Ein feierliches Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Der „Goldene Oktober“ war wieder da! „Schön sind die Wälder im Herbst, wenn die Blätter auf den Bäumen mit Ocker gefärbt sind.“ Die bunte Natur und ein schöner sonniger Tag dazu! Die Frauen von unserem Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom haben an einem so schönen Herbst-Nachmittag einen Spaziergang genossen und sich dann bei guten Büchern und gefühlvollen Gedichten getroffen.
Für unser Treffen hatten wir aus dem „Literaturkalender 2022“ das Gedicht „Offene Wasser“ ausgewählt. Eine stimmungsvolle Fotografie hat uns „Freie Wogen, starke Wellen“ ganz nahe gebracht. Dieses Gedicht hat Bjørnstjerne Bjørnson geschrieben. Er ist 1832 im norwegischen Kvikne geboren und starb 1910 in Paris in Frankreich. Bjørnstjerne Bjørnson war Schriftsteller, Essayist und Journalist. Er hat auch selbst ein paar Zeitschriften herausgegeben. Sein literarisches Werk ist umfangreich – er schrieb Poesie, Prosa, Drama. Von ihm stammt auch der Text für die norwegische Nationalhymne. Für seine „Bauernerzählungen“ hat er im Jahr 1903 sogar den Nobelpreis für Literatur erhalten. Der Sohn eines Pfarrers studierte in Christiania. Neben Literatur interessierte er sich ebenfalls für das Theater und so war er auch Nachfolger von Henrik Ibsens als Theaterdirektor in Bergen und Oslo. Wir lasen bei unserem literarischen Treffen die Erzählung „Ein lustiger Junge“ und erinnerten uns so an seinen 190. Geburtstag.
Schriftstellerin und Naturschützerin
Auch in der slowakischen Zeitschrift „Slovenka“ sind wir auf Bjørnstjerne Bjørnson gestoßen. Wir haben dort gelesen, dass die österreichische Schriftstellerin, Publizistin und Naturschützerin Klara Köttner-Benigni (*1928 in Wien, † 2015 in Eisenstadt) am 1. Januar 1996 die Bjørnstjerne-Bjørnson-Ehrenmedaille der Slowakischen Republik erhalten hat. Sie ist bisher die einzige Trägerin dieser Auszeichnung in Österreich. Sie wird an Ausländer vergeben, die sich in besonderer Weise für die Slowakei eingesetzt haben. Klara Köttner-Benigni hat eine Anthologie der Poesie aus der Slowakei zusammengestellt. Wir haben ihr zu der Auszeichnung gratuliert und ihr damit eine große Freude gemacht. Im August 2007 bekamen wir einen netten Brief von ihr, in dem sie schreibt: „Es ist erfreulich, dass es bei Ihnen ein ‚Literaturkränzchen‘ gibt! Das erinnert mich in liebenswürdiger Weise an die seinerzeitigen wichtigen Kreise, die sich um verdiente Literaten geschart haben. Auch in Anbetracht dessen, dass so wenig gelesen wird, vor allem so wenig von Bedeutung, ist das besonders wichtig. Einsiedel an der Göllnitz ist mir aus dem Karpatenblatt ein Begriff.“ Ein paar Tage später bekamen wir zwei Päckchen mit Büchern – für die Frauen und für die Bücherei im Haus der Begegnung.
Klara Köttner-Benigni engagierte sich aber auch gesellschaftlich. Sie war Anfang der 1970er Jahre eine zentrale Figur im Widerstand gegen eine Brücke, die über den Neusiedler See gebaut werden sollte. Wir haben bei unserem Literaturkränzchen aus ihrem Gedichtband „Nichts, in das ich Zeichen setze“ (Bergland Verlag, Wien 1976) das Gedicht „Am Neusiedler See“ gelesen.
„Am Neusiedler See“
Wie die Segel sich füllten
wie die weißen Flügel uns trugen
weiter
o weiter –
Wie die Segel dem Wind gehören
so gehöre ich dir
Nobelpreisträger Thomas Mann
An diesem Nachmittag haben wir uns auch Thomas Mann gewidmet (*1875 in Lübeck, geboren. †1955 in Zürich). Thomas Mann war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Im Jahre 1929 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
In der SWR-Fernsehsendung „Ich trage einen großen Namen“ war vor kurzem Dr. Dr. Stefan Mann, der Ur-Enkel von Thomas Mann, zu Gast. Es war ein interessantes Gespräch, wo man viel über die bekannte Familie erfahren konnte. Wir haben für unser Literaturkränzchen diesmal den ersten Band der Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ besprochen. Dabei handelt es sich um das umfangreichste Romanwerk von Thomas Mann. Inspiriert durch eine Palästinareise im Jahr 1925 begann der Autor 1926 in München mit dessen Niederschrift. Abgeschlossen wurde der Roman 1943 im kalifornischen Exil. Eine Anregung für das Werk fand Thomas Mann in Johann Wolfgang Goethes autobiografischer Schrift „Dichtung und Wahrheit“.
Die Geschichte des Bleistifts
Auf unserem Programm stand dieses Mal auch der Schriftsteller Peter Handke (*1942 in Griffen, Kärnten). 2019 bekam er den Nobelpreis für Literatur. Damals haben wir seine Erzählung „Kindergeschichte“ thematisiert. Dieses Jahr war der 80. Geburtstag des Autors für uns ein Anlass dafür, über seine „Geschichte des Bleistifts“ zu sprechen. Uns liegt die 5. Auflage vor, die 2019 im Residenz Verlag Salzburg und Wien herauskam. „In dieses Buch kann man hineingehen wie in ein adernreiches Bergwerk“, heißt es in einer Rezension. Das Werk enthält Aufzeichnungen, die Peter Handke in den Jahren 1976 bis 1980 gemacht hat.
Zum Feiern haben wir diesmal auch das Karpatenblatt ausgewählt, denn jede Ausgabe bringt uns etwas Neues zum Lesen – schon ganze 30 Jahre. Dafür danken wir. Besonders dankbar sind wir der Redaktion des Karpatenblattes für die Ablenkung in Zeiten der Pandemie 2020. Das Quiz und die Rätselzeit mit dem Karpatenblatt – es war für uns eine Freude, auf die gestellten Fragen zu antworten. Wir haben dabei viel Interessantes erfahren. Bei unserem Literaturkränzchen haben wir auch ein paar Fragen von dem Quiz dabei gehabt. Zum Abschluss haben wir gemeinsam „Kein schöner Land in dieser Zeit“ gesungen.
Ilse Stupák