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„Schließlich waren die Fugger ja Deutsche!“

Was haben Leutschau/Levoča in der Ostslowakei, Neusohl/Banská Bystrica in der Mittelslowakei und Almagro in Kastilien gemeinsam? Zum einen sind alle drei Städte mehr als eine Reise wert und zum anderen waren sie Standorte des schon im Mittelalter global aufgestellten Augsburger Fugger-Konzerns, der hier wie andernorts unübersehbare Spuren hinterlassen hat.

Beginnen wir die Reise in Leutschau, auch „Zipser Rothenburg“ genannt. Die Stadtmauer ist weitgehend erhalten, 3 von 4 Toren und 6 von 15 Basteien existieren noch. Kunsthistorisch ist sie eine der bedeutendsten Städte der Slowakei, nicht zuletzt wegen der gotischen Jakobskirche mit ihren 15 Altären, darunter der beeindruckende Hauptaltar, der größte gotische Schnitzaltar der Welt von Meister Paul von Leutschau.

Die Stadt erlebt ihre wirtschaftliche, politische und kulturelle Blüte im Mittelalter. Hier wird 1437 der deutschstämmige Hans Thurzo geboren. Sein Vater Georg hat es schon zu dieser Zeit mit Erz- und Metallhandel sowie Geldgeschäften mit dem ungarischen König zum Unternehmer von europäischem Rang gebracht. Hans übernimmt 1460 nach Georgs Tod die Geschäfte und zieht 1464 nach Krakau, Krönungsstadt der polnischen Könige und damaliges wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Ostmitteleuropas.

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Das Thurzo-Haus in Leutschau dient heute als Archiv. Ursprünglich zwei gotische Häuser, die vereinigt, später barockisiert und 1903/1904 mit Neorenaissance-Sgraffiti versehen.

Hier baut er seinen Handel weiter aus, errichtet eine Schmelzhütte, in der Kupfer und Silber voneinander getrennt werden. Als er den Auftrag erhält, die Bergwerke von Neusohl und anderer slowakischer Bergstädte wiederzubeleben, stößt auch er an finanzielle Grenzen. Jakob Fugger, den er schon einige Jahre kennt, steigt offiziell 1494 in das Geschäft ein und mit dem „Ungarischen Handel“ entsteht das damals vermutlich größte Montanunternehmen Europas. Später wird Jakob Fugger mit Billigung von Hans Thurzo dieses Gemeinschaftsunternehmen führen.

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Das Thurzo-Haus, Sitz der Thurzo-Fuggerschen Gesellschaft, eines der schönsten Häuser am Marktplatz von Neusohl

Die schon im Mittelalter das „Kupferne Neusohl“ genannte Universitätsstadt ist der größte der drei hier behandelten Fuggerstandorte. Ihr Marktplatz mit dem Thurzo-Haus und weiteren zahlreichen, zum Teil palastähnlichen Häusern zeugt von großer Vergangenheit. Bereits im 12. und 13. Jahrhundert betreiben ins Land gerufene deutsche Bergleute, „Waldbürger“ genannt, Schacht- und Stollenbau. Neben anderen Privilegien dürfen nur sie sich am Marktplatz als sogenannte „Ringbürger“ niederlassen. Als deutscher Reisender fühle ich mich wohl auf dem schönen Platz und bin stolz auf die Leistungen dieser Vorfahren.

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Der Marktplatz von Neusohl. Blick von den Arkaden des Benicky-Hauses. Im Hintergrund der Uhrturm und rechts davon die Kathedrale. Links ist die Turmspitze der deutschen katholischen Marienkirche zu erahnen, eine der schönsten Kirchen der Slowakei mit dem Marienaltar von Meister Paul von Leutschau.

Im ruhigen Almagro, 3000 Kilometer von Leutschau entfernt und 190 Kilometer südlich von Madrid in Kastilia la Mancha gelegen, ist das Fuggerhaus nicht am Plaza Mayor (Hauptplatz) wie in Leutschau und Neusohl zu finden, und es ist auch kein Palast, sondern ein Lager- und Bürohaus.

Hier kümmerten sich die Verwalter Jörg Wessel und Johannes Schedler um die Lagerung und Vermarktung des bei Almadén geförderten Quecksilbers und alle weiteren Geschäfte in Spanien. Zu dieser Zeit war Almagro nicht zuletzt dank der Fuggerschen Aktivitäten eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Kastiliens.

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Der „Palacio de los Fúcares“ in Almagro ist ein von außen schlichter Bau in toledanischem Stil. Der quadratische Innenhof ist umsäumt von Arkaden auf toskanischen Säulen.

Heute hält man das Andenken an diese Vergangenheit aufrecht. So dient der „Palacio de los Fúcares“ als städtisches Kulturzentrum und kann besichtigt werden. Als ich die Dame an der Kasse um einen Prospekt in deutscher Sprache bitte, fängt sie zunächst verlegen an zu suchen, wird schließlich fündig und sagt beim Überreichen mit einem erleichterten Lächeln: „Das wäre ja noch schöner. Schließlich waren die Fugger ja Deutsche.“

Rudolf Göllner

(Fotos: Göllner)