Die Geschichte des 1. Mai
Ob Sviatok práce, International Workers‘ Day, Dag van de Arbeid oder Festa dei lavoratori – der Tag der Arbeit wird international gefeiert. Doch dieser Tag hat je nachdem, wo man lebt, andere Konnotationen und wird sehr unterschiedlich begangen. Doch woher kommt dieser Feiertag eigentlich?
Dafür muss man ganze 135 Jahre in die Vergangenheit zurück und auf einen anderen Kontinent blicken. 1886 waren die USA mitten in der zweiten industriellen Revolution und wie auch in weiten Teilen Europas gab es noch keine Reglungen zum Schutz der Arbeiter*innen. Die Menschen in den Fabriken arbeiteten manchmal 10 bis 16 Stunden am Tag und bedienten dabei oft gefährliche Maschinen, an denen regelmäßig Unfälle passierten, was meist zu der Entlassung der teils Schwerverletzten führte. Um diesem Elend etwas entgegenzusetzen, schlossen sich viele der Arbeiter*innen zu Gewerkschaften zusammen, um gemeinsam für bessere Bedingungen zu kämpfen. Daher plante die Federation of Organized Trades and Labor Unions (Verband der organisierten Gewerkschaften) massenhafte Streiks und das Verlassen der Fabriken.
Hierzu wurde am 1. Mai 1886 geplant, dass die Arbeiter*innen nach acht Stunden getaner Arbeit eine Pfeife blasen und die Fabrik verlassen würden. Auf diese Weise streikten am 1. Mai 1886 zwischen 300.000 und 500.000 Arbeiter*innen für die Einführung des Acht-Stunden-Tages. Zwei Tage später wollten die Fabrikanten die Streiks brechen. Sie ließen die Polizei aufmarschieren und nicht gewerkschaftlich organisierte Streikbrecher in die Fabriken bringen. Als die Gewerkschaftsarbeiter Reihen bildeten, um dies zu unterbinden, schoss die Polizei in die Menge und ermordete sechs der Arbeiter*innen.
Der Versuch eines friedlichen Widerstandes
Trotz des Versuches die Bewegung für den Acht-Stunden-Tag zu zerschlagen, wurde für den nächsten Tag, den 4. Mai, zu einer erneuten Demonstration am Haymarket aufgerufen. Während einige Aktivisten zur Bewaffnung der Arbeiter*innen und Rache an der Polizei aufrufen wollten, überzeugte der Hauptredner der Demonstration, August Spies, seine Mitstreiter, die geplanten Flugblätter nicht zu verteilen. Er trat für den friedlichen Widerstand gegen die Unterdrückung der Arbeiter*innen ein, doch obwohl er die Menschen darauf drängte sich nicht zu bewaffnen, warf jemand aus der Menge eine Dynamitbombe auf die Polizei, als diese die Demonstration aufzulösen versuchte. Die Situation eskalierte und kostete 11 Menschen das Leben, um die 130 wurden verletzt und über 100 der Demonstranten wurden festgenommen. Die Polizei nutzte diesen Anlass, um die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung noch stärker als zuvor zu kriminalisieren.
Viele Menschen wurden in der folgenden Suche nach dem Bombenwerfer festgenommen. Unter anderem wurde auch August Spies, der Hauptredner, der die Menge immer wieder dazu aufgerufen hatte, friedlich zu bleiben, festgenommen und mit sechs weiteren Männern angeklagt, für den Angriff auf die Polizei verantwortlich zu sein. Allerdings konnten keine Beweise gefunden werden, die die Angeklagten belasteten. Einige der sieben Männer waren bei der Haymarket-Demonstration noch nicht einmal anwesend gewesen. Dennoch wurden sie in einem Schauprozess ohne jegliche Beweise für ihre Schuld zum Tode verurteilt. Einer der Angeklagten beging daraufhin in seiner Zelle Selbstmord. Später begnadigte der Gouverneur zwar alle Angeklagten, dies kam allerdings sechs Jahre zu spät, sodass nur zwei der Angeklagten freikamen, da ihre Strafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt worden war. Die anderen vier Männer wurden am 11. November 1887 gehängt.
Erneute Demonstrationen
Trotz dieses Rückschlags rief die Federation of Organized Trades and Labor Unions im nächsten Jahr wieder zu Demonstrationen für den Acht-Stunden-Tag auf und wählte dazu in Erinnerung an die Opfer der Haymarket-Demonstration den 1. Mai. Die Hinrichtung hatte auch international für Aufruhe gesorgt und so wurden in verschiedenen Ländern der Welt an diesem Tag Demonstrationen veranstaltet, die an die Opfer erinnern sollten. Daraufhin wurde am 1. Mai 1890 der erste internationale Arbeitertag ausgerufen.
Im Laufe seiner Geschichte wurde dieser Tag von verschiedenen Kräften missbraucht. So nutzten die deutschen Faschisten ihn, um ihre menschenverachtende Propaganda zu verbreiten und gleichzeitig die Gewerkschaften zu verbieten, die den internationalen Arbeitertag erkämpft hatten. Auch in den Staaten des ehemaligen Ostblocks wurde der Tag zu einer erzwungenen Parade der Ja-Sager und entzog ihm damit jegliches kritische Potenzial.
Der Tag der Arbeit heute
Heute hat der 1. Mai für viele Menschen seine politische Bedeutung verloren und er wird vielmehr als Möglichkeit für individuelle Freizeitgestaltung gesehen. Doch trotz der bewegten Geschichte dieses Tages bietet er die Möglichkeit, sich die Errungenschaften des Acht-Stunden-Tages vor Augen zu führen. Diese Errungenschaft kommt uns heute vielleicht selbstverständlich vor, doch sie ist das Resultat eines langen und auch blutigen Kampfes und leider ist auch diese Errungenschaft wieder in Gefahr, wenn Gesetze sie aushöhlen oder Unternehmen sie umgehen wie bei vielen Lieferdiensten. Es wäre also Zeit, sich wieder an das politische Erbe dieses Tages zu erinnern und sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.
Max Rößler