Käsmark oder Kesmark?
Im Blickpunkt von Heimatforschern und Historikern stehen auch geografische Bezeichnungen. Sie untersuchen, wie Flüsse, Berge oder Orte zu ihrem Namen gekommen sind. Nicht immer werden klare Antworten gefunden, wie im Karpatenblatt 3/2023 für die Zips beschrieben wurde. Es gibt aber auch Diskussionen um richtige Schreibweisen. Diese können bei Unsicherheiten über den Ursprung des Namens entstehen. Der deutsche Name der Stadt Kežmarok ist dafür ein besonders interessantes Beispiel.
So stellte Alfred Groß 1942 in der Vereinszeitschrift des Karpathenvereins die Frage „Käsmark oder Kesmark?“ und erklärte auf 16 Seiten seine Antwort für die heute auch im Karpatenblatt verwendete Schreibweise Kesmark.
Rekordverdächtig: 150 Schreibweisen
Die im Jahr 1251 erstmals erwähnte Ansiedlung, aus der Kesmark entstand, wird zu diesem Zeitpunkt als Villa Saxonia, d.h. Sachsendorf, bezeichnet. Die bekannte Kesmarker Historikerin Nora Baráthová, die über 40 Jahre im Museum der Stadt tätig war, berichtet in ihrem Buch „Nad Kežmarkom vietor veje…“ (Über Kesmark weht der Wind…) aus dem Jahr 1990 von ihr bekannten 150 verschiedenen Schreibweisen des Stadtnamens. Sie beginnt im Jahr 1269, in dem nicht mehr Villa Saxonia, sondern der Name der Siedlung bereits in drei Varianten erscheint: Kaszmark, Kesmark und Kismark.
In den folgenden Jahrzehnten gibt es die Schreibweisen Kaysmark (1288) und Kümark (1294). Diese und viele weitere, später dokumentierte sind auch in der Zusammenstellung „Názvy obcí Slovenskej Republiky. Vývin v rokoch 1773-1997“ (Gemeindenamen der Slowakischen Republik. Entwicklung in den Jahren 1773-1997) des Sprachwissenschaftlers Milan Majtáns (1934-2018) aus dem Jahr 1998 zu finden.
Gab es wirklich einen Käsemarkt?
Der Historiker Miroslav Števík widmet der Herkunft des Namens der Stadt fünf Seiten seines Anfang 2022 erschienenen Buches „Putovanie dejinami Spiša II“ (Pilgern durch die Geschichte der Zips II). Er schließt nicht aus, dass ein Käsemarkt in Kesmark bestand und dies der Grund für die Schreibweise Käsmark sein könnte. Auch Nora Baráthová verweist in ihrem Buch auf die vermutete Existenz eines Käsemarktes als Grund für die weite Verbreitung der Schreibweise Käsmark, belässt es aber bei dieser Aussage.
Tatsächlich gibt es für einen Käsemarkt an diesem Ort und zu dieser Zeit keinerlei Belege, ein nennenswerter Handel mit Käse ist auch kaum vorstellbar. Der in Kesmark geborene Alfred Groß (1885-1973; Geburtseintrag Grosz), ein Lehrer, Bergsteiger und Fotograf, bestieg mehr als 100 Tatra-Gipfel. Nach dem Erklimmen der mehr als 2550 m hohen Kesmarker Spitze/Kežmarský štít ging er der Frage nach, wie der Name dieses Gipfels richtig zu schreiben sei. Er befasste sich dazu mit der Etymologie, also der Herkunft, Geschichte und Bedeutung der Wörter. Damit und durch das Studium historischer Dokumente kam er zu einem erstaunlichen Ergebnis.
Sieben Hypothesen
Alfred Groß stellte die existierenden Erklärungsversuche der Namensherkunft zusammen. Sie basieren auf:
1) einem vermuteten Käsemarkt in den Anfangsjahren des Ortes,
2) dem Namen des hunnischen Heerführers Keve, aus dem Keves-mark entstand,
3) dem von der österreichischen Verwaltung im 16. Jahrhundert geschaffenen Namen Kaysersmarckt oder Kaisersmark, als sich die Stadt an die Seite des Königs Ferdinand gegen Johann Zápolya stellte,
4) den Worten Kasen und Mark, wobei kasen aus dem Gotischen kommt und einnehmen, bezücken, bezaubern heißt. Mark steht für Wald oder Weide, und Käsmark bedeutet daher eine entzückende Wald-/ Weidegegend (Meinung von Christian Genersich).
5) dem Wort Gézas-Mark (nach König Geza II.; Meinung von Friedrich Lám),
6) dem Begriff Quads-mark, nach dem Stamm der Quaden, die einmal unterhalb des Karpatenbogens siedelten,
7) dem Namen einer Familie Käs, analog zum Nachbarort Roks/Rakúsy (vom Familiennamen eines gewissen Rocke gebildet; Meinung von Julius Greb).
Alfred Groß nennt die Vielfalt der Deutungen ein Rätselraten. Er gibt auch zu bedenken, „daß man in alten Zeiten auf die Rechtschreibung kein besonderes Gewicht legte und mit der Ethymologie des Wortes Kesmark seit den 1270-er Jahren schon ganz und gar nicht im Klaren war“. Eines aber stellt er fest: In alten königlichen Dokumenten ist Kesmark die häufigste Schreibweise. Nun ging es für den Professor des Kesmarker Gymnasiums darum, die Herkunft und Bedeutung das Wortes Kes herauszufinden.
Tiroler brachten heimatliche Bezeichnungen
Das war nicht schwierig, denn das Wort Kes wird bis heute in Tirol und Bayern für die Firn- und Gletschermasse auf den Bergen verwendet.
Groß führt die Übernahme des Wortes auf die große Zahl von Tirolern zurück, die nach der Heirat des ungarischen Königs Andreas II. (ca. 1185-1235) mit Gertrud von Andechs (ca. 1185-1213), der Tochter des Herzogs von Meranien, nach Ungarn kamen.
Die zum Herzogtum Meranien gehörenden Gebiete lagen zerstückelt in Bayern und Tirol. Von dort brachten die Einwanderer auch ihren Wortschatz mit, Ortsnamen aus der Heimat wurden übernommen. Dazu bringt Alfred Groß viele Beispiele. Nora Baráthová behauptet in ihrem Buch, es seien Sachsen nach Kesmark gekommen. Das ist sicher richtig, aber es kamen auch Tiroler.
Nicht Käse, sondern Kes
Das von Prof. Alfred Groß ausgewertete historische Material kann daher so verstanden werden: Es gab keinen Käse-Markt, wohl aber entstand der Ort hinter den von Gletschern vor sich her geschobenen Stein- und Geröllmassen, unterhalb der Grenze zum eisigen Teil der Berge, im Grenzgebiet des Kes. Deshalb kann nur Mark, also Grenzgebiet, richtig sein.
Alfred Groß hat damit die Frage „Käsmark oder Kesmark?“ gut begründet zugunsten der Schreibweise Kesmark beantwortet.
M. Lipták u. H. Schleusener