Im Sommer 2024 wird Botschafterin Barbara Wolf eine andere Funktion übernehmen und sich aus der Slowakei verabschieden. © Boris Nemeth

Botschafterin Barbara Wolf: „Politische Rahmenbedingungen haben sich deutlich geändert“

2020 hat die außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in der Slowakischen Republik ihr Amt angetreten. Barbara Wolf wurde 1962 in München geboren, studierte Betriebswirtschaftslehre und begann ihre diplomatische Laufbahn 1987 beim Auswärtigen Dienst in Bonn. Sie war unter anderem in Frankreich, Nordafrika und in Nahost tätig. Nach vier Jahren geht der Einsatz von Barbara Wolf in der Slowakei langsam zu Ende. Vor kurzem war sie im Studio von RTVS Radio Slowakei International zu Gast und stellte sich den Fragen von Redakteur Kay Zeisberg.

Als ich Sie nach ihren ersten 100 Tagen in Bratislava Ende 2020 interviewte, sagten Sie mir, wie angenehm Sie es empfanden, jetzt in einem Umfeld zu sein, in dem Sie mehr Bewegungsfreiheit haben, wo Sie zum Beispiel mal ganz spontan shoppen oder Kaffee trinken gehen können und in dem es kritische Medien und engagierte Bürger gibt, die sich frei äußern können. Nun haben wir hier seit einigen Monaten verstärkt Protestdemonstrationen und Sorgen von Teilen der Bevölkerung, aber auch von NGOs oder sogar von der Europäischen Kommission hinsichtlich der Entwicklung des Rechtsstaats. Erleben Sie die Slowakei nach wie vor so entspannt wie 2020?

Wenn ich auf 2020 zurückschaue, blicke ich natürlich auch etwas auf die Covid-Zeit zurück, auf die Zeit, wo weniger Leute in der Stadt waren, natürlich auch weniger Touristen, und die Atmosphäre eine ganz andere war. Heute nehme ich schon noch weiterhin eine entspannte Atmosphäre in der Stadt wahr, aber natürlich haben sich die politischen Rahmenbedingungen deutlich geändert und jeder, der hier lebt, sieht, wie Sie es auch sagen, einmal die Woche Protestveranstaltungen und das politische Klima hat sich sicher verhärtet.

Barbara Wolf beim Studiogespräch mit RSI-Redakteur Kay Zeisberg © Michaela Vita
Barbara Wolf beim Studiogespräch mit RSI-Redakteur Kay Zeisberg
© Michaela Vita

Sie interessieren sich ja auch für die Belange der deutschen Minderheit in der Slowakei, deren Sprache zum Beispiel in der Region Zips Spuren im Slowakischen hinterlassen hat. Sie kümmern sich um die Deutsche Schule Bratislava, also auch um die Sprache. Gleichwohl gibt es mehr Slowaken, die Deutsch sprechen als umgekehrt. Dem bilateralen und gesamteuropäischen Miteinander haben die hin und wieder kleinen Sprachschwierigkeiten bislang nicht geschadet und die Slowakische Republik blickt ja nun in diesem Jahr auf 20 Jahre EU-Mitgliedschaft zurück. Wie schätzen Sie in diesem Kontext den heutigen Stand der Beziehungen der beiden EU-Länder ein, findet man denn nach wie vor noch eine gemeinsame Sprache?

Zunächst muss man sagen, dass wir 20 Jahre nach dem EU-Beitritt der Slowakischen Republik in einer besonders schwierigen sicherheitspolitischen Lage sind, natürlich wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, ein Nachbarland der Slowakei. Diese Situation wirkt sich natürlich auch auf die bilateralen Beziehungen aus und so haben wir in den letzten Jahren besonders stark unsere sicherheitspolitische Zusammenarbeit ausgebaut. Und auch wir in der Botschaft haben uns sehr stark mit der Präsenz der Bundeswehr beschäftigt, die ja nach wie vor hier mit Soldaten im Land vertreten ist. Aber darüber hinaus würde ich sagen, die deutsch-slowakischen Beziehungen stehen auf vielen sehr soliden Säulen oder Basen, dazu gehört die Sprache, dazu gehört die Wirtschaft, die extrem enge Verflechtung der Wirtschaft, und dazu gehören eben die zahlreichen menschlichen Kontakte, auch die Kontakte der Zivilgesellschaften. Von daher sehen wir, glaube ich, guten Mutes auf die deutsch-slowakischen Beziehungen und auch auf ihre Zukunft.

Die Doktrin, die Deutschland im Ukraine-Krieg einnimmt, ist ja ganz klar auf Hilfe, nicht nur im humanitären Bereich, sondern auch im Militärischen ausgerichtet. Jetzt haben wir eine neue Regierung in der Slowakei, die das offensichtlich anders sieht. Führt das möglicherweise auch in Ihrer Tätigkeit oder in Ihrem Kontakt zu Behörden hier in der Slowakei zu gewissen Verwerfungen oder lässt sich das bis jetzt noch alles quasi überspielen?

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist auch für die deutsche Politik eine Zäsur – eine Zäsur, für die der Bundeskanzler ja das Wort der Zeitenwende gefunden hat. Auch wir stellen uns in vielen Bereichen sehr, sehr neu auf. Wichtig ist, glaube ich, für uns auch hier in der Slowakei: Wir sind beide Mitglieder in der Europäischen Union und in der NATO, das verbindet uns. Das verbindet uns auch durch gemeinsame Sicherheitsverpflichtungen. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir als Deutschland hier im Rahmen der NATO tätig sind und so ist ja auch unsere Bundeswehr-Präsenz von Anfang an angelegt worden. Ich glaube, wir teilen weiterhin viele Überzeugungen mit der slowakischen Regierung, die ja ihrerseits auch den russischen Angriff als völkerrechtswidrig bezeichnet, die allerdings sagt, dass sie keine militärischen Lieferungen aus eigenen Beständen mehr leistet. Aber wir wissen, glaube ich, alle, dass vieles aus den militärischen Beständen der Slowakei schon geleistet wurde. Wir haben also weiterhin einen guten Austausch mit der slowakischen Regierung über die Präsenz der Bundeswehr, aber auch zu der Vielzahl anderer sicherheitspolitischer Themen.

Im Sommer 2024 wird Botschafterin Barbara Wolf eine andere Funktion übernehmen und sich aus der Slowakei verabschieden. © Boris Nemeth
Im Sommer 2024 wird Botschafterin Barbara Wolf eine andere Funktion übernehmen und sich aus der Slowakei verabschieden.
© Boris Nemeth

Nun gibt es ja in der Compliance der demokratischen Staaten die Regel, dass ein Botschafter oder eine Botschafterin immer nur für eine begrenzte Zeit in einem Land bleibt und dann wechselt. Das soll eine zu tiefe Verknüpfung mit einem Land verhindern und sozusagen Objektivität und Unabhängigkeit bewahren. Sie sind jetzt fast vier Jahre in der Slowakei. Entwickelt man da nicht trotzdem Emotionen und Freundschaften? Oder ist das dann, wenn es so weit ist, doch ein Abschied mit Diplomatenroutine?

Es ist beides. Ich bin ja jetzt auch eine erfahrene Mitarbeiterin des Auswärtigen Amts, von daher bin ich an den Wechsel gewöhnt. Als ich vor vier Jahren angefangen habe, hätte ich diese Entwicklung, die wir jetzt genommen haben, nicht erwartet. Ich habe den Krieg schon genannt, aber es gab natürlich viele andere. Ich nehme vielleicht andere Eindrücke mit als Kollegen sie mitgenommen haben, die vor zehn Jahren da waren. Diese Eindrücke sind sehr prägend. Wenn ich zurückschauen werde, werde ich zum einen Covid als einen großen Teil, zum anderen natürlich den russischen Angriff auf die Ukraine und jetzt in den letzten Monaten die innenpolitischen Entwicklungen als prägende Elemente meiner Zeit hier mitnehmen.

Und vier unterschiedliche slowakische Außenminister…

…natürlich, aber auch mehrere Premierminister und auch sonst mehrere Minister.

Die deutsche Botschaft bietet natürlich Konsulardienste des Auswärtigen Amtes an, aber vor allem pflegen Sie ja die politischen, aber auch die wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen zwischen Deutschland und der Slowakei. Und dabei sind Sie sowohl in den sozialen Netzwerken als auch live und in Farbe mit Veranstaltungen sehr präsent. Was war denn da in letzter Zeit ihr absolutes Highlight?

Ein Highlight ist jedes Jahr der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, den wir begehen. Interessanterweise haben wir in den vier Jahren den Tag der Deutschen Einheit jedes Jahr anders begangen. Im ersten Jahr nämlich wegen Covid überhaupt nicht als Veranstaltung. Dann haben wir mit einer kleineren Veranstaltung im Freien angefangen. Dann haben wir einmal eine klassische Veranstaltung im Spiegelsaal gemacht und letztes Jahr war ich sehr froh, dass wir die neuen Räumlichkeiten der renovierten Slowakischen Nationalgalerie genutzt haben. Dieser wirklich sehr, sehr schöne, große, sehr leuchtende, helle Raum in unmittelbarer Nähe der Botschaft hat mir sehr gut gefallen und von daher war ich froh, dass wir mit unserem Tag der Deutschen Einheit auch ein Zeichen für die Nationalgalerie setzen konnten.

Die Botschafterin zu Besuch im Büro des Karpatendeutschen Vereins in Kaschau/Košice
Die Botschafterin zu Besuch im Büro des Karpatendeutschen Vereins in Kaschau/Košice

Aber im Osten der Slowakei sind Sie ja auch immer bei Veranstaltungen mit vertreten.

Genau, das, glaube ich, kann man auch hervorheben. Wir waren gemeinsam mit dem Bundespräsidenten beispielsweise im April 2022 im Osten der Slowakei, also wenige Monate nach Kriegsbeginn. Dort hat er die Staatspräsidentin in Košice getroffen. Das war auch ein wichtiges Zeichen an die Region, an die Nähe zur Ukraine und danach gab es einen gemeinsamen Besuch bei den Bundeswehrsoldaten.

Lassen Sie uns zum Schluss bitte auf eine Formalie zu sprechen kommen, die mich persönlich immer wieder beschäftigt. Warum figurieren Sie unter Verwendung des historischen Exonyms noch immer als deutsche Botschaft in Pressburg und nicht in Bratislava?

Wir diskutieren das. Wir haben vor kurzem ja auch eine Änderung des Namens Laibach zu Ljubljana vorgenommen. Von daher, glaube ich, geht der Trend in diese Richtung. Mir schlagen da zwei Herzen in meiner Brust. Zum einen muss ich sagen, wir verwenden im täglichen Gebrauch das Wort Bratislava und ich glaube, alle Partner wissen das. Ich selber habe von slowakischer Seite nie eine Klage gehört, dass wir auch das Wort Pressburg verwenden. Ich persönlich sehe es eigentlich auch als eine Referenz an Zeiten, wo Pressburg eben einen starken deutschen Bevölkerungsanteil hatte. Gerade in Zeiten wie heute, wo wir viel Nationalismus haben, ist es ein Element, das mir durchaus gefällt, daran zu erinnern, dass wir in einem Europa wohnen, in dem es schon immer Wanderungsbewegungen gegeben hat, die auch zum gegenseitigen Vorteil waren.

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