Mit Kindern die Gegenwart und Zukunft gestalten
Kinder wollen selbstwirksam tätig sein, im sozialen Miteinander die Welt mitgestalten und die Lebendigkeit der Demokratie pflegen. Darauf macht uns der Beitrag im Onlineportal des Karpatenblattes vom 8. Oktober 2024 „Handy weg: Kinder gestalten die Zukunft der Kommunikation“ aufmerksam, den wir dem Künstler Helmut Bistika und der Redaktion des Karpatenblattes verdanken. Der Beitrag motiviert mich zu weiteren Gedanken.
Der Künstler und Kunstpädagoge Helmut Bistika hat in zahlreichen Projekten gezeigt, wie Erziehung gelingen kann: Er hebt die Bedeutung des freien Gestaltens für das gemeinsame Leben, insbesondere für die Erhaltung der deutschen Sprache in seiner Heimatstadt Metzenseifen/Medzev hervor. Ihm geht es um ein freies Kommunizieren, das die modernen Medien verhindern. Die Kinder wurden zum eigenen schöpferischen Gestalten ermutigt, „durch Malen, Basteln und szenisches Darstellen die Zukunft der Kommunikation neu zu denken, zu gestalten und zu erleben“.
Das Kind will selbstwirksam tätig sein
Jedes Kind will aus eigener Kraft seine Lebenswelt erfahren und gestalten. Sein veranlagtes ursprüngliches Bedürfnis ist in der hochtechnisierten und durchmediatisierten Welt gefragter denn je.
Seinem Ur-Bedürfnis ist in naturnahen Erlebnis- und Handlungsfeldern zu entsprechen. Das Kind kann in naturnahen und bewegungserfüllten Lebenszusammenhängen seine Alltagserfahrungen machen und ordnen und auf diese Weise seine persönliche Identität aus eigener Kraft aufbauen. Ihm ist durch hilfreiches Unterstützen (Begleiten und Leiten) ein selbstaktives individuelles Gestalten seiner erlebten Welt zu ermöglichen.
Es geht also nicht um das Kind als ein abzurichtendes Objekt, sondern um das sich bildende Kind, um das Auseinandersetzen der pädagogischen Fachkraft mit sich selbst, mit ihrer Praxis im Hinblick auf das einmalige und einzigartige Kind. Bei dieser Selbsterziehung der pädagogischen Fachkraft ist nicht der abstrakte Begriff gefragt, der bei näherem Hinsehen eine Reduktion der Wirklichkeit ist und auf die Materialisierung des Menschen hinausläuft. Vielmehr geht es um ein intuitives und vertrauenswürdiges Verstehen des Kindes vom eigenen Standpunkt aus und vom Standpunkt des Kindes.
Durch dieses dialogische Verstehen, das die eigene Perspektive und die Perspektive des Kindes in einem wechselseitigen Prozess wahrnimmt, entwickelt sich ein selbstreflexives und schöpferisches pädagogisches Nach- und Weiterdenken – in einem offenen persönlichen Erfahrungsprozess. Das ist keine Rückkehr zu einem unwissenschaftlichen Denken, wie oft gemeint wird. Vielmehr soll das Erfahrene der pädagogischen Fachkraft als weitere Erfahrungskenntnis dienen.
Das Kind will im sozialen Miteinander seine Welt mitgestalten
Versuchen wir die Entwicklung eines Kindes auf der Grundlage der mir bekannten Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften auf den Punkt zu bringen, dann können wir sagen: Jedes Kind wächst von Beginn an in die sozialen Regeln seiner Mitwelt hinein, lernt diese immer besser zu verstehen und einzuhalten, ebenso gestaltet es diese aus eigener Initiative mit, sofern seinem Bedürfnis nach Resonanz, nach einfühlender Antwort, nach Anerkennung und Achtung seiner individuellen Entwicklung entsprochen wird. Hier gestaltet es im sozialen Miteinander seine Entwicklung und die Entwicklung seiner Mitwelt mit.
Fazit: Die Lebendigkeit der Demokratie ist zu pflegen
Unsere Demokratie wird von einem maßlosen Gewinnstreben getrieben. Die Menschen sollen wie eine Maschine funktionieren. Dadurch erwerben sie brauchbare und gewinnbringende Fähigkeiten und ihre Emotionalität, Fantasie und Kreativität sowie ihr selbstkritisches kreatives Denken bleiben auf der Strecke.
Ihr fehlendes Mitgefühl kann sich zu einer unheilvollen Dynamik des Machens und Herstellens entwickeln. Und diese Dynamik schreitet fort, produziert Ängste und bedroht die Lebendigkeit der Demokratie. Notwendig ist eine Überwindung der lähmenden Angst und ihre Wandlung zur Grundkompetenz der Liebe, das Spiel als Lebensgrundform ermöglicht.
Diese humane Kompetenz beinhaltet: Sich um das Leben anderer Menschen kümmern und sich für andere Menschen verantwortlich fühlen sowie die Welt aus der Sicht anderer Menschen wahrnehmen, insbesondere für jene Menschen, die in der Gesellschaft als weniger wertvoll, als bloße Objekte hingestellt werden.
Prof. Dr. Ferdinand Klein