Franz Richweis Schwedler

Ein Schwedlerer Urgestein lässt uns an seinem Lebensweg teilnehmen

Franz Richweis (geb. am 11. März 1929) war im Jahre 1991 Gründungsmitglied der Ortsgemeinschaft (OG) Schwedler des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei. Bald wurde er zum Vorsitzenden gewählt. Mit Tatkraft hatte er die OG Schwedler zu einer beispielgebenden Begegnungs- und Bildungsstätte auf- und ausgebaut. Besonders die jungen Menschen lagen ihm am Herzen. Den Vorsitz hatte er bis zu seinem plötzlichen Tode (28. August 2001) inne.

Schon 1994 anvertraute er Aranka Stigloher-Liptak (Bad Aibling) den folgenden Text zum Veröffentlichen, den wir in Auszügen wiedergeben. Der Text erschien in der ZIPSER TRILOGIE (Band III, Potoken und Mantaken dazähln, Verlag ViViT, Kesmark/Kežmarok, 2020, S. 14-16). Weitere erlebnisreiche und originelle Geschichten und Gedichte finden wir in diesem Band von Franz Richweis und Ladislaus Müller (Göllnitz).

„Im Jahre 1929 erblickte ich in Schwedler das Licht der Welt. In der damaligen Tschechoslowakischen Republik herrschte eine Wirtschaftskrise. Mein Vater war zu dieser Zeit einer von vielen arbeitslosen Bergleuten, meine Mutter war Hausfrau. Arm sind wir drei Kinder großgewachsen, aber gottesfürchtig. Wir wurden von unseren Eltern gut erzogen.

In meiner Heimat, dem sogenannten „Hungertal“ (hladová dolina), wurde ab 1932 die Eisenbahnstrecke Margareten – Roter Stein – Margecany – Červená Skala gebaut. Hier fand mein Vater wieder Arbeit.

Im Jahre 1934 kam ich für fünf Jahre in die römisch-katholische Volksschule. Danach besuchte ich für drei Jahre die deutsche Bürgerschule in Schwedler, die ich mit der Mittleren Reife abschloss.

1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Viele junge Männer wurden zum Militärdienst eingezogen. Die Tschechoslowakische Republik ist zerfallen, die Slowakische Republik wurde ausgerufen. Ich kam mit 14 Jahren 1943 in die Schlosserlehre nach Dubnitz an der Waag.

Meine Eltern und meine Geschwister wurden im Herbst 1944 nach Deutschland evakuiert. Ich bin in Dubnitz geblieben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kamen wir dann gemeinsam nach Schwedler zurück. Die Reise ging von Preßburg über Budapest und Kaschau nach Kysak. Von Kysak aus gingen wir zu Fuß nach Schwedler, wo wir nach 14 Tagen ankamen.

Unser Haus war wie alle Häuser in Schwedler total ausgeraubt, nicht einmal ein Blumentopf blieb übrig. Als wir die Verwüstung sahen, weinten wir alle bitterlich. Unsere liebe Mutter schüttete etwas Stroh auf die Dielen, wo wir dann einige Zeit kampierten. Unsere Familie war also eine von den ersten Heimkehrern.

Wir hatten bei allem Elend noch einigermaßen Glück. Mein Vater wurde aufs Rathaus zitiert, wo ihm mitgeteilt wurde, dass wir die deutsche Staatsbürgerschaft verloren haben, außerdem das ganze Vermögen. Es wurde alles konfisziert. Mein Vater war damals schon sehr krank. Sorgen um die Familie erschwerten noch seine Krankheit. Hinzu kam, dass in Schwedler kein Arzt war und Medikamente gab es auch nicht.

Anfang Dezember 1945 starb unser lieber Vater. Auf meinen jungen Schultern lastete nun eine große Verantwortung; ich wurde Erhalter der Familie. Inzwischen wurden wir noch einmal ausgeraubt. Von den wenigen Kleidern, die meine Mutter gerettet hatte, blieb fast nichts übrig. Den ganzen Sommer lebten wir von Kartoffeln, zu denen unsere liebe Mutter aus verschiedenen Kräutern und Gräsern „Soßen“ kochte.

Am schlimmsten aber hat uns getroffen: Wir konnten kein Wort Slowakisch. Die deutsche Sprache wurde streng verboten. Schwedler war doch bis 1945 ein rein deutsches Dorf. Schwedler wurde am 21. Januar 1945 von der Roten Armee besetzt. Aus sechs slowakischen Dörfern wurden in Schwedler Menschen angesiedelt; es war ein ganz anderer Menschenschlag.

Die heimgekehrten Deutschen wurden in die Schulen eingesperrt, zum Arbeiten abgeholt und auch geschlagen. Einige wurden nach Russland verschleppt, von denen nur wenige zurückkamen. Sogar auf Minenfelder zu dem berüchtigten „Duklapass“ wurden Leute gebracht, ohne vorherige entsprechende Belehrung, wie sie sich beim Minenräumen zu verhalten hätten. Nun leben wir endlich friedlich und gemeinsam mit unseren slowakischen Mitmenschen so zusammen wie unsere Vorfahren seit über 800 Jahren.“

Prof. em. Dr. Ferdinand Klein