Blumen und Ostereier

Von der österlichen Zeit bis Pfingsten

Zur Einstimmung auf Ostern veröffentlichen wir einen Text von Helga Blaschke-Pál aus der „ZIPSER TRILOGIE: Potoken und Mantaken dazählen“. Die Autorin verstarb im Jahr 2019 und doch bringt sie uns bis heute immer wieder Erinnerungen an die Zips.

Wenn der Frühling hierzulande seine Boten vorausschickt, längst vor seinem kalendarischen Eintritt, wenn in den gepflegten Gärten der Stadt in barocken Blumenbeeten die ersten Blüten hervorsprießen, suche ich immer nur jene Blumen, die für mich aufs Innigste mit dem österlichen Geschehen verbunden sind: Weiße Hyazinthen.

Grüne Ostern wie hier gab es in Käsmark eigentlich nicht. Wenn ich als Kind Osterkarten sah, mit kleinen Mädchen und Buben, die mit weißen Socken und leicht bekleidet in einen Garten mit grünem Rasen und blühenden Obstbäumen bunte Ostereier suchten, hielt ich das für eine fantasievolle, märchenhafte Darstellung. Bei uns lag oft noch Schnee über allen Regungen des Frühlings.

Die österliche Zeit begann bei uns eigentlich schon mit dem sogenannten „Schwarzen Sonntag“, also dem Passionssonntag. An diesem Tag war in Käsmark, wie man sagte, „Ablass“, es wurde das Kirchweihfest der Kreuzkirche gefeiert.

Aus der Umgebung, den Dörfern und Gemeinden unter der Hohen Tatra kamen die Leute aus diesem Anlass nach Käsmark, wo sie zugleich ihre Osterbeichte verrichteten. In der Nähe der Kirche wurden Verkaufsstände, die sogenannten „Tschater“ (ungarisch Sator) aufgestellt, langgestreckte Tische, auf denen Gestelle, über die Plachen gespannt wurden, befestigt waren, wie dies bei Jahrmärkten zu sehen ist. Die Buben kauften sich da ihre bunten Kugeln und die schillernden Glaskugeln, die hier in größter Auswahl angeboten wurden und die sie ab dieser Zeit daheim, vor dem Haus, auf den Straßen und Gassen zum Kugelspielen verwendeten.

Ein Zeichen für den anbrechenden Frühling.

In diesen Tschatern konnte man auch die verschiedensten Pfeifferl, aus Holz geschnitzte Hirtenpfeifen, Mundharmonikas, Windradl und die entsprechenden Ostergeschenke kaufen. Das beliebteste Zelt war das des Wachsziehers und Lebzelters Karl Hayde, der am Hauptplatz seinen ständigen Verkaufsladen hatte. Was man dort alles, abgesehen von den verschiedensten schönen Kerzen, an Köstlichkeiten und Leckereien erhalten konnte, hatte nicht sobald seinesgleichen. Am begehrtesten waren die nach Zimt und Nelken duftenden und herrlich schmeckenden „Debreziner“. Das war ein Honigteig mit verschiedenen Verzierungen geformt und zu kleinen bis tellergroßen Lebzeltplätzchen gebacken.

Am Palmsonntag kommen alle zusammen

Nach dem „Schwarzen Sonntag“ wurde mit der Osterräumerei begonnen, denn in der Karwoche herrschte schon stiller Ernst. Man besuchte die Gottesdienste und las täglich ein Kapitel aus der Leidensgeschichte. Am Palmsonntag wurden die Palmenweihe – als „Palmzweige“ dienten ausschließlich Palmkatzerl – mit Palmprozession in der Kirche und die Zeremonien, wie in Domkirchen, abgehalten. (Die gotische Kreuzkirche galt als Domkirche und ihr Pfarrer trug den Titel „Domherr“.) Die Tür zwischen der Kreuzkapelle und dem eigentlichen Kircheninnern wurde geschlossen. Nach Wechselgesängen zwischen dem in der Kirche verbliebenen Chor und dem in der Kreuzkapelle versammelten Klerus und nachdem der Priester mit dem Schaft des Kreuzes dreimal an der Tür angeklopft hatte, wurde diese wieder geöffnet (Symbol für die Wiedereröffnung des verschlossenen Paradieses durch den Erlösungstod Christi) und der Klerus zog in die Kirche ein, wo das heilige Amt begann. Dabei wurde die „Passion“ nach Matthäus mit verteilten Rollen gesungen. Der Flügelaltar war mit Beginn der Fastenzeit, dem sogenannten Sonntag „Septuagesima“, geschlossen und stellte mit seinen Bildern die Leidensgeschichte dar.

Ab dem Palmsonntag wurde kein Fleisch mehr gegessen. Am Gründonnerstag gab es allerdings etwas „Fleischiges“ zum obligaten Spinat, und zwar „Dschaben“. Das waren Froschschenkel paniert und ausgebacken. Besonders schmackhaft waren sie, wenn es noch kein frisches grünes Gras gab. Der Gründonnerstaggottesdienst fand damals noch am Vormittag statt. Die Kirche war zum Bersten voll.

An diesem Tag gingen selbst die größten Sünder zum Tisch des Herrn. So wurden die Gefangenen aus dem Bezirksgericht unter der Aufsicht des Herrn Valent mit geschultertem Gewehr in die Kirche geführt, was für die Kinder eine Sensation war. Zum feierlich intonierten „Gloria“ erklangen sämtliche Glocken und Glöckchen zum letzten Mal und wurden von den hölzernen „Kleppern“ (ein kleines Brett mit einem Stil zum Halten und mit einem kleinen zweiseitig beweglichen Hammer, der auf dem Brett anschlägt) bis zur Auferstehungsfeier abgelöst. Statt des Glockengeläutes zu den Tagzeiten und zum Kirchgang zogen die Buben mit diesen Kleppern um die Kirche herum und klepperten gehörig.

Eine Besonderheit am Schluss des Gründonnerstaggottesdienstes bildete die Entblößung der Altäre, wobei der Psalm 21, der messianische Leidenspsalm, gebetet wurde.

Ergreifende Melodien am Karfreitag

Am Karfreitag wurde wieder die „Passion“, diesmal nach dem Evangelisten Johannes, feierlich mit verteilten Rollen mit dem Chor als „Volk“ gesungen. Die Karfreitagsliturgie erhielt durch örtliche Gebräuche besonders einprägsame Akzente, die die Nachbildung der heilsgeschichtlichen Ereignisse durch die Vielgestaltigkeit der Liturgie noch dramatisch unterstrichen. Während der Kreuzverehrung wurden die Improperien (Heilandsklagen) vom Chor in einer einzigartig erschütternden Melodie gesungen, die ich in keiner anderen Stadt und Kirche mehr hörte. Dies bildete geradezu den erlebnismäßigen Höhepunkt. Noch heute habe ich die wehmütige Weise, die an die ergreifende Melodik des „Ave verum“ von Mozart erinnert, in den Ohren: „Popule meus, quid feci tibi?“

Noch stand der Priester am Altar, da zogen Männer mit aufgepflanzten Säbeln in geschnürten schwarzen Monturen mit Goldfranzen und Kappen mit einer schwarzen Feder, ungefähr ein Dutzend, in die Kirche und stellten sich in dem erhöhten Kirchenraum zwischen Kanzel und Sanktuarium zu einem Spalier auf, die heilige Grab-Wache. Dieser Einbruch – wie es mir schien – einer fremden uniformierten Macht in den Gottesdienst stellte für mich den gewaltsamen Eingriff der „Behörde“, der jüdischen Obrigkeit, der Soldaten, der eines römischen Statthalters Pilatus in das Leben Jesu dar. Und sie begleiteten dann die Prozession mit der Monstranz auch zum heiligen Grab und wurden nun zu den Grabwächtern aus der heiligen Schrift.

Kein so prunkvolles, mit vielen bunten Blumen und in allen Farben schillernden Kugeln prächtig geschmücktes heiliges Grab kann mir jenes von daheim ersetzen, das noch immer in meiner Erinnerung weiterlebt. Hier gab es nichts verspielt Buntes. Die unverhüllte Monstranz, umgeben von roten Öllämpchen, mitten in den makellos weißen Hyazinthen – wie ein Symbol für das blütenweiße Linnen im Grabe des Herrn – ihr schwerer Duft in dem Gewölbe, vermischt mit dem Wachsgeruch der brennenden Kerzen, ließ sowohl die Grabeskammer wie auch überirdische Gegenwart erleben. Dieses blendende Weiß vermittelte auch das Empfinden von Ernst und Feierlichkeit. Vor dem schmalen Eingang stand die Grabwache, auf jeder Seite ein Mann, unbeweglich und ohne mit den Wimpern zu zucken.

Die Auferstehungsfeier wurde am Karsamstag um 6 Uhr abends mit mächtigem Orgelklang, dem Alleluja, dem Geläute aller Glocken und der Prozession um die Kirche mit Kerzen, Laternen und Fahnen festlich begangen. Die heilige Grabwache in gleicher Uniform – es ist die alte ungarische Attila-Gala-Uniform, die bis heute beibehalten wurde – jetzt mit weißer Feder auf den Kappen und weißen Handschuhen, gab das Ehrengeleit.

Helga Blaschke-Pál
Schriftstellerin mit karpatendeutschen Wurzeln: Helga Blaschke-Pál

Gutes Essen zum Ostersonntag

Am Ostersonntagmorgen brachte man in einem Körbchen gekochten Schinken, Zunge, Kren, Käse, Eier, Brot, Salz, Wein und Kuchen zum Weihen in die Kirche. Davon wurde als erstes, noch vor dem Frühstück, gegessen. Natürlich brachte uns Kindern der Osterhase ein Osternest mit allerlei bunten Eiern, Piperln und Häschen aus Schokolade. Auf dem festlich geschmückten Ostertisch gab es u. a. das gebackene Osterlamm, einen Kuchen in Lämmchenform, mit Wolle aus gespritztem Zucker und kunstvoll bemalte Ostereier, in die mit einem Messer oder einer Nadel Verzierungen, Blumen, Ornamente, Namen und Sprüche eingeritzt waren.

Wer am Ostersonntagmorgen früh genug aufstand, um den Sonnenaufgang am Auferstehungstag beobachten zu können, konnte die Sonne vor österlicher Freude tanzen sehen.

Der Brauch des Badens

Mündlich oder schriftlich an weibliche Personen vorgetragene Osterwünsche endeten immer mit der Floskel: „ …und viele Bader!“. Das bezog sich auf das „Baden“, einen allgemein verbreiteten Brauch am Ostermontag, der in der Stadt zu einer gesellschaftlichen Begebenheit wurde. Die Herren kamen die Damen, die jungen Burschen die jungen Mädchen und die kleinen Buben die kleinen Mäderl mit Parfüm guter und weniger guter Sorte zu begießen. Die Fläschchen hatten einen eigenen Verschluss, mit dem man die duftende Flüssigkeit auf das Objekt seiner Verehrung versprühen konnte. Die „Bader“ wurden mit guten Sachen, wie Schinken und Eiern, Likören, Wein und feinem Gebäck bewirtet. Die Kinder wurden beschenkt. Auf dem Lande ging dieser Brauch, abgesehen von kleinen Verschiedenheiten, überall in der gleichen Weise vor sich. Mit klarem Wasser, oft kübelweise, wurden die Mädchen am Ostermontag, am Osterdienstag die Burschen begossen.

Wie ein bunter Kranz winden sich die Bräuche unserer alten Heimat um das Zifferblatt des Jahres, ein Kranz, der wie aus Immergrün nie welkt, wenigstens nicht in den Augen der älteren Landsleute, und wie es zu hoffen und zu wünschen wäre, aufblühen möge für die junge Generation.

Helga Blaschke-Pál (1981)

Zur Autorin:
Helga Blaschke-Pál wurde 1926 in Kesmark geboren, wo sie auch das Gymnasium besuchte. Daneben studierte sie Musik und Gesang und maturierte nach dem Krieg am Salzburger Humananistischen Gymnasium. Sie brachte zehn eigene Bücher heraus und leitete über 20 Jahre als Präsidentin die Salzburger Schriftstellervereinigung. Helga Blaschke-Pál wurde mit mehreren Lyrikpreisen ausgezeichnet und erhielt 1998 das „Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst“. 2019 starb sie in Salzburg.