Der Braunsberg – Ein Schicksalsberg erinnert an die Vertreibung der Karpatendeutschen

Die Straße von Preßburg-Engerau (Bratislava-Petržalka) nach Hainburg verläuft unter einem langgezogenen Berghügel, dem Braunsberg. Dieser Berg ist zu einem Gedenkpunkt an die Vertreibung der Karpatendeutschen geworden, denn hier an der Grenze mussten sich tausende Karpatendeutsche nach dem Krieg endgültig von ihrer Heimat verabschieden.

Auf dem Gedenkstein auf dem Gipfel findet man die Aufschrift: „Zum Gedenken an die Heimat der Karpatendeutschen, die 1945 aus dem Preßburger-, Hauer- und Zipserland vertrieben wurden“ Sie soll an die schwere Zeit unserer deutschen Volksgruppe erinnern. Sie soll aber auch ein Appell für Toleranz, Entgegenkommen und Verzeihen sein.

Seit der Vertreibung der Karpatendeutschen sind Jahrzehnte vergangen. Die Verhältnisse zwischen den einzelnen Nationalitäten in unserem Land haben sich geändert. Man ist auf beiden Seiten klüger geworden und ist mit neuen Sorgen – gesundheitlichen, aber auch politischen – beschäftigt, was dazu führt, dass so ziemlich alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen oder zumindest sollten.

Enge Verbindung nach Österreich

Mit denen, die nach ihrer Vertreibung eine neue Heimat in Österreich gefunden haben, sind wir eng verbunden und wir besuchen regelmäßig im Herbst die Gedenkstätten unserer bei der Vertreibung 1945 verstorbenen Landsleute in Hainburg und das Mahnmal am Braunsberg. So war es auch dieses Jahr am 27. Oktober. Unsere karpatendeutsche Delegation aus der Slowakei wurde von unserem Landesvorsitzenden RNDr. Ondrej Pöss und dem Vorsitzenden der Region Preßburg RNDr. Michael Stolár angeführt. In Preßburg herrschte nebeliges Wetter. Die Tropfen an den wenigen Blättern, die noch an den Ästen hingen, fielen zu Boden. Ein trauriger Anlass, ein trauriges Wetter. Obwohl wir an der Grenze, wegen der wieder eingeführten Kontrollen einen Stau erwartet hatten, war die Durchfahrt vollkommen unproblematisch und die freundlichen österreichischen Grenzpolizisten winkten uns einfach durch.

Pünktlich kamen wir am Hainburger Friedhof an. Es erwartete uns ein wunderbarer Wetterumschwung. Herrlicher Sonnenschein durchbrach den Nebel und der Braunsberg erschien in seiner ganzen Mächtigkeit über Hainburg. Da sich unsere Landsleute ein wenig verspäteten, mussten wir eine Weile warten, was wir zu einer Besichtigung dieses schön gepflegten Friedhofs unter den Strahlen einer wärmenden Sonne genossen. Als dann unsere Landsleute eintrafen, gab es ein rührendes Zusammentreffen mit vielen Umarmungen, Busserln und Händeschütteln – eben wie es bei Freunden üblich ist.

Gemeinsames Gedenken

Pater Alois Sághy und Stefan Saghy gedachten vor dem Erinnerungsgrabmal, in einer erhebenden Andacht aller aus der Slowakei Vertriebenen, die ihre Heimat verlassen mussten – aufgrund einer angeblichen „Kollektivschuld“! Der Obmann der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Österreich, Karl Putz, erinnerte an die damaligen Ereignisse und entschuldigte Pfarrer Posch aus Hainburg, der wegen eines traurigen Anlasses in der Familie nicht der Trauerfeier beiwohnen konnte. Auch der Bürgermeister von Hainburg hat sich, wegen Verpflichtungen am Staatsfeiertag, entschuldigt.

Danach fuhren wir bei herrlichem Herbstwetter hinauf zum Gedenkstein auf dem Braunsberg und genossen den Ausblick. Oben Sonne und fast gänzlich blauer Himmel, unter uns ein Nebelmeer. Preßburg im Osten war ganz verdeckt, nur der Fernsehturm auf dem Gämsenberg ragte aus dem Nebelmeer heraus.

Es wurde wieder unserer Toten gedacht. Ein Kranz wurde an dem Gedenkstein niedergelegt. Pater Shágy und Landesobmann Karl Putz sprachen einige rührende Worte. Unser Landesvorsitzender RNDr. Ondrej Pöss sprach über die Opfer von Gewalt und Vertreibung. Dabei erwähnte er auch die Menschen, die in namenlosen Gräbern in der Slowakei liegen und denen erst jetzt nach und nach Denkmäler errichtet werden, wie es bei den Bewohnern aus Kuneschhau der Fall ist, die bei der Ortschaft Magurka 1944 ermordet wurden.

Nach dem Gedicht von Agnes Thinschmidt über den Braunsberg und dem Lied „Wahre Freundschaft“ ging es wieder hinunter in den traurigen Nebel und die Dunkelheit und Nässe eines Herbsttages.

Am Braunsberg

Es ist eine liebe Gewohnheit geworden knapp vor Allerheiligen

das Grab am Hainburger Friedhof aufzusuchen, einen Kranz niederzulegen

und am Braunsberg zu gedenken, jedes Jahr um diese Zeit,

ringsum ist die Natur im buntesten Kleid für uns bereit,

bei unserem Denkmal innezuhalten, sich die Hände zu geben,

derer zu gedenken, die seinerzeit ihre Heimat und ihr Leben verloren haben,

die damals erfuhren Hass, Grausamkeit, Elend und Plag`.

Ihr seid niemals vergessen, denn jedes Jahr jährt sich ein Tag,

Ende Oktober, an dem wir aufbrechen in Gedanken bei Euch zu sein.

Sind die Teilnehmer nicht immer sehr viele, die Gruppe oft eher klein,

doch die mitkommen, sind mit ihrem ganzen Herzen dabei

ein paar Zeilen hier beizutragen, ich mich jedes Mal freu`.

Der Nebel nimmt uns leider heute etwas die Sicht.

Die bunte Natur und auf unser Preßburg sehen wir eben nicht.

A Ticket brauchst fias Aufifohrn, des is neich, s`is wohr.

Der Automat erforderte ziemliches Geschick, des wor klor.

(Übersetzt: Ein Ticket braucht man für die Auffahrt, das ist neu, dies ist wahr.

Der Automat erforderte ziemliches Geschick, das war klar.)

(von Agnes Thinschmidt)

Wir fuhren zu einem gemeinsamen Mittagessen nach Bruck (Most pri Bratislave) und zu einer Gedenkfeier auf dem dortigen Friedhof, wo viele Vorfahren unserer österreichischen Freunde liegen.

Ich muss noch einmal beteuern, wie freundschaftlich, ja familiär wir von unseren Freunden in Hainburg begrüßt wurden. Wir haben gemeinsam gebetet, uns erinnert und gesungen. Es ist schwer, alles in Worte zu fassen. Es war herrlich, denn in dieser oft so lieblosen Welt ist es wie Balsam für die Seele, mit wahren Freunden zusammenzukommen. Dies schenkt uns unvergessliche Stunden. Eine solche konnten wir auch an diesem Oktobertag erleben.

Rosi Stolár-Hoffmann