Ein einfacher Mensch

Ein einfacher Mensch – Kapitel 3 von 4

Diese Geschichte stammt von Emma Horvat, einer 13-jährigen Schülerin der Deutschen Schule Bratislava/Preßburg. Sie ist im Schreib-Café entstanden, einem Online-Projekt zum Kreativen Schreiben des Karpatendeutschen Vereins und des Instituts für Auslandsbeziehungen. Wir veröffentlichen sie als Fortsetzungsgeschichte in vier Teilen.

Sie wachte in der Nacht auf. Verwirrt versuchte sie zu entkommen, aber nachdem sie ihre Umgebung um sich herum wahrgenommen hatte und ich ihr versicherte, ich sei kein Monster und würde ihr nichts antun, entspannte sie sich ein bisschen. Sie sei hungrig und ich stellte ihr meinen gekochten Amaranth zur Verfügung. Ihre grün-blauen Augen leuchteten, als sie das Essen sah und sie aß es mit Vergnügen. Sie war wunderschön, aber sagen konnte ich es ihr nie. Nicht einmal später. Niemals habe ich ihr gesagt, sie sei fast so schön wie ich. Niemals. „Wer bist du?“ fragte sie mich. Meine Antwort wäre normalerweise gewesen: Ich bin ein Wesen, das ein Mensch war und die einfache Gestalt dieses Menschen verlassen hat. Ich bin die, die allein auskommt und niemanden braucht. Ich bin die, die Magie in ihrer wahren Form sehen kann, ohne dass sie mich blendet, ohne dass ich mich vor ihr fürchten muss.“ Doch dies wäre zu kompliziert für einen einfachen Menschen wie sie, also antworte ich ihr einfach, so, wie es Menschen gefällt. Einfach. „Ich bin ich.“ Das Mädchen schaute mich an, als ob sie wüsste, dass es eine Lüge war, aber sie sprach nicht weiter.

Das Mädchen wuchs mir schnell ans Herz. Sie war nett, interessierte sich wirklich für mich und hörte zu. Das war das erste Mal seit langem, dass ich sprechen konnte, dass mich wirklich jemand hörte. Noch nie war mir jemand so wichtig, wie sie es war. Ihr Lachen war Musik für meine Ohren und das erste Mal seit Jahren hatte ich einen Grund, endlich wieder Beeren pflücken zu gehen. Meine Kleider waren ihr zu klein und deshalb verbrachte ich Nächte damit, neue für sie zu nähen. Ich brachte ihr bei, sich selber welche zu nähen. Ich versicherte ihr, ihre Werke sähen gut aus, obwohl sie wie Kartoffelsäcke aussahen. Ich zeigte ihr mein Leben – das Leben, das ich in dieser Welt führte und langsam lernte sie, wie die Magie dieser Welt funktionierte. Ich liebte sie, so, wie ich niemanden jemals geliebt hatte.

Und als ich dachte, alles sei in Ordnung und sie würde mit mir für den Rest unserer Leben bleiben, fragte sie mich etwas: „Wie könnte ich nach Hause gehen?“ Das Enttäuschen in meinen Augen versuchte ich zu verstecken. Ich weiß nicht, ob es mir gelang. „Warum willst du nach Hause?“ „Weil es mein Zuhause ist.“ „Dies kann dein neues Zuhause sein.“ Sie schüttelte den Kopf und erklärte mir, dass dies nicht die Realität ist. Dies sei nicht das, was ein Mensch brauche, dies sei nicht das, was sie wolle. Stille herrschte im Haus und ihr Blick war auf mich gerichtet. „Menschen sind zu einfach, um in einer Welt wie dieser zu Leben. Geh, geh zurück und finde dein Glück, du einfacher Mensch.“ „Ich bin kein einfacher Mensch, sonst wäre ich nicht hier.“ „Du willst nicht hier bleiben.“ „Nein, will ich nicht.“ „In deiner Welt gibt es nur einfache Menschen. Dies bedeutet, du bist auch ein einfacher Mensch.“ „Du kommst auch aus meiner Welt.“ „Ich bin kein einfacher Mensch.“ „Du warst es einmal.“ „Ich war nie ein einfacher Mensch. Menschen sind einfach. Ich war niemals einfach.“ Sie zückte ihre Augenbraue nach oben und ich sah ihr wieder in die Augen. Augen so rein wie ein Fluss, wie der Himmel, wie die Augen eines Engels, Augen, die ich nie verlieren wollen würde. Und sie wollte hier weg, wie konnte sie es wagen?!