen haben, so aus dem bei Eisleben in Sachsen-Anhalt gelegenen Mansfeld, weiterhin aus Breslau, Kaschau und Leutschau. Eine Rolle mag die Berufung von Michael Radasin, einem Anhänger Luthers, zum Bartfelder Stadtpfarrer gespielt haben. Beide waren Gegner von radikalen Reformen und strebten eine gemäßigte Reform der Kirchenlehre und des Gottesdienstes an.

Neue Schulordnung

Leonard Stöckel stellte 1540 seine neue Schulordnung „Leges scholae Barthphensis“ vor. Sie ist das älteste überlieferte pädagogische Dokument der Slowakei. Stöckel berücksichtigte Elemente der sächsischen, von Melanchthon aufgestellten Schulordnung, brachte aber vorrangig eigene Vorstellungen eines modernen Unterrichts ein. Sein Schulsystem war dreistufig aufgebaut.

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Die Komödie Adelphoe von Terenz in einer italienischen Ausgabe

Lesen, Schreiben und die Grundlagen des evangelischen Glaubens wurden in der untersten Stufe vermittelt. Die mittlere Stufe orientierte auf lateinische Autoren, wie den römischen Dichter Terenz (Publius Terentius Afer, geboren um 180 vor Christus, gestorben um 158 vor Christus). Dessen Werke standen noch bis ins 17. Jahrhundert auf den Lehrplänen der Gymnasien, weil sie ideal zum Erlernen der lateinischen Sprache waren.

In der dritten und oberen Stufe gab es weiterhin Latein, es wurde zur Unterrichts- und Konversationssprache. Dazu kamen als weitere Sprache Griechisch sowie die Fächer Rhetorik und Theologie. Wie bei seinem Vorbild Melanchthon enthielt Stöckels Lehrplan auch Mathematik, Physik, Geschichte und Geographie. Jeder Unterrichtstag begann mit einer Bibellesung, gefolgt von einem Gottesdienst in der nicht weit entfernten Kirche des Heiligen Ägidius.

Lehrbücher und Religionsschriften

Während seines Aufenthalts in Wittenberg schrieb Stöckel 1559 ein Drama, das er „Historia von Susanna“ nannte und als Tragödie zur Übung der Jugend beschrieb. Von ihm stammen Lehrbücher und Religionsschriften, alle in Latein. Religiöse Themen nehmen den Hauptteil seiner Arbeiten ein. Mit der Confessio Pentapolitana, dem Glaubensbekenntnis der fünf Städte Kaschau/Košice, Eperies/Prešov, Leutschau/Levoča, Bartfeld/Bardejov und Klein Zeben/Sabinov schuf er 1549 das älteste Dokument in Ungarn zum lutherischen Glauben. Es beruht auf dem Augsburger Bekenntnis, dem auf dem Reichstag in Augsburg 1530 abgelegten Glaubensbekenntnis.

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Das Denkmal für Leonhard Stöckel in Bartfeld
(Foto: Wikipedia.sk/Renáta Mikitová)

Stöckel vermeidet darin strittige Punkte zum Katholizismus und bemüht sich um das Hervorheben der Gemeinsamkeiten. Leonhard Stöckel starb am 7. Juni 1560. In den Nachrufen findet er hohe Würdigung, hervorgehoben werden seine Klugheit, Frömmigkeit, Fleiß und seine Führungsqualitäten. Die Stadt Bardejov ehrte ihren Sohn mehrfach. Nach Stöckel sind das Gymnasium und eine Straße benannt. Aus Anlass seines 500. Geburtstags wurde 2010 in Bardejov ein Denkmal enthüllt.

Dr. Heinz Schleusener