Irma Hecht, 1905, in Stoller’s Studio, 200 E. 83rd St. (Manhatten), New York

Im Gedenken an Familie Dubsky – Zum 100. Todestag von Irma Hecht

Irma Hecht, geborene Dubsky (28. Oktober 1877 in Kesmark/Kežmarok; † 14. Oktober 1925 in Matzdorf/Matejovce), ist nicht nur meine Urgroßmutter, sondern auch die meines Cousins Viliam und meiner Cousine 2. Grades, Lucia – sowie die Ururgroßmutter ihrer Kinder. Sie war die Mutter meines Großvaters Rudolf und meiner Großtanten Magda und Emma, die Großmutter meines Vaters Rudolf und die Ehefrau meines Urgroßvaters Karl Hecht. Mit dieser Überlegung wurde mir erstmals bewusst, wie viele Äste und Zweige in einem Stammbaum aus einer einzigen Person hervorgehen oder mit ihr – direkt oder indirekt – in Verbindung stehen können.

Zudem ist sie die Stief-Urgroßtante Evas, meiner Cousine 3. Grades, sowie die Ururgroßtante meines Neffen 4. Grades, Martin. Doch zuallererst war sie Tochter und Schwester.

Irma Hecht
Das Foto links von Irma Hecht war trotz des Zustands für meinen Vater besonders. Rechts die von mir am PC restaurierte Version. Oft muss ich denken, wie sehr sich der Papa darüber gefreut hätte.

Foto sei Dank

Ein altes Foto, dass mir Eva gab, hat mein Interesse besonders geweckt. Zumal ich darauf weder jemanden erkannte, noch um ihn/sie wusste. Es freut mich nicht nur, dadurch zu wissen, wie meine Urgroßmutter in jungen Jahren aussah, vor allem aber damit ein so altes Familienfoto aus dem Dubsky-Zweig mitsamt der Urur-Großeltern zu haben.

Dubsky Familie
Besagtes Foto aus dem Jahr 1893: Von links nach rechts, stehend: Eleonora (1873–1948), Irma (1877–1925), Eduard (1876–1927), Mathilda (1881–1949); sitzend: Anna (1879–1896), Johannes (?-?) und Maria (?-?), geb. Kodesch, sowie Julia (1883–?) Dubsky.

Eleonora heiratete Ludwig Hecht und Irma dessen Bruder Karl. Von den anderen wusste Eva, dass Eduard mit seiner Frau Emilia, geb. Jesch, zwei Töchter, Emma und Margarita, hatte. Über Mathilda berichtete sie, dass sie einen Mikula heiratete und später wie Julia in die USA emigrierte. Julia hatte einen Sohn namens Herold. Über Anna konnte sie nur sagen, dass sie mit 17 starb. Ihr genaues Geburtsdatum, wie manch anderes habe ich nachrecherchiert.

Mehr als einmal sagte Eva: „Toll, was Du wieder alles gefunden hast“ und „Wie viel Mühe Du dir auch mit den alten Fotos gibst. Wie ich Dich kenne, hast du wieder die halbe Nacht im Internet verbracht.“ Oft war es auch sie, die vor Ort mit Anrufen oder Gängen zu den Standesämtern oder zur Friedhofsverwaltung etwas herausfand, wenn ich nicht weiterkam. Manchmal war es aber nötig, einen Profi zu engagieren. Nur so war es möglich, das Sterbedatum Irmas herauszufinden.

Monarchische Auswirkungen

So stellte ich fest, dass ich mit einem Zipser Sachsen als Vater, einer slowakischen Mutter und deren tschechischer Mutter nicht nur ein tschechoslowakischer Querschnitt bin, sondern mit den galiziendeutschen Eltern Irmas ein regelrechtes k. u. k. Potpourri.

Ausschnitt des  Geburtseintrags von Aemilia Emanuela Dubsky, die mit 5 Monaten am 3. 
September 1885 verstarb. Rechts eingetragen, die Eltern Johannes (aus Dobrozien, Galizien) und Maria, geb. Kodesch (aus Trynic, Galizien) in der damaligen magyarisierten 
Schreibweise mit sz.
Ausschnitt des Geburtseintrags von Aemilia Emanuela Dubsky, die mit 5 Monaten am 3. September 1885 verstarb. Rechts eingetragen, die Eltern Johannes (aus Dobrozien, Galizien) und Maria, geb. Kodesch (aus Trynic, Galizien) in der damaligen magyarisierten Schreibweise mit sz.

Denn in den Geburtseinträgen der Kinder von Johannes und Maria Dubsky erfuhr ich, dass beide aus Galizien stammten. Galizien war – gemeinsam mit Teilen Südpolens und der Westukraine – als Königreich Galizien und Lodomerien ab 1804 Teil des Kaisertums Österreich, mit den Amtssprachen Polnisch und Deutsch und Lemberg/Lwiw als Hauptstadt. Johannes und Maria Dubsky kamen wohl in den frühen 1870er Jahren in die Zips, denn Eleonora wurde 1873 in Felka/Veľká, als erstes von zehn Kindern, von denen nur fünf erwachsen wurden, geboren.

Gelobtes Land

Wie viele andere, emigrierten auch Julia (1902) und Mathilda (1921) in der Hoffnung auf ein neues und besseres Leben in die USA. Übrigens kam 1921 auch der berühmte Wiener Geigenvirtuose und Komponist Fritz Kreisler in New York an.

Im Vordergrund die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge. Zu ihrer Zeit die längste 
Hängebrücke der Welt und damals, wie heute ein markantes Wahrzeichen New Yorks.
Im Vordergrund die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge. Zu ihrer Zeit die längste
Hängebrücke der Welt und damals, wie heute ein markantes Wahrzeichen New Yorks.

Wie sich herausstellte hatte Julia, nicht einen Sohn aber einen Ehemann namens Herold. Er hieß Adolf, stammte aus Hamburg (*1881-?) und kam ebenfalls 1902 in New York an. Damals mussten sie noch auf den Anträgen zur Einbürgerung dem jeweiligen Kaiser beziehungsweise Potentaten abschwören. Mit gewissem Aufwand gelang es mir ihren Eheeintrag vom 12. Mai im Jahre 1907 zu finden. Später lebten Sie mit ihren beiden Kindern, Louise (1908-?) und William (1912-?), in New Jersey.

Julia Dubsky
So erfuhr ich, dass Adolf Herold von Beruf Iron Worker/Stahlbauarbeiter war. Laut Eintrag in entsprechender Volkszählung von 1930 war er später Installateur und Julias Muttersprache im Ursprungsland, war darauf ebenfalls mit Deutsch angeben.

Was aus Mathilda wurde

Mathilda heiratete tatsächlich 1908 einen Mikula, Francz aus Spišské Vlachy und hatte mit ihm die Kinder Stefan und Irene. Franz hatte bereits eine Tochter namens Millie. In seinem Einreisedokument von 1912 wird er als Deutscher aus Ungarn und Schuster beschrieben. Erstaunlicherweise kamen Mathilda, Millie und Stefan erst 1921 nach. Das hat mich beschäftigt: Wollte er zunächst Geld verdienen und zurückkehren? Erst einen gewissen Wohlstand aufbauen? Oder brauchten sie einfach so lange, um das Geld für die Überfahrt zu sparen? Obgleich der Erste Weltkrieg dazwischen kam, hatten sie doch vor Ausbruch und nach Ende des Krieges mehrere Jahre, um nachzukommen. Wie auch immer – Irene kam neun Monate später in Cleveland, Ohio, zur Welt. 1930 ließen sie sich scheiden.

Stephen Mikulas Einbürgerungsantrag von 1937.
Stephen Mikulas Einbürgerungsantrag von 1934.

Interessant sind die Informationen zu zu Beruf, Haar- und Augenfarbe, Größe, Gewicht, Datum und Ort bei der Ankunft. Laut Mathildas Einbürgerungsantrag von 1936 hatte sie braunes Haar, blaue Augen, war 1,61 m groß, wog 83 kg.

Dubsky
Oben: Franz (1876–1960) und Millie (1899–1993)
Unten: Mathilda (1881–1949), geb. Dubsky, Stephen (1909–1989) und Irene (1921–?) Mikula.

Archivierung sei Dank

Dank weiterer Dokumente, Informationen und auch Filmaufnahmen aus jener Zeit konnte ich die Lebensumstände meiner Ahnen besser verstehen und mehr über sie erfahren. So war es zu jener Zeit lebensgefährlich, als Stahlarbeiter zu arbeiten. Aber damals, wie heute ist es nicht immer einfach, fern der Heimat ein neues Leben aufzubauen. Man stelle sich vor, es war buchstäblich noch zu Kaisers Zeiten. New York war aber auch in vielem sehr viel moderner. Daher frage ich mich, ob die New York Subway/New Yorks U-Bahn, die am 27. Oktober 1904 eröffnet wurde, auch von meinen Urgroßeltern (bestimmt) genutzt wurde.

Irma Hecht, 1905, in Stoller’s Studio, 200 E. 83rd St. (Manhatten), New York
Irma Hecht, 1905, in Stoller’s Studio, 200 E. 83rd St. (Manhatten), New York

Des Rätsels Lösung

Es fanden sich zusätzlich Fotos, die von meinen Urgroßeltern Irma und Karl Hecht in New York aufgenommen wurden. Dies belegt: Sie waren 1905 gemeinsam dort. Der Grund ihrer New York-Reise war der Besuch von Irmas Schwester Julia. Darum fand ich sie auch nicht in Karls Einreisedokument – sie war vorausgereist. Dank meiner Recherchen, dessen Impulsgeber genanntes Dubsky-Familienfoto von 1893 war, weiß ich nun nicht nur mehr über Irmas Familie, sondern auch über mich selbst. Sie ist ein Teil meines Ichs – meiner Abstammung – meines Seins.

Norbert Hecht