Räubergeschichte

Karpatendeutsche Sagen und Märchen: Eine Räubergeschichte

Eine verwitwete Frau hatte eine Tochter, die heiraten sollte. Einmal hörte die Witwe, dass es in Einsiedel billig eine Aussteuer zu kaufen gab, also machte sie sich zu Fuß auf den Weg. Als sie in der Nähe vom Räuberstein Richtung Einsiedel war, begegnete ihr ein starker Mann, der bewaffnet war. Als sie ihn erblickte, bekam sie es mit der Angst zu tun.

Der starke Mann sprach sie freundlich an und erkundigte sich, wohin sie so sehr eilte. Die Frau fing an, ihre Geschichte zu erzählen. Sie erzählte ihm, dass sie eine arme Witwe sei und mit dem mühsam ersparten Kreuzern für ihre Tochter eine Aussteuer kaufen gehe. Der starke Mann sagte zu ihr: „Gute Frau, dir kann geholfen werden! Du musst dir nur die Augen verbinden lassen, dann führe ich dich zu einem Ort, wo du die Aussteuer für deine Tochter aussuchen kannst.“

Die Frau merkte, dass dieser Mann ein Räuber war, ging aber trotzdem mit ihm mit. Er führte sie kreuz und quer durch den Wald, über einen Bach und eine lange Wiese. Plötzlich blieben sie stehen und der Mann nahm ihr die Binde ab. Die Frau schaute sich um und merkte, dass der Mann sie in eine Höhle geführt hatte. Als sie sich besser umschaute, sah sie, dass in der Höhle noch andere Räuber waren und überall schöne Waren gestapelt waren.

Als ihr alles bewusst wurde, wurde sie vor Freude fast ohnmächtig. Der Räuber sagte ihr, dass sie sich so viele Stoffe in ihr Tragetuch stecken könne, wie sie nur tragen könne. Die Frau freute sich über die schönen Sachen, aber dann wurde ihr bewusst, dass sie nicht so viel Geld hatte, um alles zu bezahlen und wurde traurig. Die Räuber beruhigten die Frau mit den Worten, sie brauche die Aussteuer nicht zu bezahlen, sie müsste die Männer aber zur Hochzeit einladen und als Verwandte aus einer fernen Gegend vorstellen.

An dem lang erwarteten Hochzeitstag kamen die Räuber als arme Verwandte aus einer fernen Gegend. Nur einen Laib Brot brachten sie als Geschenk mit. Sie entschuldigten sich bei den Gästen und erklärten, sie seien arm und brächten deshalb nur ein kleines Geschenk mit. Das Brot übergaben sie dem Bräutigam und baten ihn, es erst am nächsten Tag anzuschneiden. Die Räuber feierten die Hochzeit bis zum Schluss mit, verabschiedeten sich und gingen fort. Am nächsten Tag, als das Brautpaar mit der Mutter alleine war, schnitten sie das Brot an. Erst nach dem Aufschneiden des Brotes kam das wahre Hochzeitsgeschenk zum Vorschein. Etliche hochwertige Goldmünzen fielen aus dem Brot heraus und glitzerten in der Sonne. So bereiteten die Räuber mit ihrem Geschenk dem frisch verheirateten Brautpaar einen leichten Einstieg in ihr künftiges Leben.

(nach dem Original von Felix Tohol)

Anna Fábová