Zips

„So wahr mir Gott helfe“

„Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein!“ Diese Losung verbreiteten die kommunistischen Herrscher der DDR in den 1960er Jahren, als ein sehr nasses Jahr damals die Ernte zu vernichten drohte. Entgegen der in der DDR-Verfassung garantierten Glaubensfreiheit wurden die Christen in vielfältiger Weise unterdrückt.

In der Bundesrepublik dagegen stimmten Verfassung und Verfassungswirklichkeit stets überein. In der Präambel gibt es sogar einen Gottesbezug. Der grundgesetzlich festgelegte Amtseid (Art.56 und 64) für den Bundespräsidenten, Bundeskanzler und die Bundesminister enthält den freiwilligen Zusatz „So wahr mir Gott helfe“. Allerdings wird immer mehr darauf verzichtet. Das entspricht der allgemeinen Entwicklung in Deutschland. Kirchenaustritte steigen stetig an. Die Gotteshäuser leeren sich. Die Liste umgewidmeter Kirchenbauten wird immer länger.

Ganz anders in der mittelalterlichen Zips

Die hart arbeitenden Menschen waren fromm und gottesfürchtig. Der Besuch der Gottesdienste war selbstverständlich. Die Ratsherren und Stadtrichter der Zipser Städte bekräftigten ihren Amtseid mit einem „SO WAHR MIR GOTT HELFE UND SEIN HEILIGES WORT“, und somit leisteten sie ihren Eid auch auf die Bibel. Gerechtigkeit war ihr oberster Grundsatz: „ÜBT GERECHTIGKEIT IHR REGENTEN AUF ERDEN“. Im wunderschönen ursprünglich gotischen Leutschauer Rathaus finden wir diese Texte auf einem Gemälde, das eine Vereidigungszeremonie darstellt. Auf dem Tisch liegen zwei Bücher, vermutlich ein Gesetzbuch und die Heilige Schrift. Das Schwert symbolisiert offenbar das Recht der Stadt, auch die Todesstrafe zu verhängen, das sogenannte Schwertrecht. Ein Recht, das eine ganz besondere Verantwortung darstellte.

Amtseid Zips
Dieses Gemälde im Leutschauer Rathaus zeigt eine Vereidigungszeremonie.

Wie ernst der Amtseid damals genommen wurde, geht auch aus einer Eintragung im Göllnitzer Stadtbuch hervor (Anno 1593, Seite 37). Dort wurde nämlich festgelegt, dass die ausscheidenden Amtsträger mit folgendem, in heutiges Deutsch übertragenen Text von ihrem Eid entbunden werden mussten: „Wir danken Dir, allmächtiger, ewiger Gott, dass Du uns gesund erhalten hast und uns in unserem Amte begleitet hast. Sollten wir Unrecht getan haben, dann bitten wir, uns das zu vergeben. Den Eid, den wir gesprochen und geschworen haben, geben wir wieder in Deine Hände und bitten Dich, ihn von uns armen Sündern zurückzunehmen. Unseren Amtsnachfolgern wünschen wir viel Erfolg zum Nutzen unserer Stadt, so dass Du ewiger Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist ein Wohlgefallen daran haben wirst.“

Der Sachsenspiegel als Grundlage

Grundlage für die Rechtsprechung damals war das Magdeburger Stadtrecht, niedergeschrieben im bedeutendsten mittelalterlichen Rechtsbuch, dem Sachsenspiegel. Er enthielt die zivil- und strafrechtlichen Gewohnheitsrechte und fand von Sachsen aus den Weg bis nach Weißrussland und in die Ukraine. In der Zips wendeten neben Leutschau auch Kesmark, Göllnitz, Zipser Bela und Zipser Neudorf diese Rechtsvorschriften an, ebenso Kaschau, Bartfeld und Eperies. Ein Exemplar des Sachsenspiegels ist im Leutschauer Rathaus ausgestellt.

So wahr mir Gott helfe
Der „Sachsenspiegel“, das bedeutendste Rechtsbuch des Mittelalters, ausgestellt im Leutschauer Rathaus.

In Bezug auf Gläubigkeit und Gerechtigkeit kann man also nicht vom „finsteren Mittelalter“ sprechen. Auch hinsichtlich von Kriegen und Grausamkeiten steht das Mittelalter kaum schlechter da. Es hat zwar einen Massenmörder wie Dschingis Khan hervorgebracht, unter dem auch die Zipser und die Siebenbürger Sachsen viele Menschenleben hingeben mussten. Aber unsere zivilisierte Neuzeit hat da eine Menge mehr zu bieten: Josef Stalin, Adolf Hitler, Pol Pot und neuerdings ist auch Wladimir Putin dabei, sich in diese Verbrecherriege einzureihen.

Um auf die einleitend angesprochene Losung der DDR-Kommunisten zurückzukommen: Der evangelisch-lutherische Pfarrer Oskar Brüsewitz, der sich 1976 in Zeitz, Sachsen-Anhalt, aus Protest gegen die Unterdrückung der Gläubigen in der DDR öffentlich verbrannte, antwortete den Genossen auf einem Plakat: „Ohne Regen, ohne Gott geht die ganze Welt bankrott!“

Text und Fotos: Rudolf Göllner