Wir gedenken unserer Toten
Anfang November, wenn die Tage kürzer werden, das Wetter düster wird, Nebel- und Regenwolken den Himmel verdecken, ein kalter Wind über das Land weht und die letzten Blätter von den Bäumen fegt, kehren unsere Gedanken zu denen zurück, die uns verlassen haben und uns in die Ewigkeit vorausgegangen sind.
Der Monat beginnt mit dem christlichen Fest „Allerheiligen“, an dem aller Heiligen gedacht wird, der „verherrlichten Glieder der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind“, der bekannten wie der unbekannten. Dieses Fest wird von der römisch-katholischen und auch der evangelisch-lutherischen Kirche begangen. Am nächsten Tag, dem 2. November, folgt das Fest Allerseelen als „Tag des Gedenkens an alle verstorbenen Gläubigen“ der römisch-katholischen Kirche. In der evangelisch-lutherischen Kirche kann der „Gedenktag der Entschlafenen“ ebenfalls am 2. November begangen werden. Zum Brauchtum dieses Tages gehört der Besuch der Gräber von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten auf den Friedhöfen. In unserer hektischen und stressreichen Welt kann man aber nicht immer gerade an diesen Tagen seine „Pflichten“ erfüllen.
Totengedenken in Hainburg
So trafen wir uns schon am 24. Oktober am Mahnmal der Vertriebenen am Friedhof von Hainburg. Auf Einladung unserer österreichischen Freunde nahm an dem festlichen Ereignis eine kleine Gruppe unter der Führung des Vorsitzenden der KDV-Region Preßburg/Bratislava, Michael Stolár, und der Ortsguppenleiterin Judita Kubincová aus Preßburg teil.
Das Wetter war diesmal günstiger als in den Jahren zuvor, obwohl Wolken und Nebelschwaden den Schein der Sonne manchmal verdunkelten, war es erstaunlich mild, ja fast angenehm. Die feierliche Liturgie mit der Segnung der Grabstelle und der Anwesenden vollbrachte der Stadtpfarrer der Pfarrgemeinde Hainburg an der Donau, Othmar Posch. Der Obmann der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Karl Putz, erinnerte an die Ereignisse des Jahres 1945, an die Vertreibung Zehntausender aus ihrer Heimat, an den Tod unschuldiger Opfer von Willkür und Gewalt. Am Mahnmal wurden dann Kerzen entzündet und Kränze niedergelegt.
Auf dem Braunsberg
Nach dieser Feierstunde fuhren wir zum Braunsberg, dem Schicksalsberg für Vertreibung und Wiedersehen, der eine fast magische Verbindung mit den Karpatendeutschen hat. Hier wurde am 21. September 1980 von der Karpatendeutschen Landmannschaft in Österreich der Gedenkstein an die Vertriebenen errichtet, und hier fand auch am 22. August 1992 unter dem Motto „Brücken bauen” der Erste Karpatendeutsche Tag statt.
Oben am Berg angekommen, umhüllte uns der raue Herbstwind, der vom Marchfeld wehte. Doch diese Unannehmlichkeit hielt uns nicht ab, an diejenigen zu denken, die von uns gegangen sind. Wir legten weitere Kränze zum Gedenkstein und zündeten Kerzen an.
In seiner Ansprache dachte Stephan Saghy an Frau Rosi Stolár-Hoffmann, die den Ersten Karpatendeutschen Tag an dieser Stelle organisierte, die Seele Preßburgs, die alles gab für ihre Preßburger, ihre deutschen Landsleute, ihre deutschen Freunde im In- und Ausland. Noch im Jahr zuvor legte sie hier einen Kranz zum Gedenkstein. Jetzt war sie von uns gegangen. Aber die, die hier versammelt waren, spürten ihre geistige Anwesenheit an diesem so wunderbaren Ort und als wir das Lied „Wahre Freundschaft“ sangen, trübten Tränen der Rührung viele Augen.
Am Kreuz der Brucker
Weiter ging es dann zur österreichisch-slowakischen Grenze, dort, wo das „Kreuz der Brucker“ steht. Das Mahnmal der Bewohner von Bruck, die hier im Jahr 1945 über die Grenze getrieben wurden und alles hinter sich lassen mussten: ihr Eigentum, Grund, Gräber der Ahnen und ihr ganzes bisheriges Leben. Pater Alois Sághy, auch einer der Brucker, hielt eine kurze Andacht, und wir zündeten weitere Kerzen zum Gedenken an.
Es folgte ein gemütliches Beisammensein beim Mittagessen im Schlossrestaurant in Kittsee. Diese freundlich-fröhliche Runde brachte manche Erinnerungen ans Licht, erneuerte unsere Zusammengehörigkeit und stützte unsere Bemühungen, weiterzumachen und nicht vor dem Schicksal unserer Minderheit zu kapitulieren.
Als wir uns dann in den frühen Nachmittagsstunden von unseren Freunden verabschiedeten, war nicht nur die Stimmung traurig, auch der Himmel verfinsterte sich und es begann zu regnen.
Martin Stolár