Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Wir haben den Pfingstmontag, den 1. Juni 2020, ausgewählt, um schöne Gedichte zu lesen und über gute Bücher zu sprechen. Das Literaturkränzchen fand statt, aber unter etwas anderen Bedingungen als sonst: Wir trugen alle Mundschutz. Den Frauen hat es trotzdem gefallen und wir haben das gemütliche Beisammensein genossen.
Am 23. April 2020 haben die Fernsehsender ARD und ZDF dem „Welttag des Buches“ viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. An diesem Tag haben die Buchhandlungen in Deutschland wieder öffnen können. Gefreut haben sich die Buchhändler und die Kunden, die sich wieder selbst ihre Bücher kaufen können. Mit Dankbarkeit wurde darüber gesprochen, dass die Buchhändler die Bücher bis zur Haustür gebracht haben, mit der Begründung: „Dass sie sich so die Corona-Zeit mit Lesen verschönern können.“ Da passt auch das Motto dieses Tages: Literatur ist ein Kraftspender.
Die Buchhandlung Roth in Offenburg hat auch in der Corona-Zeit jeden Montag das „Gedicht der Woche“ für die Leser im Internet veröffentlicht. Für die Woche vom 25. bis 30. Mai war es das „Mailied“ von Ludwig Ch. H. Hölty (geboren 1748 in Mariensee, gestorben 1776 in Hannover). Es ist in dem Gedichtband „Und wie schön ist noch die Welt“ enthalten. Dieses Gedicht lasen wir. Jeder Kunde der erwähnten Buchhandlung bekommt so ein Gedicht zum Mitnehmen. Über dieses kleine Geschenk freuen sich alle Leser. Wir haben uns inspirieren lassen und so haben auch die Frauen vom Literaturkränzchen etwas zum Mitnehmen bekommen. Diesmal war es das, was wir zum „Welttag des Buches“ gesagt haben.
Bonhoeffer und das Kriegsende
Der 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges hat uns zu Dietrich Bonhoeffer gebracht. Geboren ist er am 4. Februar 1906 in Breslau. Er war Theologe, Vertreter der Bekennenden Kirche und am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Mit 24 Jahren habilitiert, wurde Dietrich Bonhoeffer nach Auslandsaufenthalten Privatdozent für Evangelische Theologie in Berlin. Ab 1935 leitete er das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde, das, später illegal, bis 1940 bestand. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet und zwei Jahre später, am 9. April 1945, im Konzentrationslager in Flossenbürg umgebracht. Mit seinem christlich geprägten Gedicht „Ich glaube“ haben wir uns an seinen 75. Todestag erinnert.
Volksschriftstellerin Kristina Roy
An diesem Nachmittag haben wir auch über Kristina Roy (1860-1936) gesprochen. Die beliebte, christlich geprägte Volksschriftstellerin, kennen wir schon gut, aber das war nicht immer so, denn eine Zeit lang wurde über sie nicht gesprochen. In der Bücherei im Haus der Begegnung haben wir zehn Bücher von Kristina Roy in Deutsch entdeckt. Wir haben ihre slowakischen Bücher zu Hause, aber über ihr Leben, die Arbeit und das Schreiben wussten wir wenig.
Da hat uns unser ehemaliger Herr Pfarrer Michal Hreško geholfen. Nach unserem Anruf bei seiner Tochter hat er gleich an diesem Nachmittag zwei Büchlein über Kristina Roy geschickt. So konnten wir über sie und über ihre schönen und gefühlvollen Romane sprechen. Für dieses Mal haben wir das Buch „Heimgefunden“ ausgewählt. Da haben wir erfahren, wie sich die Nachbarn in dem kleinen slowakischen Dorf Zorovce gegenseitig geholfen haben. Schön ist beschrieben, wie die Frauen gemeinsam an der Waag/Váh, Wäsche gewaschen haben. Auf der achten Seite des Buches steht: „Was dem Menschen bestimmt ist, das entgeht ihm nicht.“ Und so kam es, dass „am Dienstag nach Pfingsten in dem mit Maien geschmückten Kirchlein die Hochzeit von Hannchen Jankovitsch und Stefko Uher stattgefunden hat.“ So haben wir uns an den 160. Geburtstag von Kristina Roy erinnert.
„Die Literatur ist immer ein Trost“
Der deutsche Lyriker Thilo Krause aus Zürich hat im Internet den Artikel über unser Literaturkränzchen gelesen, der im April-Heft des Karpatenblattes erschienen ist. „Die Literatur ist immer ein Trost“, schrieb Thilo Krause am 30. März 2020. Gerade in dieser schweren Zeit kommen gute Gedichte zur Hilfe!
Er hat uns auf den Schweizer Dichter Philippe Jaccottet aufmerksam gemacht. „Ich denke, seine Lyrik könnte Ihnen auch gefallen“, empfahl er uns. Außerdem hat er uns das Gedicht „Blumen“ aus dem Gedichtband „Die wenigen Geräusche“, der dieses Jahr in München erschien, geschickt. Wir haben es bei unserem Literaturkränzchen gelesen.
Geschichten aus der Zips
Die „ZIPSER TRILOGIE Potoken und Mantaken dazähln“ ist eine gute Hilfe. Es ist dort viel Interessantes, worüber die alten Einsiedler immer wieder gesprochen haben. Gut, dass es jetzt aufgeschrieben ist, so bleibt es für die nächsten Generationen erhalten. „Das Stadujkal von Einsiedel“ hat Herr Ladislaus Müller im Jahr 1998 aufgeschrieben. Wir haben die Erzählung gelesen und darüber gesprochen. In der Trilogie steht dazu: „In der Geschichte der Menschheit gibt es viele Propheten, Wahrsager, Wichtigtuer und gefährliche Verführer leichtgläubiger Menschen. In Einsiedel lebte aber vor vielen Jahren ein Mensch, dessen Voraussagen Wirklichkeit geworden sind. Von allen Leuten wurde dieser Prophet Stadujkal genannt.“
Digitale Aufmunterung
Unsere Karpatenblatt-Redaktion hat uns Älteren die Corona-Zeit etwas leichter gemacht. Es hat genügt, auf www.karpatenblatt.sk zu schauen. Eine nette Überraschung war das erste Quiz, ein paar Tage später das nächste. Bei jeder Frage sind drei Möglichkeiten und es war schön, die richtige Antwort zu finden. An unserem Nachmittag haben wir das Quiz: „Kennen Sie den KDV?“ und „Sprechen Sie Mantakisch?“ ausgewählt und mit den Frauen gemeinsam die Fragen beantwortet.
Die erste Erzählzeit-Folge im Podcast Karpatenfunk wurde am 23. April 2020 veröffentlicht. Zum Vertonen war die Erzählung „Das Grützweib Suslein aus Einsiedel und der Bär“ aus der „ZIPSER TRILOGIE Potoken und Mantaken dazähln“ ausgewählt. Aufgeschrieben hat sie Herr Ladislaus Müller im Jahre 1998. Die Vertonung hörten wir uns gemeinsam an. So haben wir feierlich das 21. Lesejahr eröffnet.
Ilse Stupák