Der große Theologe Dietrich Bonhoeffer in der Zips
Christ, Prophet und Widerstandskämpfer: Am 9. April 1945 ermordeten die Nazis Dietrich Bonhoeffer. Er wurde nur 39 Jahre alt. Bis heute gilt er als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Dieser „evangelische Heilige“ nahm vor 90 Jahren in Bad Schwarzenberg im oberen Göllnitztal aktiv an der Friedenskonferenz teil.
Dietrich Bonhoeffer wird am 4. Februar 1906 als sechstes von acht Kindern in Breslau/Wroclaw, Polen, geboren. Sein Vater Karl Bonhoeffer war ein renommierter Psychiater und Neurologe, wurde später Leiter der Berliner Charité. Seine Mutter Paula ist adeliger Abstammung. Die Familie gehört zum Bildungsbürgertum, führt ein weltoffenes Haus, in dem der Drill von Schule und Militär kritisch betrachtet wird.
Verwandt mit von Dohnanyi aus Preßburg
Die Familie Bonhoeffer war verbunden mit der Familie von Dohnanyi, deren Vorfahren aus Preßburg stammten. Dietrichs Schwester Christine war mit Hans von Dohnanyi verheiratet, sie hatten die Söhne Klaus von Dohnanyi (Altbürgermeister von Hamburg) und Christoph von Dohnanyi (weltberühmter Dirigent). Dietrichs Bruder Karl-Friedrich Bonhoeffer heiratete Margarete von Dohnanyi, die Schwester von Hans.
Der Großvater von Hans und Margarete Friedrich von Dohnanyi wirkte in Preßburg, wo 1877 auch sein Sohn Ernst Friedrich von Dohnanyi geboren ist. Die Familien Bonhoeffer und von Dohnanyi verband Musik und auch Politik. Hans von Dohnanyi hatte Kontakt zu Kreisen des Widerstands, arbeitete mit dem von Wilhelm Canaris geleiteten Amt Ausland/Abwehr zusammen, das zu einem Zentrum des Widerstands wurde. Im April 1943 wurde Dohnanyi festgenommen, 1944 ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht und am 9. April 1945 (am selben Tag wie sein Schwager Dietrich Bonhoeffer) erhängt.
Studium
1923 entschließt sich Bonhoeffer Theologie zu studieren – seine christliche, aber nicht sehr religiös geprägte Familie war von seinem Studienwunsch nicht gerade begeistert. Bis 1927 studiert er evangelische Theologie in Tübingen, Rom und Berlin, wo er promoviert. Ein Jahr später zieht es ihn ins Ausland: An der deutschen Kirche in Barcelona absolviert Dietrich Bonhoeffer sein Vikariat. Ein Studienjahr verbrachte er auch in New York am Union Theological Seminary. Wieder zurück in Berlin widmete sich Bonhoeffer erneut der wissenschaftlichen Arbeit, bestand 1930 sein Zweites Theologisches Examen und habilitierte. Neben seiner Tätigkeit als Privatdozent an der Universität übernahm er das Studentenpfarramt an der Technischen Hochschule. In dieser Zeit begann auch seine ökumenische Arbeit. Er wurde zum Jugendsekretär des „Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen“ gewählt.
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Die Familie Bonhoeffer betrachtete den Sieg des Nationalsozialismus im Jahre 1933 und die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler als ein Unglück. Dietrich Bonhoeffer wurde in den kommenden Jahren einer der führenden Theologen der kirchlichen Oppositionsbewegung. Gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung nahm er öffentlich Stellung. Etwa ab 1938 schloss er sich dem Widerstand um Wilhelm Franz Canaris an. 1940 erhielt er Redeverbot und ein Jahr später Schreibverbot. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet und zwei Jahre später auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg von der SS hingerichtet.
In Bad Schwarzenberg
Als Sekretär des Weltbundes hat Bonhoeffer in seinem Grußwort auf der Internationalen Jugendfriedenskonferenz (20 bis 30. Juli 1932) in Bad Schwarzenberg vor den unabsehbaren Folgen eines nationalsozialistischen Sieges gewarnt und zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufgerufen: „Die verantwortliche theologische Arbeit, unterstützt von der ökumenischen Welt, steht vor dem Auftrag, den Teil der Deutschen und der Christen in Deutschland, die gegen Hitler kämpfen, zu stärken.“
Bonhoeffer verließ die Tagung in Bad Schwarzenberg vorzeitig, um bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 in Berlin seine Stimme gegen die Nationalsozialisten abzugeben.
Der Tagungsort
Die Entstehung des Kurortes Bad Schwarzenberg/Čiernohorské kúpele ist mit der Gründung von Kurorten nach der Pressnitz-Methode (klimatisierte Badeanstalten mit Wasserkur) in der Mitte des 19. Jahrhundert verbunden. Die Umgebung von Wagendrüssel/Nálepkovo mit seiner reinen Luft und 14 Wasserquellen im nahen Tal war für einen Kurort solcher Art ideal. 1847 ist dort das erste Kurhaus gebaut worden. Danach entstanden weitere, 1913 wurde eine evangelische Holzkirche mit 200 Sitzplätzen gebaut. Im Kurort herrschte ein reges kulturelles und gesellschaftliches Leben. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte man den Kurort als Kindersanatorium, ab den 1970er Jahren kam es zu seinem allmählichen Niedergang.
Die Teilnehmer der Jugendkonferenz
Die Schirmherrschaft über die damalige Jugendkonferenz in Bad Schwarzenberg hat der Patriarch, Mitbegründer der Tschechoslowakischen Hussitenkirche, Bischof Gustav Adolf Prochazka, übernommen. Er war auch Vizepräsident der Weltallianz für internationale Freundschaft. Teilgenommen hat auch der Olmützer Bischof der Tschechoslowakischen Hussitenkirche, Dr. Theol. Josef Rostislav Stejskal, der Olmützer Bischof der Tschechoslowakischen Hussitenkirche. Zu den berühmten Vortragenden gehörte der bekannte tschechische Philosoph Emanuel Rádl, Professor an der Karls-Universität in Prag, der ab 1927 die philosophisch-theologische christliche Zeitschrift „Christliche Revue“ leitete. Rádl war einer der Gründer der Tschechoslowakischen Liga für Menschenrechte und deren erster Vorsitzender. Zu den bekannten Anwesenden gehörte auch František Žilka, Professor der Theologie und Übersetzer aus dem Altgriechischen. Die prominenteste Persönlichkeit war aber Dietrich Bonhoeffer.
Erwähnen sollte man auch, dass in Wagendrüssel von 1907 bis 1939 der evangelische Pfarrer Eugen Gura (30. November 1872 Wagendrüssel – 12. April 1953 Neuendettelsau, Deutschland) tätig war. Man kann annehmen, dass er auch an den Vorbereitungen und an der Konferenz der protestantischen Jugend in seiner Filiale in Bad Schwarzenberg teilgenommen hat.
Prophetische Worte
Berühmt waren Bonhoeffers Predigten. Der Situation im damaligen Deutschland widmete er im April 1938 folgende Sätze: „Da tritt ein großer Schmerz, ein schwerer Verzicht in unser Leben, ein großer Verlust, Krankheit, Tod. Warum hat Gott das zugelassen? Warum, ja warum? Das ist die große Frage des Unglaubens, die unseren Glauben ersticken will.“ Diese Worte Bonhoeffers könnten auf jede Krise passen. Auch auf die aktuellen Krisen unserer Zeiten.
Ondrej Pöss